Protokoll der Sitzung vom 25.09.2014

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Kollegin Raue das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, Ihre Anfrage nimmt ein ernstzunehmendes Problem auf. Allerdings beschäftigt sie sich nicht, wie der Titel suggeriert und wie ich zunächst gehofft hatte, tatsächlich mit der Situation der Polizei in Rheinland-Pfalz, sondern sie beschäftigt sich vielmehr auf 150 Seiten fast ausschließlich mit ihrer Arbeitsbelastung. Dieses Problem existiert, und es belastet die Polizisten. Das wissen wir alle. Um das festzustellen, hätte es keiner Großen Anfrage bedurft.

Polizeiarbeit belastet psychisch und physisch. Polizeiarbeit ist körperlich fordernd, und Übergriffe gegen Polizisten greifen auch seelisch an. Zu wenige Freizeiten nach dem Wechselschichtdienst beeinträchtigen die Erholung. Sie belasten Familienleben und machen das Ausüben von Hobbies schwierig. Die entscheidende Frage ist jedoch: Was können wir tun, um die zeitliche Beanspruchung, die körperlichen und seelischen Belastungen zu mildern und auf ein erträgliches Maß zu bringen? – Hier handelt unsere Landesregierung, meine Damen und Herren. Sie entwickelt neue Einsatzkonzepte, sie nimmt Mehreinstellungen vor, sie verbessert ständig die Aus- und Fortbildung.

Es ist das gute Recht der Opposition, mit dem Finger auf Dinge zu zeigen, die sie für falsch hält. Es wäre auch ihr gutes Recht, alternative Konzepte zu entwickeln. Die sucht man aber vergeblich. Leider fehlt es Ihnen durchaus an eigenen Ideen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Stattdessen versuchen Sie, die Bemühungen der Landesregierung kleinzureden und zu verschweigen.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Frau Kohnle-Gros, Sie können gerne im Anschluss noch einmal sprechen.

Wir nehmen erhebliche Mehreinstellungen vor. Seit diesem Jahr stellen wir jährlich über 400 Polizistinnen und Polizisten ein. Das ist gut. Das bedeutet eine große Anstrengung im Haushalt. Das könnte die CDU auch nicht besser machen. Mehr fordern kann man immer, aber man muss dann auch sagen, wie das gehen soll, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Die Überstundenbelastung war, als ich 2011 in den Landtag kam, bei einem Bestand von 2,3 Millionen Stunden. Wir haben sie jetzt auf 1,7 Millionen Überstunden reduziert. Ich finde, das ist schon ein guter Schritt. Wir gehen weiter in diese Richtung mit der Einführung von Freizeitausgleichskonten/Mehrarbeitskonten.

(Zuruf des Abg. Zehfuß, CDU)

Das erlaubt mehr Flexibilität und wird langfristig den gewünschten Erfolg zeitigen. Die Landesregierung über

denkt Einsatzkonzepte.

Lassen Sie uns auch über Erfolge sprechen. Die Zusammenlegung von Dienststellen ist erfolgreich. Das zeigt das Beispiel der Autobahnstation Fernthal. Die betroffenen Polizeibeamten sind durchweg zufrieden. Die größere Einheit bedeutet Entlastung, die freie Zeit wird planbarer, die Verkehrsüberwachung kann ohne Einbußen genauso gewährleistet werden wie vorher.

Die Opposition hat sich dem oft in den Weg gestellt. Ohne Belege behauptete damals eine Abgeordnete, die Gewährleistung von Sicherheit werde dann utopisch werden. Andere machen mobil und reden den Untergang des Abendlandes herbei. Das ist falsch, und das schadet der Arbeit der Polizei.

Lassen Sie uns weiter über Erfolge sprechen. Die persönliche Schutzausrüstung ist eine der besten bundesweit. Um die individuell angepassten Schutzwesten werden unsere Beamtinnen und Beamten bundesweit beneidet. Gegen Angriffe gut geschützt zu sein, ist ein wesentlicher Beitrag, um Auswirkungen von Gewalt entgegenzuwirken. Fuhrpark, Aus- und Fortbildung, Auslandseinsatz, nur drei Beispiele, bei denen unsere Beamtinnen und Beamten bestens ausgerüstet sind und unterstützt werden.

