Protokoll der Sitzung vom 24.07.2014

Herr Innenminister, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst einmal sagen, dass ich ziemlich stolz darauf bin, wie einhellig wir dieses Thema in diesem Hohen Hause diskutieren. Dafür bedanke ich mich seitens der Landesregierung herzlich.

Viele von uns, die länger im Parlament sind, erinnern sich noch an Diskussionen, die wir hier im Zuge von Auseinandersetzungen zwischen Türken und Kurden in Deutschland führen mussten. Das ging hin bis zu Selbstverbrennungen auf Autobahnen.

Wenn man über den aktuellen Konflikt diskutiert, wird es Ihnen sicherlich so gehen wie mir: Das ist ein unglaubliches namenloses Leid, aber trotzdem hat man die Vorstellung von drei ermordeten Jugendlichen, die dann verscharrt wurden, von einem Jugendlichen, der bei lebendigem Leib verbrannt wurde, und von drei Kindern, die von Granaten beim Fußballspiel am Strand zerrissen wurden, im Kopf. Wenn man abends und tagsüber die Medienberichte und Bilder sieht, glaube ich, nimmt uns das alle sehr mit. Daher ist es nach meiner Einschätzung richtig, dass wir auch in unserem Landtag, im Parlament darüber miteinander reden und eine klare Haltung einnehmen.

Ich sage von meiner Seite aus ganz klar: Widerwärtig, verachtenswert und perfide, so empfinde ich die antise

mitischen Äußerungen, die in den vergangenen Tagen im Zusammenhang mit der pro-palästinensischen Demonstrationen zu vernehmen waren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, unser Grundrecht der Versammlungsfreiheit lässt Demonstrationen auch gegen die Politik Israels zu. Dazu zählt auch die Solidarisierung mit den palästinensischen Opfern im Gaza-Streifen. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass der aktuelle Konflikt schon mehr als 600 Todesfälle auf beiden Seiten gefordert hat.

Nicht zu akzeptieren ist aber die Tatsache, dass mit antisemitischen Äußerungen, Spruchbändern und verfremdeten Bildern latente Judenfeindlichkeit, ja Judenhass ausbricht und gleichzeitig Judenhass geschürt wird. Diese volksverhetzende, antisemitische Propaganda lässt unsere Demokratie nicht zu und darf sie gerade vor dem Hintergrund unserer Geschichte auch nicht zulassen. Das ist eben von den Vorrednern schon beschrieben worden.

In dieser besonderen Verantwortung sind wir verpflichtet, ja gebunden, keinen Raum denjenigen zu geben, die antisemitische und volksverhetzende Propaganda betreiben. Entsprechendes gilt für die Leugnung des Existenzrechts Israels. Ich will es da ganz bewusst mit unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel halten, die genau wie die rheinland-pfälzische Landesregierung antisemitische Slogans wie „Angriff auf Freiheit und Toleranz“ und den Versuch, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung zu erschüttern, verurteilt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir alle und ich als Innenminister werden nicht zulassen, dass in Deutschland Stellvertreterkriege geführt werden. Ich habe klare Anweisungen an unsere Polizei gegeben. Das ist mein Verantwortungsbereich. Unsere Polizei in Rheinland-Pfalz ist demokratisch klar verortet. Das gilt im Übrigen auch für zu erwartende Demonstrationen am Freitag. Al-Quds-Demonstrationen werden bundesweit wieder zu Bildern führen, die so aussehen, wie wir sie gerade diskutieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich nehme für die Landesregierung diese Gelegenheit gerne zum Anlass, noch einmal Folgendes zu versichern: Die jüdische Gemeinde in Rheinland-Pfalz kann dem Schutz unserer Sicherheitsorgane vertrauen.

