Protokoll der Sitzung vom 23.07.2014

Dafür ist in Zukunft noch mehr als bisher der Bund in der Verantwortung. Wir reden vom Bundesausbildungsförderungsgesetz bzw. kurz BAföG, das heißt, der Bund ist stark in der Verantwortung und hat sich bereit erklärt, in Zukunft die Finanzierung komplett zu übernehmen. Insofern ist es auch zentrale Aufgabe des Bundes, diese Förderung zukunftsfähig weiterzuentwickeln.

Wir sollten die Entwicklung in diesem Bereich auch auf Landesebene aufmerksam beobachten und in diesem Parlament besprechen; denn das BAföG hat wichtige Auswirkungen auf die Entwicklung an unseren Hochschulen. Wenn ich mir allerdings die Entwicklung auf Bundesebene anschaue, gibt es durchaus keinen Grund für Jubelreden; denn wir hatten vier Jahre lang keinerlei Anpassung des BAföG, es gab keine Erhöhung der Förderungssätze und keine Anpassung der Freibeträge. Das bedeutet, die Studierenden haben geringere Förderungen. Wenn die Preise und die Mieten steigen, können sie sich für jeden Euro Förderung weniger kaufen.

Auf der anderen Seite, wenn das allgemeine Lohnniveau steigt und die Einkommensgrenzen der Eltern gleich

bleiben, dann sinkt die Gefördertenquote, und dann sinkt auch die durchschnittliche Förderung. Insofern haben wir einen allgemeinen Rückgang, wenn es Stillstand beim BAföG gibt.

Vor diesem Hintergrund bedeutet die bisherige Ankündigung der Bundesregierung nur eine Ankündigung; denn nach vier Jahren Stillstand soll es mehr als weitere zwei Jahre dauern, bis die entsprechende Anpassung erfolgen soll. Das bedeutet insgesamt sechs Jahre oder zwölf Semester keinerlei Anpassung, keinerlei Erhöhung, keine Erhöhung der Förderungssätze und keine Erhöhung der Freibeträge für die Elterneinkommen.

Das bedeutet dann zwei weitere Jahre, in denen die Mieten in den Hochschulstädten steigen, in denen das allgemeine Preisniveau steigt, in denen die Studierenden höhere Lebenshaltungskosten haben und in denen diese Stagnation andauert.

Die Bilanz dieses Stillstands, der letztendlich vor allem von Schwarz-Gelb auf Bundesebene zu verantworten ist, denn Schwarz-Gelb hat keine BAföG-Reform auf den Weg gebracht, bedeutet, dass nur noch knapp ein Fünftel aller Studierenden BAföG-Leistungen bezieht, die Quote der Geförderten sinkt, die Förderbeträge pro Studierendem sinken und zwei Drittel der Studierenden während ihres Studiums jobben müssen.

Das ist der Hintergrund der aktuellen Ankündigung dieser Reform von der Bundesebene, die nicht unmittelbar bevorsteht, sondern, wie gesagt, zwei weitere Jahre auf sich warten lässt.

Vor diesem Hintergrund ist die Ankündigung von Frau Ministerin Wanka auf der Bundesebene keineswegs, wie der Titel dieser Aktuellen Stunde nahelegen soll, ein Beitrag zu mehr Bildungschancen für Rheinland-Pfalz. Im Grunde ist dieser Stillstand beim BAföG eindeutig ein Beitrag dazu, dass es weniger Bildungsgerechtigkeit gibt, weil die Förderung, wenn man an den Fördersätzen nichts ändert und die Freibeträge nicht anpasst, dann ihre Wirkung im Hinblick auf das Förderungsziel verliert, nämlich gerade Studierenden aus einkommensschwachen Haushalten ein Studium zu ermöglichen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Einerseits wird es dann zu Buche schlagen, dass die Fördersätze weitere zwei Jahre eingefroren bleiben, das heißt mit anderen Worten, dass sie weniger Anteile der Lebenshaltungskosten abdecken, andererseits aber, wenn die Elterneinkommen steigen, sinkt die Förderung der Studierenden, die überhaupt noch Förderung erhalten, bzw. fallen immer mehr Studierende aus der Förderung heraus.