Es gibt ein erfolgreiches Gesundheitsmanagement. Selbstverständlich wird die Landesregierung ihrer Fürsorgepflicht gerecht. Wir konnten erst vor Kurzem im Innenausschuss einen beeindruckenden Bericht über das Gesundheitsvorsorgeprogramm zur Kenntnis nehmen.

Ja, die Polizei in Rheinland-Pfalz ist personell beansprucht. Ja, die Landesregierung ergreift mit Mehreinstellungen alle Anstrengungen, um diesen Zustand zu beenden. Bis diese Maßnahmen wirken, müssen wir die Arbeit unserer Polizei möglichst effizient aufstellen. Dafür haben wir Konzepte. Wir werden die Sicherheit in unserem Land dabei genauso gewährleisten wie bisher. Vor all dem verschließen Sie die Augen, meine Damen und Herren von der Opposition.

Zu Ihrem Antrag: Sie haben doch tatsächlich die Frechheit, die Landesregierung aufzufordern, mehr zu tun, um noch mehr Migrantinnen und Migranten in die Polizei zu bekommen. Ich hoffe, dass ich Sie alle bei dem interkulturellen Dialog treffen werde. Die Einladung ist uns vorgestern zugegangen. Einladender ist die Polizei. Referent ist der Polizeipräsident von Mainz. Veranstalter ist das Interkulturelle Dialogforum. Ich denke, dass wir in dem Bereich noch sehr viel miteinander zu besprechen haben.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die Landesregierung hat Herr Innenminister Lewentz das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Lammert, zunächst einmal will ich Ihnen sagen, ich freue mich, dass Sie wieder an Bord sind und Sie so weit wiederhergestellt sind, dass Sie – wie ich es jetzt erlebt habe – wieder heftig das Wort ergreifen können. Wobei ich Ihnen sagen will, mit allem war ich nicht zufrieden, aber darauf komme ich gleich noch zu sprechen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich freue mich auch, dass einer der wichtigsten Gesprächspartner der Landesregierung in Sachen Polizei heute anwesend ist. Das ist der Vorsitzende des Hauptpersonalrats, Herr Ernst Scharbach. Ich darf Herrn Burgard entschuldigen, der heute einen anderen, schon länger zugesagten Termin wahrnimmt. Ich glaube, den hat er schon zugesagt, bevor er eine neue Verwendung übertragen bekommen hat. Deshalb freue ich mich, dass sein Vertreter heute anwesend ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe gesagt, ich bin nicht mit allem einverstanden, was Sie gesagt haben, Herr Lammert. Ich habe das auch gestern den ganzen Tag erlebt. Sie müssen einfach übermotivierter antreten, als das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Ich glaube, Sie werden auch zu radikaleren Tönen motiviert.

Das Beispiel der Tageswohnungseinbrüche ist, wie Sie wissen, so falsch, wie nur irgendetwas falsch sein kann. Wir, alle 16 Innenminister in der Bundesrepublik Deutschland von Bayern bis Schleswig-Holstein und bis hin nach Sachsen, sind mit den Aufklärungsquoten unzufrieden, aber in der Unzufriedenheit sind die Aufklärungsquoten in Rheinland-Pfalz noch mit die besten. Deswegen ist es falsch, unserer Polizei gegenüber ein Beispiel zu bringen, bei dem die rheinland-pfälzische Polizei in ihrer Leistung – wie an vielen anderen Stellen – erneut besser ist als andere Polizeien der deutschen Länder. Meine Damen und Herren, deswegen will ich ganz deutlich sagen: Ich als Person, als Bürger dieses Landes, aber auch als Innenminister bin stolz auf unsere Polizei. Ich bin stolz auf die Leistung unserer Polizei.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gab bereits im Jahr 2008 eine Große Anfrage der CDU. Wir reden heute sozusagen über die Bilanz der vergangenen fünf Jahre. Wir haben in diesen fünf Jahren – alle Redner sind mit unterschiedlichen Zungenschlägen darauf eingegangen – den bisher höchsten Personalbestand in der rheinland-pfälzischen Polizei mit zum Teil über 9.400 ausgebildeten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten erreicht.

Wir haben die Einstellungszahlen vor dem Hintergrund der anstehenden hohen Ruhestandsabgänge massiv

erhöht. Mit der Erhöhung der Einstellungszahl auf jährlich insgesamt 450 junge Frauen und Männer in zwei Studiengängen pro Jahr haben wir die Anzahl der neuen Polizeikommissaranwärterinnen und -anwärter im Vergleich zur Anzahl der Absolventinnen und Absolventen des früheren Fachhochschulstudiums vor zehn Jahren inzwischen verdoppelt. Wenn man sich die Zahlen genau anschaut, war 2011 die Einstellungsrate 397, 2012 353, 2013 440, 2014 450. Wir werden 2015 450 einstellen. Diese hohe Einstellungsquote habe ich mir auch für die nächsten Jahre vorgenommen.

Sehr geehrter Herr Lammert, zum Thema Personen mit Migrationshintergrund im Polizeidienst. Ja, auf diesen Weg haben sich die deutschen Polizeien und die Einstellungsbehörden vielleicht erst relativ spät begeben. Ich darf aber für uns in Anspruch nehmen, dass wir 2009 eine Quote von 4,42 %, 2012 von 8,96 % und 2013 von 10,13 % hatten. Ich habe diese Liste an eine Antwort auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Michael Hüttner, Ingeborg Sahler-Fesel und Wolfgang Schwarz vom Mai 2014 angehängt. Man kann sie also nachlesen.

Auch da wäre ich natürlich froh, wenn wir mehr hätten. Sie wissen, dass wir mit Blick auf die zweigeteilte Laufbahn und auf das Heranführen von Menschen mit mittlerer Reife an die Polizei auch vor dem Hintergrund, über diesen Weg verstärkt Menschen mit Migrationshintergrund gewinnen zu können, wichtige Schritte getan haben – auch die sind übrigens bundesweit sehr beachtet –, um diesen Weg zu gehen.

Wir haben hohe Einstellungsquoten. Eines wissen wir alle. Das ist auch betont worden. Wenn wir heute diese hohen Einstellungsquoten zu verantworten haben, kommen die Beamtinnen und Beamten mit drei plus zwei Jahren verzögert in die Dienststellen. Das ist vollkommen richtig.

Wir haben diese hohen Einstellungsquoten auch deswegen, weil wir wissen, dass wir in einer hohen Anzahl Abgänge haben. Die Zahl, die Sie genannt haben, will ich nicht in Abrede stellen. Das lässt sich leicht aus den Statistiken, die wir vorlegen, herauslesen.

Noch 2001 war dieses Hohe Haus insgesamt der Meinung, dass wir ohne Kenntnis über Entwicklungen, auf die ich gleich eingehen werde, mit 9.014 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten auskommen. Das war die gemeinsame Meinung. Wir haben eine Veränderung in den Aufgaben. Einige sind genannt worden. Wir haben Personalausfälle durch Inanspruchnahme familiär bedingter Beurlaubungen. Wir haben viel mehr Frauen in der Polizei, als das früher der Fall gewesen ist. Auch das ist gewollt und richtig. Wir sind in der Teilzeitbeschäftigung vorangekommen, und wir haben rund 1.000 eingeschränkt dienstfähige Kolleginnen und Kollegen. Das ist eine Veränderung gegenüber 2001.

Daraus ergab sich auch die Diskussion bis hin zu der Frage der Mindestpersonalstärke gemessen an Vollzeitäquivalenten. Wir sind lernfähig. Wir sind auf 8.800 Vollzeitäquivalente gegangen. Der Innenminister gibt Ihnen recht, wenn Sie sagen, wir könnten auch 9.000 verkraften.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, 101 Abgeordnete des rheinland-pfälzischen Landtags haben Rahmenbedingungen gesetzt. Diese haben wir mit Leben zu erfüllen. Sie haben die Verfassung geändert und eine Schuldenbremse durchgesetzt. Ich war zu diesem Zeitpunkt kein Mitglied des Landtags. Ich war Beamter im Staatsdienst. Ich hätte aber zugestimmt. Ich halte diese Schuldenbremse für richtig. Dann müssen wir sie auch abbilden. Das ist so.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin fest davon überzeugt, dass jede einzelne Polizeibeamtin und jeder einzelne Polizeibeamte in unserem Land einen wirklich guten Dienst leisten. Ich weiß aber auch um die Belastung der Kolleginnen und Kollegen. Was wäre ich für ein Dienstherr, wenn mir das nicht bekannt wäre? Ich weiß, was in der Polizei geleistet wird. Die Zahlen der hohen Einstellungsquoten bedeuten, dass wir wieder Licht am Ende des Tunnels haben. Das ist etwas, über das wir uns sehr freuen können.

Das, was Herr Kollege Hüttner in Anspruch genommen hat, geht als Auftrag an uns, an die Politik. Ich möchte, dass wir darüber diskutieren. Wir haben am Rosenmontag im letzten Jahr in Mainz 783 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte eingesetzt, um diese große Situation beherrschen zu können. Wir haben sie beherrscht.

Wir mussten bei einem Einsatz anlässlich der NPDDemo in Koblenz über 1.000 Beamtinnen und Beamten einsetzen, weil die Lage kritisch eingeschätzt wurde. Wir müssen unseren Polizeiführern den Rücken stärken, wenn sie sagen, wir könnten auch mit weniger Personal auskommen. Wenn sie sich dann aber an Worms erinnern, sagen wir, dann legen wir lieber noch einen Zuschlag drauf. Die Politik muss den Einsatzleiterinnen und Einsatzleitern den Rücken stärken, dass man möglicherweise an dem Koblenzer Beispiel mit den Zahlen auskommt, mit denen man den gesamten Rosenmontagseinsatz in Mainz bewältigen kann. Wir müssen als Politik zusammenstehen. Wenn einmal etwas nicht so wie geplant läuft, müssen wir auch hinter unserer Polizei stehen. Das ist eine Selbstverständlichkeit.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Lammert, Sie haben ein Bild der Sicherheitslage im Land gezeichnet, das mir nicht gefällt. Wir sollten unseren Bürgerinnen und Bürgern keine Angst machen. Unsere Polizei – ich habe es erwähnt – leistet hervorragende Arbeit. Die Polizei hat im vergangenen Jahr 60,9 % aller angezeigten Straftaten aufgeklärt. Die Aufklärungsquote liegt damit im neunten Jahr in Folge über der 60-Prozent-Marke. Das kann kaum eine andere Landespolizei für sich verbuchen. Die hohe Leistungsfähigkeit unserer Polizei wird in dieser statistischen Zahl ausgedrückt.

Natürlich sind neue Herausforderungen auf uns zugekommen, wie NSU, Cybercrime, Fußball, Rechts-LinksDemonstrationen und andere Dinge mehr. Auch daraus müssen wir Erkenntnisse ziehen. An der Stelle will ich vielleicht Herrn Scharbach in seiner anderen Funktion als Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei ein wenig

enttäuschen. Ich glaube, es ist ein falscher Weg, den Verfassungsschutz in die Polizei einzugliedern. Das diskutieren wir politisch. Ich glaube, das ist ein falscher Weg. Das ist meine Meinung.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir über neue Kriminalitätsfelder wie zum Beispiel Cybercrime reden, dann ist es richtig, dass wir sagen, dafür müssen wir nicht an jeder Stelle ausgebildete Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte zur Bekämpfung einsetzen. Deswegen haben wir 40 Beamtenstellen in der Sonderlaufbahn Polizei für die Präsidien zur Verfügung gestellt, um anders ausgebildete Menschen, die wir zur Bekämpfung dieses Kriminalitätsfeldes gebrauchen können, dann auch einstellen zu können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind in der Polizeiabteilung meines Hauses gemeinsam mit dem Personalrat und den Gewerkschaften sehr intensiv aufgestellt, um die Personalplanung, das Gesundheitsmanagement und andere Dinge, zum Beispiel den Polizeidienst von polizeifremden Tätigkeiten freizustellen, so organisieren zu können, dass wir noch mehr Polizeibeamtinnen und -beamte insbesondere in den Wechselschichtdienst bekommen. Vor diesem Hintergrund sollen die Liegenschaften der Bereitschaftspolizei zukünftig wieder vollständig durch einen externen Sicherungsdienst bewacht werden. Ich glaube, das ist eine Entscheidung, die richtig ist. Sie wird, wie ich es vernehme, auch bei der Polizei entsprechend gewürdigt.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)