Protokoll der Sitzung vom 23.07.2014

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Durch Beschluss des Landtags vom 25. Juni 2014 ist der Gesetzentwurf an den Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten – federfüh- rend – und an den Rechtsausschuss überwiesen worden. Der Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten hat den Gesetzentwurf in seiner 34. Sitzung am 15. Juli beraten. Der Rechtsausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 34. Sitzung am 17. Juli beraten. Beide Ausschüsse empfehlen mit den Stimmen der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU die Annahme des Gesetzentwurfs.

(Beifall bei CDU und SPD)

Jetzt habe ich noch keine Wortmeldung vorliegen. – Der Kollege Reichel hätte sich den Weg sparen können. Herr Kollege Reichel von der CDU hat das Wort.

Es ist schön, wenn man sich nachmittags noch einmal bewegen kann.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Bei der letzten Plenarsitzung habe ich deutlich gemacht, welchen Stellenwert die Umweltbelastung gerade in Städten und Ballungsgebieten wie bei uns im Rhein-Main-Gebiet hat und wie die Menschen dadurch immer mehr beeinträchtigt werden. Am Ende meiner damaligen Ausführungen habe ich signalisiert, dass die CDU nach den Ausschussberatungen, wenn alle Fragen gestellt und beantwortet sind, eine Gesamtbewertung vornehmen wird. Leider hat die Ausschussberatung nicht zur Beantwortung unserer Fragen beigetragen, sondern im Gegenteil weitere Fragen aufgeworfen. Bei genauerem Hinsehen und in Kenntnis verschiedener Stellungnahmen, die uns allerdings leider nicht von der Regierung zur Verfügung gestellt wurden, haben wir im Ergebnis eine ablehnende Gesamtbewertung vornehmen müssen. Deshalb werden wir heute diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen.

(Beifall der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Kollegin Neuhof das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Reichel und die CDU, wie können Sie allen Ernstes gegen dieses Gesetz stimmen?

(Pörksen, SPD: Das möchte ich auch mal wissen!)

Ich kann es nicht verstehen. Es ist ein Gesetz, das die Menschen vor Feinstaubbelastungen schützen soll. Gerade Sie in den Metropolen – ich komme vom flachen Land; ich kann in den Wald gehen und dann ist alles gut – und Ihre kommunalen Einrichtungen brauchen dieses Gesetz, um adäquat, zielgenau, zeitgenau und bedarfsgenau entsprechende Erlasse machen zu können, um die Bevölkerung bei einer entsprechenden Situation schützen zu können.

(Beifall der Abg. Frau Brede-Hoffmann, SPD)

Wir machen dieses Gesetz nicht nur deshalb, weil wir gerne Gesetze machen, sondern wir setzen damit europäische Richtlinien und Bundesgesetzgebung um. Ich finde es schon nicht uncharmant von Ihnen, dass Sie sich sowohl gegen europäische Richtlinien als auch gegen Bundesgesetzgebung aussprechen. Ich finde es auch ausgesprochen charmant, wie Sie mit der EU umgehen. Sie biegen es sich zurecht, wie Sie es gerade brauchen. Heute Mittag haben wir es genau andersherum erlebt.

(Unruhe bei der CDU)

Meine Damen und Herren von der CDU, das ist ziellos, das ist „wuschig“. Das sollten Sie sich einmal ernsthaft überlegen.

(Vereinzelt Heiterkeit im Hause)

Der Begriff „wuschig“ ist mir gerade eingefallen, weil es mir fast die Sprache verschlagen hat und ich wirklich nichts Besseres oder Schlechteres finden konnte.

(Pörksen, SPD: Ein guter Begriff!)

Ich muss meinem Herzen tatsächlich Luft machen,

(Unruhe im Hause – Glocke des Präsidenten)

weil ich nicht weiß – das ist aber nicht mein Problem, sondern das ist Ihr Problem –, wie Sie den Menschen in Ihren Städten und Dörfern erklären wollen, dass Sie ausgerechnet gegen dieses Gesetz stimmen, das sie vor Feinstaubbelastungen schützen soll. Da möchte ich auch auf die Weltgesundheitsorganisation verweisen, die ganz eindeutig auflistet, welche gesundheitlichen Probleme sich durch Feinstaubbelastungen ergeben. Stichworte sind Herz-Kreislauf-Beschwerden, Asthma, Atembeschwerden, Allergien, Beschädigung des Immunsystems. Wie wollen Sie das erklären?