Insofern haben wir insgesamt Nullrunden, sechs Jahre oder zwölf Semester Nullrunden, das heißt, eine ganze Generation von Studierenden hat keine Anpassung erhalten und „guckt in die Röhre“. Ich denke, das ist ein Hintergrund, über den wir reden müssen.

Vor dem Hintergrund überrascht es mich, dass die Bundesregierung sagt, erst in zwei Jahren kommt diese

Reform oder in mehr als zwei Jahren; denn in anderen Bereichen ging es auch schneller. Am Anfang der Legislaturperiode wurden die Abgeordnetenbezüge auf der Bundesebene erhöht, und Rentenpakete wurden im Eiltempo durch den Bundestag gebracht, die auch sehr viel Geld kosten. Ich will nicht die Generationen gegeneinander ausspielen, es gibt sicherlich auch gute Argumente für verschiedene Reformen, aber ich habe bisher kein einleuchtendes Argument gehört, warum die BAföG-Reform mehr als zwei Jahre auf sich warten lassen soll.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin SchleicherRothmund das Wort.

Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Kohnle-Gros, ich schätze Sie ungemein, aber Sie haben mich ein bisschen mit Ihrem Wortbeitrag verwirrt. Als ich den Titel der Aktuellen Stunde gelesen habe, habe ich gedacht, es geht Ihnen ein bisschen darum, die CDU-geführte Bundesregierung dafür zu loben, dass es jetzt zu einer BAföG-Novelle kommen wird.

Ich habe gedacht, das ist ein bisschen als Kompensation dafür zu sehen, wie die Presse das derzeit kommentiert, die SPD besetze die Themen Mindestlohn und Rentenreform. Aber jetzt waren Sie in Ihrer Debatte sehr versöhnlich, die Zielrichtung war mir aber nicht ganz klar.

Jetzt möchte ich einmal die Position der SPD in Sachen BAföG darlegen. Klar ist, wir waren immer für das BAföG, wir haben es unter Willy Brandt eingeführt.

Man kann beobachten, immer, wenn die SPD im Bund in Regierungsbeteiligung war, ging es dem BAföG gut. 1998 hat Edelgard Bulmahn das BAföG quasi ein bisschen wiederbelebt, da es ziemlich eingeschlafen war, aber auch 2008 in der Großen Koalition ging es mit dem BAföG wieder nach vorn und aktuell eben auch.

Sie haben es zutreffend gesagt, es gab Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern. Diese Aussage müssen Sie mir jetzt verzeihen, Frau Wanka stand ganz gut auf der Bremse meiner Ansicht nach, ebenso wie Frau Schavan; denn Frau Wanka wurde nicht müde zu sagen, wenn, dann machen wir gemeinsam eine BAföGReform. Damit wetterte sie eigentlich gegen ein Ansinnen der SPD, die frühzeitig gesagt hat, das werden die Länder nicht allein stemmen können.

Wir brauchen für eine BAföG-Novelle auch den Bund. Von daher ist es eigentlich schön, dass wir es nun geschafft haben, und ich glaube, heute ist auch ein guter

Moment, einer wesentlichen Verhandlungsführerin Dank zu sagen. – Herzlichen Dank an Frau Ministerin Ahnen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Sie hat es richtig kommentiert, als die Einigung im Mai erlangt worden war: Endlich ist der Durchbruch bei der im Koalitionsvertrag bereits vereinbarten Aufstockung der Finanzmittel für Bildung geschafft, und ich finde, dass vor allem wir Hochschul- und Bildungspolitiker uns freuen können, dass das BAföG jetzt komplett übernommen wird. Es ist auch zu begrüßen, dass bei uns im Gegensatz zu anderen Bundesländern die 35 Millionen Euro tatsächlich auch bei Bildung und Hochschule landen.

(Beifall bei der SPD)

Mit der Einigung einher geht auch eine Grundgesetzänderung. Auch das muss gesagt werden. Dabei hätten wir uns vonseiten der SPD mehr vorstellen können. Wir finden, wenn Frau Merkel schon die Bildungsrepublik ausruft, dann könnte sie sich auch an anderen Stellen beteiligen. Aber wir haben jetzt einen Kompromiss gefunden – das ist das Wesen einer Koalition –, und den begrüßen wir.

Die Eckpunkte sind genannt worden: Die Bedarfssätze und Freibeträge sollen immerhin um 7 % angehoben werden. Klar hätte man sich mehr gewünscht. Man wünscht sich immer mehr, Herr Heinisch. So ist das nun einmal im Leben, erst recht dann, wenn in den vergangenen Jahren nichts passiert ist. Aber Sie müssen sehen, wir reden insgesamt über eine Summe von 825 Millionen Euro – das ist ein Wort –, und es sind 110.000 junge Menschen, denen das Geld zuteil wird.

Bei den Wohnsätzen wird das BAföG von 242 auf 250 Euro angehoben. Wer die Realität kennt, der weiß, das ist nicht viel. Sie haben es angesprochen, das Thema Wohnraum ist ein brennendes Thema, aber dabei müssen Sie auch ganz klar zugeben, das Land RheinlandPfalz hat in der Vergangenheit einiges getan. Wir haben neue Studentenwohnheime in Mainz und in Landau bekommen, aber wir werden auch wieder einmal an die Privateigentümer appellieren müssen, dass so wie früher dort wieder zur Miete gewohnt werden kann; denn alles wird Vater Staat nicht leisten können. Sie wissen, es gibt einen langen Vorlauf, und bis die Wohnheime schlussendlich stehen, haben wir vielleicht auch wieder einen Rückgang der Nachfrage.

Gut ist auch, dass die Förderungslücke zwischen Bachelor und Master geschlossen wird. Dies war eine wichtige Forderung der Studierenden, und – es ist einem fast peinlich, dass man das sagen muss – es ist auch sehr zu begrüßen, dass ab dem 1. August 2016 eine OnlineAntragstellung möglich ist. Eigentlich sollte man annehmen, das sei selbstverständlich, aber wer weiß, wie schwierig es ist, Hochschulsoftware zu vereinheitlichen, der weiß, dass dies eine gute Entwicklung ist.

In der Summe kann ich nur sagen, wir begrüßen es, dass wir nun diese Novelle haben. Es ist klar, wir hätten uns mehr gewünscht; aber ich kann noch einmal fest

stellen, wir sind diejenigen, die sich immer für dieses Instrument eingesetzt haben. Für uns war es immer ein unerlässliches Instrument für Gleichheit, Gerechtigkeit und Chancengleichheit. Es verschafft den Zugang zu Bildung leider nicht mehr in dem Umfang als zu den Zeiten, als es eingeführt worden ist. Dafür werden wir uns sicherlich auch weiterhin starkmachen müssen. Aber in der Summe denke ich, wir sind auf einem guten Weg, und wenn wir es nun im Lande gemeinsam anpacken, die Gelder, die uns nun für die Hochschule und für die Bildung zur Verfügung stehen, entsprechend einzusetzen, dann schaffen wir es auch, eine wirklich konsensuale Debatte zu führen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf weitere Gäste im Landtag begrüßen, und zwar die Landfrauen aus Sprendlingen. Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Für die Landesregierung hat Frau Staatsministerin Ahnen das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordnete! Frau Schleicher-Rothmund hat schon darauf hingewiesen: Das BAföG wurde 1971 unter Bundeskanzler Willy Brandt eingeführt. Es gab damals einen breiten Konsens, dass das notwendig ist, damit Bildung tatsächlich allen zugute kommt.

