Protokoll der Sitzung vom 24.07.2014

Wir sind uns durchaus einig, es fehlt an Geld für Infrastruktur, vor allem für den Erhalt. Das haben unter anderem auch zwei Experten mit zwei Gutachten im Auftrag der sogenannten Bodewig-Kommission bzw. der Daehre-Kommission festgestellt. Rund 7,2 Milliarden Euro fehlen danach jährlich, um die Straßen, insbesondere die Brücken, zu sanieren und zu reparieren.

Derzeit müssen zahlreiche Straßenbrücken in der Last begrenzt – ich schaue vor allen Dingen nach NordrheinWestfalen – oder gar ganz gesperrt werden. Das ist ein Ärgernis nicht nur für jeden Autofahrer, ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden geht zudem damit einher.

Alexander Dobrindt versucht nun, die Maut als Infrastrukturabgabe zu verkaufen und will neben den Autobahnen gleich auch alle Landesstraßen und Kreisstraßen bemauten. Dabei sollen deutsche Autofahrer – wie gesagt – keinen zusätzlichen Asphaltobolus zahlen müssen.

Das ganze Konglomerat erinnert derzeit noch an einen lieblos zusammengerührten Eintopf. Ich sage, der wird uns noch schwer im Magen liegen.

Nicht nur die Öffentlichkeit, nicht nur der Koalitionspartner stellen berechtigte Fragen, die Stimmen zahlreicher Experten und Politiker auch aus den eigenen Reihen – Herr Laschet, der Chef der CDU Nordrhein-Westfalen beispielsweise – drücken diesem Gebilde den Stempel auf, zu aufwendig, zu teuer, zu wenig durchdacht, nicht effizient, zu bürokratisch. An der eierlegenden Wollmilchsau haben sich schon andere verhoben.

Finanzminister Schäuble beispielsweise stöhnt darüber, dass rund 50 Millionen Kraftfahrzeugbescheide neu erstellt werden müssen, wenn der Plan, alle bekommen eine Vignette, dafür zahlen sie weniger Steuern, durchgeführt wird. Er stöhnt, es ist ein immenser Aufwand und das für zu erwartende Einnahmen von 600 Millionen Euro. Das ist weniger als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein.

Wir erinnern uns, zur Instandhaltung der Straßen und Brücken fehlen jährlich 7,2 Milliarden Euro. Jetzt hat sich auch Dobrindts bayerischer Parteifreund Joachim Herrmann zu Wort gemeldet und fordert für bayerische Grenzgemeinden Ausnahmen. Na ja, da sage ich, Deutschland liegt in der Mitte Europas. Vielleicht mit Ausnahme der Stadtstaaten liegt eigentlich jedes Bundesland an mindestens einer Grenze. Die Problematik gilt also genauso für Rheinland-Pfalz. Die Großregion im Herzen Europas umfasst Frankreich, Luxemburg, Belgien.

Herr Minister Lewentz hat letztlich schon entsprechend reagiert, und auch Julia Klöckner hat offensichtlich Bedenken und beeilt sich zu versichern, dass sich eine Maut natürlich nicht negativ auf die Tourismuswirtschaft in Rheinland-Pfalz auswirken dürfe.

Über allem steht die große Frage, ob Dobrindts Griff in die Wundertüte überhaupt europarechtskompatibel ist. Bei den angewandten Rechentricks ergeben sich neue Ungerechtigkeiten und Widersprüche zur Klimaschutzpolitik der Bundesregierung. So ist die Maut für einen effizienten Euro-6-Diesel-PKW, der knapp über 3 Liter Kraftstoff verbraucht, doppelt so hoch wie die für eine spritschluckende Limousine mit einem 3-Liter-Hubraum. Das Dobrindtsche Pickerl hat null ökologische Lenkungswirkung.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

So bleibt mir zum Schluss der ersten Runde nur festzustellen: „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Licht das Wort.

(Zuruf von der SPD: Licht ins Dunkel!)

Wenn man zuhört, kann das in der Tat Licht im Dunkeln sein, Herr Kollege.

Da beginne ich, wenn Sie Koalitionsverträge ansprechen, mit dem, was Sie bei vielen Debatten in Rheinland-Pfalz geltend machen, wenn Ihre Widersprüche aus Ihren Aussagen vor der Wahl zum Thema gemacht werden, sei es Mittelrhein, sei es Hochmoselübergang, dann ist es der Koalitionsvertrag. Ich will das jetzt gar nicht kleinreden. Natürlich gilt auch ein Koalitionsvertrag in Berlin. Dort regieren drei Parteien. So leid es mir tut, so gut es ist oder wie auch immer Sie es bewerten wollen, es ist erst einmal als Fakt hinzunehmen.

Nicht umsonst springt Herr Gabriel dem CSU-Vorschlag in aller Breite bei. Ich will ihn bewusst zitieren: Die Maut ist ebenso Bestandteil des Koalitionsvertrags wie der Mindestlohn. Deshalb empfehle ich, es durchaus als unsere gemeinsame Aufgabe zu sehen, dieses Thema konstruktiv zu behandeln. –

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Beginnen wir doch damit. Konstruktiv behandeln heißt, man muss sich mit dem Auslöser dieser Debatte beschäftigen.

Frau Kollegin Blatzheim-Roegler, wenn Sie die Zahl richtig nennen, 7,2 Milliarden Euro fehlen jährlich in der Infrastruktur, das gilt für die Schiene, das gilt für die Straße und das gilt auch für die Wasserstraßen insgesamt – es sind über 4 Milliarden Euro, die bei Straßen unterfinanziert sind –, dann muss man überlegen, wie, wo und wann man diese Lücken decken kann. Wenn Sie das auf Rheinland-Pfalz herunterbrechen, dann wissen Sie, dass im Landeshaushalt erhebliche Mittel fehlen, um den Zustand, um die Infrastruktur zu erhalten.

Wir haben eben die Industriepolitik debattiert. Die Industriepolitik hat etwas damit zu tun, dass es einen verlässlichen Ausbau in der Infrastruktur gibt. Dem müssen wir gerecht werden. Das heißt, es ist kein einfaches Thema.

Was Herr Dobrindt jetzt vorgelegt hat, ist ein Eckpunktepapier, es ist noch kein Gesetz, an das es kritische Anmerkungen zu machen gilt. Das hat Frau Klöckner getan, zu Recht, und das hat auch der Kollege im Deutschen Bundestag, haben mehrere Kollegen der CDU im Deutschen Bundestag, zum Beispiel Patrick Schnieder, deutlich gemacht.

(Pörksen, SPD: Wer ist das denn?)

Er hat in seiner ersten Pressemeldung, da war von Herrn Lewentz gar nichts zu hören – – –

Herr Minister, ich will das jetzt gar nicht negativ ankreiden, aber es ist deckungsgleich mit dem, was von Ihnen zu lesen ist, dass es in den Grenzregionen Probleme gibt, die gelöst werden müssen.

(Pörksen, SPD: Wie?)

Wie sie gelöst werden, ist eine Aufgabe, die sich dieser Koalition in Berlin stellt, und die muss sie lösen. Genau dazu fordert der Vizekanzler auf, nicht mehr und nicht weniger. Das ist unsere Aufgabe hier, meine Damen und Herren.

Wir sind nun einmal in Rheinland-Pfalz, aber die gesamte Bundesrepublik ist stark mit Transitverkehr belastet. In dieser Debatte, in welchem Zustand unsere Straßen sind, muss man die Frage stellen, inwieweit der gesamte dort fließende Verkehr in der Finanzierung dessen heranzuziehen ist, was sie benutzen.

Es sieht so aus, dass man am Schluss wahrscheinlich sogar zwei Gesetze haben wird. Das eine, das die Deutschen entlasten soll. Es soll keine Belastung für die Kraftfahrzeughalter in der Bundesrepublik geben. Das kann in einem Gesetz erfolgen. Ein zweites Gesetz wird sich dann mit der Finanzierung der Infrastruktur beschäftigen.

Es wird noch Debatten geben, ob alle Straßen herangezogen werden müssen, sollen. Der Vorschlag sieht es in der Tat mit den Problemen vor, die damit einhergehen. Diesen Problemen müssen wir uns stellen. Wir denken, dass die Große Koalition es genauso macht, wie es beim Mindestlohn war, bei dem es auch viele strittige Punkte und am Schluss Ausnahmen gegeben hat. Diese sind dann doch in einen vernünftigen gemeinsamen Vorschlag gemündet, was hier auch möglich ist.

Auf diesen Weg sollten wir uns konstruktiv begeben; denn die Infrastruktur hat es nötig.

(Beifall der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Schmitt das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Alexander Licht, es gibt eine gute Nachricht aus der bundesweiten Mautdebatte: Zumindest scheint das Sommerloch gestopft zu sein, nicht alle Schlaglöcher dieser Welt, aber das Sommerloch wird es wahrscheinlich mit diesem Thema noch eine ganze Weile aushalten müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht darum – das haben Sie vorhin angesprochen –, das Thema natürlich konstruktiv zu behandeln, aber auch die Verantwortlichkeiten klar zu benennen und vor allem nach der Vorstellung dieses Eckpunktepapiers die Fragen anzusprechen, die auch aus Sicht gerade unseres Bundeslandes hier zu Recht gestellt werden müssen. Herr Kollege Licht, das hat nichts mit Zerreden oder mit sonst irgendetwas zu tun, sondern das sollten wir heute offen diskutieren und ansprechen.

Das, was wir in den letzten Wochen in der Presse gelesen haben, spricht für sich. Die Überschriften sprechen

eine klare Sprache für das Problem, das auf dem Tisch liegt: „Die Maut, der keiner traut“ ist beispielsweise eine, „Keine Spur von Mautgelassenheit“ oder „Fünf Gründe,“ – in der „WELT“ – „warum diese Maut scheitern wird“ oder kaum eine Chance hat.

Jetzt lesen wir heute in der „Rhein-Zeitung“, dass sich in Ihren Reihen schon wieder untereinander beschimpft und über die Geisterfahrerei geredet wird. Ich glaube, das dient der Sache dieses Problems überhaupt nicht.

Zu Recht hat die Frau Kollegin vorhin daran erinnert, wie es historisch zustande gekommen ist. Das war doch dieser handfeste Streit zwischen Merkel und Seehofer vor der Bundestagswahl. Jetzt hat man sich geeinigt, auch im Koalitionsvertrag, aber dann gab es das Kanzlerinnenwort, das heißt keine zusätzlichen Belastungen für die deutschen Autofahrer.

Dann warten wir einmal ab, ob das in Rheinland-Pfalz in der Grenzregion so kommen wird. Dabei habe ich meine berechtigten Zweifel.

Wir haben deshalb einen Koalitionsvertrag vereinbart, das heißt die Berliner Kolleginnen und Kollegen, in dem es heißt, wir brauchen eine europarechtskonforme PkwMaut – ich zitiere einmal –, mit der Halter von nicht in Deutschland zugelassenen Pkw an der Finanzierung zusätzlicher Ausgaben für das Autobahnnetz beteiligt werden sollen. – Ich habe nichts davon gelesen, dass wir auch Landes- und Kreisstraßen einbeziehen sollen.

Genau das ist doch ein Teil dieses Problems, das wir in den Grenzregionen haben, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Der bayrische Verkehrsminister Herrmann hat deshalb ganz zu Recht dieses Problem als erster thematisiert. Ich glaube, es ist völlig richtig, dass unser Verkehrsminister Lewentz das unterstreicht und Ausnahmeregelungen einfordert. Im Gegensatz zu Herrn Herrmann ist er nicht zurückgepfiffen worden, sondern ich gehe davon aus, dass auch Frau Dreyer dieses Vorgehen massivst unterstützt.

Schauen wir einmal nach Trier. Was machen wir dort seit Jahrzehnten, kann man sagen? – Wir versuchen, dass die Region wirtschaftlich zusammenwächst. Wir profitieren dort in einer großen Wirtschaftsregion SaarLor-Lux zum Beispiel vom Einkaufen der anderen, von den touristischen Fahrten, vom Essengehen der anderen.

(Zuruf des Abg. Henter, CDU)

All das setzen wir mit dem, was jetzt zumindest in der Diskussion ist, aufs Spiel.

Es gibt in Luxemburg die ersten richtigen Proteste. Es soll sogar schon den Aufruf zu Einkaufsboykotten geben.

Stellen wir uns die Frage, was wir machen, wenn auch die Luxemburger auf die Idee kommen, Maut zu erheben, meine sehr geehrten Damen und Herren? Ich bin mir sicher, dass unsere Grenzpendler, die dann in die

andere Richtung fahren – das sind mehr als die Pendlerinnen und Pendler, die umgekehrt zu uns kommen –, unter dem Strich trotz Verrechnung mit der Kfz-Steuer drauflegen werden, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Herr Kollege Licht, deshalb kann diese Milchmädchenrechnung nicht aufgehen. Das ist genau unsere Sorge, die wir haben.