Wie bekommen Sie auf der anderen Seite, wenn Sie den Straßenverkehr betrachten und da auf Feinstaubmessungen bestehen, auseinanderdividiert, wie können Sie

sich selbst vordefinieren, dass Sie einmal so und einmal so reden? Ich verstehe das nicht. Ich muss das aber auch nicht verstehen. Ich muss das auch nicht erklären.

Ich kann meinen Wählerinnen und Wählern sagen, ich kann den Menschen in diesem Land sagen, wir tun alles, was in unserer Macht steht, und so schnell, wie wir das können, um Belastungen, die sich durch Feinstäube, durch entsprechende Heizeinrichtungen ergeben, zu vermindern. Wir geben den Kommunen das Instrumentarium an die Hand, dass sie lokal reagieren können. Wir sprechen diese Ermächtigung an die Kommunen aus. Etwas Besseres können wir, was dieses Thema angeht, im Moment nicht machen. Wir setzen das um, was wir in vielen anderen Bereichen auch tun, nämlich europäische Richtlinien und Bundesgesetzgebung zum Wohle der Menschen in Rheinland-Pfalz.

Das ist das, was ich ganz, ganz dringend sagen möchte. Wir haben in der zurückliegenden Plenarsitzung, wenn Sie das Protokoll lesen, ausführlich darüber gesprochen. Die Fakten dürften alle klar sein. Deshalb werden wir diesem Gesetz selbstverständlich zustimmen. Wir sind froh, dass wir es endlich auf den Weg bringen können.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Kollege Hürter von der SPD-Fraktion hat das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Hintergrund für die diskutierte Änderung des Landes-Immissionsschutzgesetzes ist, dass insbesondere die Stadt Mainz seit Jahren vor der Herausforderung steht, die Luftqualität zu verbessern. Es gab Jahre, in denen wurden die EU-Grenzwerte verletzt. Vor dem Hintergrund hat sich insbesondere die Stadt Mainz intensiv damit auseinandergesetzt – auch über einen sogenannten Luftreinhalteplan –, wie die Luftqualität verbessert werden kann, dies immer eingedenk der Tatsache, dass die Luftqualität unmittelbare Auswirkungen auf das Wohlbefinden, auf die Gesundheit der Menschen hat, dass insbesondere der Feinstaub und die Stickstoffoxide Belastungen für die Menschen bedeuten, die man ganz konkret vor Ort mindern kann.

Es ist eben nicht so wie beim Klimaschutz, dass das lokale Handeln nur einen kleinen Beitrag global leistet, sondern hier kann man sehr wohl mit regionalen Regelungen punkten, weil der Zusammenhang ein sehr unmittelbarer ist. Das heißt, wenn es in der Stadt Mainz oder auch in anderen betroffenen Städten gelingt, kleine und mittlere Feuerungsanlagen ökologisch verträglicher, gesundheitlich verträglicher auszugestalten, kommt das den Menschen in der Region unmittelbar zugute. Vor dem Hintergrund soll der Gesetzentwurf den Kommunen ein zusätzliches Instrument in die Hand geben, innerhalb

der bestehenden Grenzen von EU-, Bundes- und Landesrecht Regelungen zum Wohle der Bürger zu treffen.

Herr Reichel, ich kann wirklich nicht nachvollziehen, wie man sich gegen eine solche Kompetenzverlagerung auf die kommunale Ebene, die gerade den Mainzern zugute käme, mit den Argumenten, die Sie vorgetragen haben, wehren kann. Ich glaube zum einen, dass die Kommunen verantwortungsvoll damit umgehen werden. Der Luftreinhalteplan hat schon eine Reihe von Maßnahmen identifiziert. Das könnte eine weitere Maßnahme sein. Darüber hinaus prüft die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD), inwieweit die Satzung, die eine Kommune erlässt, innerhalb der bestehenden rechtlichen Rahmen, die ich genannt habe, angemessen ist. Wichtig ist auch, wenn eine solche Satzung erlassen wird, muss es eine Maßnahme sein, die in einem unmittelbaren Zusammenhang steht, die also geboten ist.