Es war einer der zentralen großen Bausteine der Bildungsreform dieser Zeit. Seither war es leider nicht immer so unangefochten, sondern es gab immer wieder Situationen, in denen wir das BAföG verteidigen mussten. Ich sage ganz klar, auch heute gilt, dass aus meiner Sicht das BAföG als zentrale Säule der staatlichen Studienfinanzierung unersetzbar ist. Es ist die Form, Studierende zu fördern, bei der sie einen Rechtsanspruch mit gesetzlicher Verankerung haben, der verlässlich und berechenbar ist.

Ich habe darauf aus aktuellem Anlass in letzter Zeit immer wieder hingewiesen, und ich weiß, dass wir darüber auch kontroverse Diskussionen in Ausschusssitzungen haben. Stipendiensysteme mögen das ergänzen; aber sie können niemals den Rechtsanspruch, den das BAföG gewährt, ersetzen. Deswegen ist es so wichtig, dass wir uns um ein gutes BAföG kümmern.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

In Rheinland-Pfalz haben wir die Situation, dass zurzeit 8.100 Schülerinnen und Schüler und etwas über 20.000

Studierende vom BAföG profitieren. Das wird so nur bleiben oder besser werden, wenn das BAföG regelmäßig an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten angepasst wird. Die letzte große Anpassung war 2008, und es hat danach noch eine kleinere Erhöhung in 2010 gegeben. Insofern ist es aus meiner Sicht offenkundig, dass es in dieser Legislaturperiode auf Bundesebene zu einer BAföG-Erhöhung kommen muss. Das betrifft die Bedarfssätze, es betrifft die Freibeträge, und es betrifft auch Fragen der strukturellen Weiterentwicklung wie zum Beispiel die Förderlücke beim Bachelor und Master.

Frau Kohnle-Gros, es ist kein Geheimnis – ich habe es auch öffentlich gesagt –, dass ich im Gegensatz zu Ihnen schon während der Koalitionsverhandlungen zu denen gehört habe, die schon damals intensiv dafür geworben haben, dass der Bund das BAföG vollständig übernimmt. Ich habe dies aus zweierlei Gründen getan. Erstens, weil die Entlastung beim BAföG für die Länder ein relativ unkomplizierter Weg ist, um entlastet zu werden und unmittelbar Geld zu haben, um es für Bildung und Wissenschaft zur Verfügung zu stellen. Sie wissen, dass wir im rheinland-pfälzischen Landtag in der letzten Sitzung schon die entsprechenden Festlegungen getroffen haben und wir diese Entlastung für Investitionen in Bildung und Wissenschaft einsetzen möchten.

Aber ich sage Ihnen ehrlich, ich habe es auch aus einem zweiten Grund getan. Ich habe es getan, weil ich der Meinung bin, dass es notwendig ist, dass der Bund an dieser Stelle einen größeren Gestaltungsspielraum bekommt und ihn im Sinne der Studierenden mit entsprechenden Erhöhungen und mit entsprechenden strukturellen Veränderungen auch nutzt.

Dazu ist am vergangenen Montag in Berlin ein Vorschlag präsentiert worden, von dem ich sage, er enthält eine substanzielle Erhöhung der Bedarfssätze und Freibeträge. Ich finde, das darf man auch nicht kleinreden. Es geht um 7 %. Der Vorschlag enthält auch einige wichtige strukturelle Weiterentwicklungen.

Ich stimme völlig mit Herrn Heinisch überein: Wenn man sich die Länge der Zeit anschaut, in der es keine Anpassung gegeben hat, dann hätte man sich an der einen oder anderen Stelle und auch bei der einen oder anderen strukturellen Weiterentwicklung sicherlich noch mehr gewünscht. Aber ich bin auch so ehrlich zu sagen, ich erkenne das an, was man dort miteinander vereinbart hat, weil es ein Signal in die richtige Richtung ist, dass das BAföG als zentrales Instrument staatlicher Studienfinanzierung wirklich erhalten bleibt; denn real kann es seine Wirkung nur entfalten, wenn es regelmäßig Anpassungen gibt. Das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, und dies sollte man aus meiner Sicht auch so sehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)