Lassen Sie mich als Innenminister des Landes noch Folgendes ergänzen: In Rheinland-Pfalz fanden bisher vier pro-palästinensische Demonstrationen statt. In Mainz sollen wohl Parolen gefallen sein, wie sie eben teilweise genannt wurden. Die muss ich aus guten Gründen nicht noch einmal aufwerten, indem ich sie auch noch einmal nenne. Die Staatsanwaltschaft Mainz hat Ermittlungen aufgenommen, deren Ergebnissen man natürlich nicht vorgreifen kann.

Im Übrigen gehen die Sicherheitsbehörden davon aus, dass je nach Lageentwicklung von einer Zunahme der Protestaktionen auszugehen ist. Wir müssen damit rechnen, dass wir den Höhepunkt leider noch nicht erreicht und überschritten haben. Ich habe eben auf die AlQuds-Demonstrationen hingewiesen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Nikolaus Schneider, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, hat gesagt, es darf nicht sein, dass ein berechtigtes Verlangen nach Frieden in Israel und Palästina missbraucht wird, um Hass, Antisemitismus und Gewalt auf unseren Straßen auszuleben. Genauso ist es. Das können wir und das werden wir nicht akzeptieren.

Ich freue mich, dass auch unser Bundespräsident sehr früh sehr eindeutig seine Stimme erhoben hat. Er hat Folgendes gesagt: Wir wollen das nicht hinnehmen, weder unsere Strafverfolgungsbehörden, noch die Polizei, noch wir Bürgerinnen und Bürger. – Das kann der Staat nicht alleine regeln. Da ist bürgerschaftliches Engagement gefragt, wie es zum Beispiel hier in Mainz gezeigt wurde. Er hat gesagt, der Präsident schon gar nicht. Er hat also darauf hingewiesen, das müssen wir überall thematisieren. Hier im Landtag und auch an allen anderen Stellen. Die Bürgerinnen und Bürger, wir alle müssen uns unserer Verantwortung und den Chancen, demokratisch einzugreifen, bewusst sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will an der Stelle anfügen: Als Innenminister werde ich im Sommer mit einer Polizeidelegation das Konzentrationslager Auschwitz besuchen. Auch diese Dinge gehören dazu.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Frau Kollegin Klöckner, Sie haben das Wort.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich herzlich bedanken. Herr Hering, ich möchte mich auch bei Ihnen bedanken, dass Sie sich bedankt haben, dass wir diese Aktuelle Stunde beantragt haben. Es ist eigentlich gleich, wer sie beantragt hat, weil wir alle einer Meinung sind. Ich halte es für notwendig, dass wir darüber reden; denn man merkt allzu schnell – ich weiß nicht, wie es Ihnen gegangen ist –, wenn Berichterstattungen in der Zeitung waren, dass man zum nächsten Tagesordnungspunkt übergeht. Was aber hier geschieht und fast flächendeckend in großen Städten in Deutschland organisiert wird, ist, dass ein Konflikt in einem anderen Land hierher importiert und instrumentalisiert wird, um Judenhass zu schüren. Das bedarf wirklich der besonderen Hervorhebung, aber auch der besonderen Abgrenzung.

Sie haben zu Recht gesagt, Johannes Gerster hat Strafantrag gestellt. Meine Erfahrung heute im Internet, nur die Ankündigung, dass wir heute darüber reden, ist bedrückend. Sie können sich gar nicht vorstellen, welche Beschimpfungen ich innerhalb einer halben Stunde dazu erhalten habe, dass wir uns gegen Antisemitismus äußern. Ich habe um mich keine Sorge, aber ich habe Sorge um die Menschen, die erkennbar jüdischen Glau

bens sind. Deshalb ist es wichtig und ich fand es gut und richtig, dass sowohl die Landesregierung als auch alle Fraktionen in diesem Haus zum Ausdruck bringen, wehret den Anfängen beginnt ganz am Anfang und nicht erst dann, wenn alle über das erschrocken sind, was geschehen ist.

Vielen Dank.