Vor dem Hintergrund, den ich beschrieben habe, bin ich schon ein bisschen überrascht, dass Sie, obwohl wir auf einem sachlichen Weg waren, nun von diesem sachlichen Weg abweichen. Ich kann die Fragen, die Sie eben angekündigt haben, nicht sehen. Sie haben die Fragen auch nicht gestellt, nicht konkretisiert. Deshalb bitte ich Sie herzlich, Ihre Position zu überdenken; denn es geht wirklich nur um eine reine Kompetenzverlagerung auf die Städte. Die Kommunen, die kommunalen Spitzenverbände haben sich zustimmend geäußert. Es ist nicht so, dass die Landesregierung der Impulsgeber war, sondern das war eine explizite Bitte der betroffenen Kommunen und nach den Gesprächen am Ende auch eine der kommunalen Spitzenverbände. Dieser Bitte wird Rechnung getragen. Deshalb glaube ich, dass auch die CDU-Fraktion dem gut zustimmen könnte. Ich bitte Sie alle herzlich, sich entsprechend bei der Abstimmung zu verhalten.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Staatsministerin Höfken.

Sehr geehrter Herr Präsident, geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich wundere mich ein bisschen über die Haltung der CDU. Der Gesetzentwurf beinhaltet lediglich eine Satzungsermächtigung für die Kommunen und trifft damit keine unmittelbar verschärfenden Regelungen. Er setzt quasi § 23 Bundes-Immissionsschutzgesetz um. Die Gesetzesänderung erfolgt auf Anregung der Kommunen, die trotz bundesrechtlicher Regelungen Probleme mit der Einhaltung der EU-Luftqualitätsgrenzwerte für Feinstaub und Stickoxide haben. Herr Reichel, das heißt, Sie treiben mit Ihrer Haltung die Kommunen in Gesetzeskonflikte. Übrigens findet dieses Gesetz die Zustimmung der Kommunen. Mainz, Ludwigshaften, Koblenz und auch Worms haben Interesse angemeldet.

Gegenstand der Satzungsermächtigung ist der Betrieb von nicht genehmigungsbedürftigen kleinen und mittleren Feuerungsanlagen nach der 1. BImSchV, nämlich die Beschränkung des Betriebs sowie der eingesetzten Brennstoffe als Möglichkeit. Es ist aber ganz klar – die Kollegen haben das schon betont –, die Betriebsbeschränkungen sind nur zulässig, soweit und solange sie zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen geboten, also unerlässlich und verhältnismäßig sind, also beispielsweise im Fall von sehr hohen Schadstoffwerten. Diese Möglichkeiten wollen Sie den Kommunen nicht geben, um ihre gesetzlichen Verpflichtungen einhalten zu können.

Im Verfahren für den Erlass der Satzung – das ist auch schon gesagt worden – sieht der Gesetzentwurf die Beteiligung fachlich betroffener Behörden und Stellen, die öffentliche Auslegung der Satzung und die Zustimmung der SGD vor. Auch Privatpersonen und die Verbände – auch der Wirtschaft – können ihre Stellungnahme zu der kommunalen Satzung abgeben. Das heißt, mit dieser Änderung des Landes-Immissionsschutzgesetzes können die Kommunen ihre Aufgaben und gesetzlichen Verpflichtungen zur Luftreinhaltung besser erfüllen, wenn die Situation dies erfordert. Ich glaube, das sind wir unseren Bürgerinnen und Bürgern schuldig.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir kommen zur unmittelbaren Abstimmung. Wer dem Gesetzentwurf – Drucksache 16/3631 – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf angenommen.

Wir kommen zur Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben!

(Neben den Fraktionen der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erheben sich die Abgeordneten Bracht, Frau Klöckner und Dr. Weiland, CDU – Zuruf von der SPD: Sehr gut! – Heiterkeit im Hause – Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich denke, wir wiederholen noch einmal.

(Zuruf aus dem Hause: Nein!)

Doch. Das passiert jedem. Es war gar nicht feststellbar, dass die sich hingestellt hatten.

(Heiterkeit im Hause – Zuruf der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Wir stimmen bitte noch einmal ab. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben! – Danke. Wer stimmt dagegen?

(Die Abgeordneten der CDU erheben sich – Zurufe von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ah! – Vereinzelt Beifall im Hause)

Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU angenommen.

Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf: