Protokoll der Sitzung vom 24.07.2014

Man sieht nun auch anhand Ihrer Strategie – das ist wichtig zu sagen –, dass in der Vergangenheit wichtige Weichenstellungen versäumt wurden. Der Ausbau des dualen Studiums zum Beispiel ist ein Punkt, der in Rheinland-Pfalz nur halbherzig und erst in den letzten Jahren angegangen wurde. Frau Ministerin, auch der

Unterrichtsausfall in den Berufsschulen kommt schon seit zehn Jahren nicht vom Fleck. Er ist tatsächlich dreimal so hoch wie in den allgemeinbildenden Schulen. Wenn Sie uns hier mangelnde Wirtschaftskompetenz vorwerfen, sich gleichzeitig aber verantwortlich zeichnen wollen für den Fachkräftemangel, dann rate ich Ihnen dringend, einmal ein paar Nachhilfestunden bei den Statistikern des Bildungsministeriums zu nehmen; denn es ist tatsächlich so, der Unterrichtsausfall in der Berufsbildung ist dreimal so hoch wie in den allgemeinbildenden Schulen. Das ist eine schwere Hypothek in Bezug auf den Fachkräftemangel.

(Beifall der CDU)

Meine Damen und Herren, es gibt eben – das hat Kollege Steinbach schon dargestellt – nicht nur eine Maßnahme, das Arbeitskräftepotenzial entsprechend vorzuhalten, sondern es benötigt viele kleine Bausteine, die letztendlich als Ganzes wirken können und koordiniert werden müssen.

Die Koordination bei dieser Landesregierung ist aber scheinbar eher eine Herausforderung; denn offensichtlich gab es hinter den Kulissen, Frau Ministerpräsidentin, ein heftiges Ringen, wer nun dieses Thema bearbeiten darf.

(Ministerpräsidentin Frau Dreyer: Nein!)

Ich zitiere Herrn Staatssekretär Hüser: Die Federführung werde beim Wirtschaftsministerium liegen. – Daraufhin Ministerin Lemke in der nächsten Plenarsitzung – auch wieder ein Zitat, und heute hat sie es wiederholt –: Deswegen ist es völlig selbstverständlich, dass die Ministerpräsidentin den Hut aufhat und aufbehält. – Die Ministerpräsidentin wiederum ließ sich dann bei der Verabschiedung der Fachkräftestrategie mit den Wirtschaftlern ablichten, um anschließend im Vermerk ans Parlament die Federführung an Minister Schweitzer zu delegieren.

(Frau Klöckner, CDU: Interessant!)

Interessanterweise kommt dann Staatssekretärin Kraege gestern und schreibt hinterher Frau Lemke doch wieder federführend mit hinein,

(Frau Klöckner, CDU: Das ist ein Chaos in der Regierung!)

nicht ohne dass Frau Ministerin Lemke heute Morgen sagt: Die Ministerpräsidentin ist verantwortlich. –

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wissen Sie überhaupt, was Koordination bei diesem Thema bedeutet? Das ist das A und O, und genau das versäumen Sie an dieser Stelle.

(Beifall bei der CDU)

Frau Lemke, bis dieser Vermerk der Staatssekretärin Kraege gestern kam,

(Zuruf des Abg. Wiechmann, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

hatte ich hier drin einen dringenden Appell stehen, dass Sie sich als Wirtschaftsministerin doch bitte nicht so unterbuttern lassen sollten. Dem in der Vergangenheit so starken, ja stolzen Wirtschaftsministerium

(Zuruf von der CDU: Ein Schatten seiner selbst!)

werden immer mehr Themen aus der Hand genommen.

(Fuhr, SPD: Krokodilstränen!)

Bis gestern hatte es dann nicht einmal mehr die Federführung für das wichtigste wirtschaftliche Thema in Rheinland-Pfalz in der Hand, dem Fachkräftemangel.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb Glückwunsch, Frau Ministerin, dass Sie sich intern zumindest ein bisschen durchgeboxt haben und jetzt zumindest teilverantwortlich sind.

Ich muss es aber noch einmal betonen, es geht um eine Gesamtstrategie.

(Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es gibt auch eine Gesamtverantwortung! Was ist das für ein Geeiere?)

Hier muss man ressortübergreifend koordinieren. Hier braucht es eine starke Führung bei diesem Thema. Diese starke Führung wird durch dieses Kompetenzgerangel alles andere als deutlich.

(Beifall bei der CDU – Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Rede kannst du am Rosenmontag halten!)

Meine Damen und Herren, das Thema Fachkräftemangel muss zudem aus dem Blickwinkel der Wirtschaft betrachtet werden. Deshalb wiederhole ich mich auch noch einmal gerne, Frau Ministerin. Ich habe das schon ein paar Mal gefordert, jetzt ist es zumindest in Teilen erfüllt. Das Wirtschaftsministerium ist hier in der Pflicht und muss die Federführung alleine übernehmen und nicht aufteilen. So viel Zutrauen hatte die Ministerpräsidentin offensichtlich nicht in Sie. Das ist aus meiner Sicht bedauerlich.

Bei all dem Kompetenzchaos gibt es natürlich ganz zentrale Inhalte des Strategiepapiers. Ich will ganz offen sagen, dass wir hier nicht im großen Dissens sind. Ganz viele dieser Punkte tragen wir mit, haben wir auch in unserem Papier vorgeschlagen. Viele Punkte wurden, wie man hört, auch durch die Wirtschaft in den Verhandlungen in dieses Papier reingeschrieben. Da bin ich froh, dass sich unsere guten Kontakte zur Wirtschaft an dieser Stelle wieder auszahlen,

(Pörksen, SPD: Zum Totlachen!)

sodass es im Großen und Ganzen ein Konzept ist, das die zentralen Punkte beinhaltet.

(Glocke des Präsidenten)

Mehr dazu in der zweiten Runde.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Als Gäste auf der Zuschauertribüne begrüße ich die Selbsthilfegruppe Krebserkranker Frauen aus IdarOberstein. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Ebenso begrüße ich Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse des Eleonoren-Gymnasiums Worms. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Ebenfalls begrüße ich Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Mainzer Landtagsseminar für Schülerinnen und Schüler. Herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Das Wort hat nun Frau Dr. Machalet für die SPDFraktion.

Vielen Dank. Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Brandl, ich kann von meinem Platz aus die Uhr ein bisschen beobachten. Ich habe gesehen, Sie haben viereinhalb Minuten über Strukturen und eine halbe Minute über Inhalte geredet, und da haben Sie nichts anderes gesagt, als dass Sie die Strategie eigentlich ganz gut finden.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben eben ausführlich über den Wirtschaftsstandort diskutiert und konnten feststellen, der Wirtschaftsstandort RheinlandPfalz ist gut aufgestellt. Das heißt auch, dass der rheinland-pfälzische Arbeitsmarkt gut aufgestellt ist und sehr gut dasteht. Das zeigt sich schon seit Jahren in einem robusten Aufwuchs sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse.

Dennoch wissen wir alle – das ist jetzt auch das The- ma –, dass es in einigen Bereichen und Branchen bereits heute schwer ist, Arbeitsplätze zeitnah zu besetzen. Die aktuelle Fachkräfteengpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit sieht bundesweit Probleme derzeit vor allem in einzelnen technischen Berufen und in den Gesundheits- und Pflegeberufen. Für Rheinland-Pfalz weist sie einen Mangel vor allem im Bereich der Chemie entlang der Rheinschiene aus. Hier liegt die Vakanz derzeit bei offenen Stellen bei 94 Tagen.

Ich denke aber, jeder von uns, auch die, die nicht an der Rheinschiene wohnen, kennen einen Handwerks- oder Industriebetrieb, der sich schon seit Längerem mit der

Frage beschäftigt, wie in Zukunft Arbeitsplätze, frei werdende Stellen besetzt werden können.

Im Juli hat der Ovale Tisch – den es im Übrigen nicht erst seit diesem Jahr gibt, sondern auch schon unter Kurt Beck gab – der Landesregierung die Strategie zur Fachkräftesicherung für die Jahre 2014 bis 2017 vorgelegt, die sicherlich in ihrer Art und ihrem Umfang beispielgebend ist, vor allem aber in der von allen Partnern getragenen Formulierung von vier Handlungsfeldern mit insgesamt mehr als 200 Einzelvorhaben.

Ich möchte an dieser Stelle allen Beteiligten noch einmal danken, dass Sie diese ganzheitliche Strategie erarbeitet haben, die die richtigen Schwerpunkte setzt, um in Zukunft im Wettbewerb um Fachkräfte gut aufgestellt zu sein. Diese Kultur des Dialogs ist einzigartig. Nur so können die Herausforderungen erfolgreich angegangen werden.

Die Handlungsfelder hat Ministerin Lemke in ihrer Beantwortung der Mündlichen Anfrage dargestellt. Besonders hervorheben – darauf sind die Vorredner schon intensiver eingegangen – möchte ich noch einmal die umfangreichen Maßnahmen, die in Handlungsfeld 1 „Nachwuchs sichern“ vereinbart wurden.