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Frau Ministerpräsidentin Malu Dreyer.

Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich will für die Landesregierung noch einmal betonen – Herr Minister Lewentz hat das schon getan –, dass wir sehr froh darüber sind, dass dieses Thema heute auf der Tagesordnung steht. Frau Klöckner, ich bin auch sehr froh darüber, dass es – ich habe nichts anderes erwartet – ein einheitliches Meinungsbild dazu gibt. Wir unterhalten uns oft im Landtag auch über das Thema Antisemitismus. Wir wissen, wo wir stehen. Ich halte es für ein wichtiges Signal nach draußen, dass wir uns dazu heute äußern.

Die Außenminister Italiens, Frankreichs und Deutschlands haben sich heute auf eine gemeinsame Erklärung verständigt, dass mit allen Mitteln des Rechtsstaats gegen solche Taten, Verhaltensweisen und Äußerungen vorgegangen werden muss. Das bestätigt noch einmal das, was der Innenminister selbstredend für uns und unser Land gesagt hat, aber ich glaube, es ist auch notwendig und erforderlich, dass sich Europa an dieser Stelle einig ist und sich zusammenschließt.

(Beifall im Hause)

Ich möchte noch einen Punkt ansprechen, weil er mich im Rückblick so betroffen macht. Am Sonntag habe ich am Rande des Rheinland-Pfalz-Tags die Gelegenheit ergreifen und mit dem israelischen Generalkonsul, Herrn Dr. Dan Shaham, reden und ihm auch mein Bedauern für die aktuelle Entwicklung und Verschärfung des Konflikts und insbesondere mein tiefes Mitgefühl über die menschlichen Opfer und für ihre Angehörigen in der gesamten Region ausdrücken können. Damals war noch nicht absehbar, was sich bei uns in der Nachfolgezeit noch alles im eigenen Land entwickelt. Wir hatten uns zu einem interreligiösen Gebet getroffen. Es war eigentlich das Zeichen des Rheinland-Pfalz-Tags schlechthin, dass wir in Rheinland-Pfalz mit unterschiedlichen Religionen, unterschiedlichen Kulturen zusammenstehen und sehr friedlich miteinander leben. So wollen wir es auch in Zukunft halten.

Ich freue mich, dass es eine so klare, eindeutige Aussage im Landtag gibt, dass wir uns natürlich ganz eindeutig gegen antisemitische, rassistische und fremdenfeindliche Parolen wehren. Wir wollen das nicht in unserem Land. Wir werden mit aller Kraft dem immer entgegenstehen.

Vielen Dank.

(Beifall im Hause)

Vielen Dank. Damit sind wir am Ende der Aktuellen Stunde angelangt.

Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf:

Landesgesetz zur Änderung des Landesgesetzes zur Schaffung tariftreuerechtlicher Regelungen Gesetzentwurf der Fraktion der CDU – Drucksache 16/3762 – Erste Beratung

Herr Kollege Baldauf, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir bringen heute diesen Antrag ein, um auf etwas zu reagieren, was sich zwischenzeitlich auf Bundesebene abgezeichnet hat. Nachdem nunmehr der flächendeckende Mindestlohn eingeführt wird, stellt sich die Frage, ob das vor einigen Jahren eingeführte Tariftreuegesetz überhaupt noch ein Regelungsbedürfnis hat oder ob es damit überholt ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Gesetz, ein Vergabegesetz, das vor drei Jahren in Kraft getreten ist und das sich damit befasst, dass bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen Mindestlöhne einzuhalten sind, wird durch den Mindestlohn, der jetzt auf Bundesebene eingeführt wird, sehr stark infrage gestellt.

Warum? Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass dieses Gesetz der öffentlichen Vergabe in Rheinland-Pfalz dazu führen soll, dass wir nicht unter gewisse Einkommensmargen fallen, die aber gleichzeitig auf Bundesebene geregelt werden. Jeder von uns weiß, dass Bundesrecht Landesrecht bricht, weshalb sich die Frage stellt, ob wir dieses Gesetz noch benötigen.

(Beifall des Abg. Kessel, CDU)

Was war ursprünglich der Ansatz dieses Gesetzes? Der Grund für diese Intention ist zunächst gewesen, dass die Tarifgebundenheit in Deutschland nicht mehr so stark ist, wie sie ursprünglich einmal gewesen ist, auch wenn wir als Union damals, als es eingeführt wurde, gesagt haben, wir brauchen es nicht. Wir sind der Meinung, die auskömmlichen Löhne lassen sich im öffentlichen Vergabewesen auch anders realisieren.

Es gibt zwischenzeitlich relativ viele weiße Flecken. Das ist uns bekannt. Uns allen ist daran gelegen, dass Löhne bezahlt werden, von denen man auch leben kann, wenn man vollschichtig arbeitet. Das war zunächst einmal die Grundlage der Überlegung.

(Beifall der CDU)

Wir selbst haben damals gesagt, dieses Gesetzes bedarf es nicht, weil wir über die allgemein verbindliche Erklärung vieler Tarifverträge gerade im Baugewerbe, im Gebäudereinigerhandwerk und an anderen Stellen – wir reden nur über die öffentlichen Aufträge – bereits ausreichende Regeln dazu haben. Es wurde dann eingeführt, im letzten Jahr mit einer Änderung versehen und dann nochmals eine Novellierung vorgenommen, bei der wir auch im Einklang mit den Wirtschaftsverbänden gesagt haben, dass an dieser Stelle das Gesetz nicht mehr zu kippen, sondern zu evaluieren sei.

Nichtsdestotrotz hat sich die Große Koalition durchgerungen – ich enthalte mich meiner eigenen Meinung –, einen flächendeckenden Mindestlohn einzuführen. Der wird aber jetzt dazu führen, dass – ich habe es vorher gesagt – eine Regelungslücke nicht mehr besteht. Dieser wird aufgrund des gesetzlichen Mindestlohn des Bundes, der über eine Kommission beschlossen wird – ich bin froh, dass es die Kommission und nicht die Politik ist – dazu führen, dass Sie einen Mindestlohn haben, der selbstverständlich für alle Bereiche gelten wird, also auch für das öffentliche Auftrags- und Vergabewesen in Rheinland-Pfalz.

(Vizepräsident Schnabel übernimmt den Vorsitz)

Wir sind deshalb der Auffassung – es gibt an den unterschiedlichsten Stellen immer schöne Zitate –, ein Zitat bemühen zu dürfen, das wie folgt lautet: „Überflüssige Sätze tun den notwendigen an ihrer Wirkung Abbruch“. – Das ist wohl wahr. Wenn es Gesetze gibt, die sich so wie dasjenige überholt haben, dann muss man auch den Mut haben zu sagen, wir schaffen es ab.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Genau mit dieser Intention haben wir diesen Antrag vorgelegt, der nur aus einer einzigen Änderung besteht, nämlich derjenigen, dass das Gesetz auslaufen soll. In Deutschland sollte man manchmal auch den Mut haben, als Gesetzgeber klar zu sagen, wir brauchen es nicht mehr, wenn sich Dinge überholt haben. Deshalb werben wir auch bei den anderen Fraktionen dafür, dass sie sich diesem Antrag anschließen, vorschlagsweise auch eventuell nach einer möglichen Anhörung in einem Ausschuss.

Wir wissen uns nicht allein. Zwischenzeitlich sagen auch Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern – die gleiche Aussage gab es gerade in der letzten Woche bei unserem Besuch der Handwerkskammer in der Pfalz –, die Landesvereinigung Unternehmerverbände (LVU) und sogar teilweise Gewerkschaften, es sei nicht mehr zwingend erforderlich, dieses Gesetz aufrechtzuerhalten.