Protokoll der Sitzung vom 25.09.2014

Selbst im Kerngeschäft kommen Sie Ihren Verpflichtungen oder Ihren selbstgesteckten Erwartungen nicht nach, Herr Minister. Flotten Ankündigungen folgen nämlich meist keine oder nur zögerliche oder unvollkommene Taten. Beispiel: Schließung von Strafbarkeitslücken beim sexuellen Missbrauch Minderjähriger, Schließung von Strafbarkeitslücken beim Stalking, Strafbarkeitsverschärfung bei der Kinderpornografie – immer treten Sie vor die Medien und sagen, wir machen etwas, wir machen etwas, und hinterher ist meistens wenig zu sehen.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Auch bei der notwendigen Reform des Richterwahlausschusses enttäuschen Sie wieder einmal die Erwartungen. 2012 führen Sie eine Evaluation durch, im Juni 2013 kündigen Sie – wieder über die Medien – sehr prononciert an, was in Ihren Gesetzentwurf einfließen soll. Im September des letzten Jahres versprechen Sie für Anfang dieses Jahres einen Gesetzentwurf.

Was war dann gewesen? Bei uns ist jedenfalls noch nichts angekommen, Herr Minister, und das ist enttäuschend.

Eine große Landeszeitung hat diesbezüglich dann auch vor wenigen Tagen geschrieben, die CDU müsse Sie da zum Jagen tragen. – Ich sage, wir tun das auch gerne, wenn es der Sache dient.

(Beifall der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Ich bin überzeugt, dass unser Gesetzentwurf der Sache dient. Er schließt Zuständigkeitslücken, er stärkt den Einfluss der Richterschaft, er verbessert die demokratische Legitimation der Entscheidung des Richterwahlausschusses, und er macht das Verfahren im Ausschuss rechtssicherer.

(Beifall bei der CDU)

Alles in allem ein großer und notwendiger Schritt nach vorn.

Was sind unsere Kernforderungen?

Erstens: Versetzungen werden auch in die Zuständigkeit des Ausschusses hineingenommen, was sie bisher nicht sind. Damit wird eine große und gelegentlich schmerz

lich empfundene Zuständigkeitslücke geschlossen. Ich erinnere an die Besetzung der Landgerichtspräsidentenstelle in Landau, die ohne Befassung des Ausschusses entschieden wurde.

Zweitens: Die Zahl der richterlichen Mitglieder wird verdoppelt und zu diesem Zweck die Zahl der Ausschussmitglieder von 11 auf 13 erhöht. Damit kann der richterliche Sachverstand in den oft sehr komplexen und diffizilen Besetzungsverfahren noch stärker zum Tragen gebracht werden. Hierin sind sich, soweit ich sehe, auch alle Landtagsfraktionen und das Ministerium einig. Wir halten das für einen ganz zentralen Punkt.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Drittens: Die demokratische Legitimation wird gestärkt, indem nämlich künftig für alle Entscheidungen des Ausschusses die Mehrheit der Mitglieder notwendig ist. Relative Mehrheitsentscheidungen, wie wir sie insbesondere im Fall Graefen/Bartz in der letzten Wahlperiode erleben mussten, kann es dann nicht mehr geben.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Damit wird der gesetzgeberischen Absicht bei der Einführung des Ausschusses, die demokratische Legitimation bei der Besetzung von Richterstellen in unserem Lande zu stärken, ein entscheidendes Maß mehr zum Durchbruch verholfen.

Viertens: In der letzten Wahlperiode haben wir, die CDU, es im Richterwahlausschuss durchgesetzt, dass den Mitgliedern des Ausschusses, die nicht Berichterstatter sind, die Besetzungsvermerke nicht erst eine Stunde vor Beginn der Sitzung zur Einsicht vorgelegt, sondern vorab zugesandt werden. Das ist eine deutliche Verbesserung unserer Arbeitsmöglichkeiten,

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

allerdings bisher ohne gesetzliche Grundlage und immer unter dem Vorbehalt, dass das nicht stattfand, wenn ein Bewerber dem widerspricht. Wir halten es aber für zentral wichtig, das rechtlich sauber abzusichern und in das Gesetz hineinzuschreiben.

Verehrte Damen und Herren, als der Richterwahlausschuss eingeführt wurde – das ist jetzt ziemlich genau zehn Jahre her –, stand ihm die CDU-Fraktion sehr kritisch gegenüber – Sie erinnern sich –, weil wir eine Politisierung der Besetzungsentscheidungen befürchteten.

Wir haben trotzdem bisher immer konstruktiv an seiner Arbeit mitgewirkt, sehen uns aber durch den Gang der Dinge in den letzten Jahren in unseren Bedenken bestärkt, vor allen Dingen, seitdem die SPD im Ministerium das Heft in der Hand hat.

(Beifall bei der CDU – Heiterkeit bei dem Abg. Wiechmann, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ja, es ist so.

Man könnte sich natürlich bei der Reform des Richterwahlausschusses noch mehr wünschen,

(Baldauf, CDU: Abschaffen!)

zum Beispiel ein echtes Mitentscheidungsrecht; denn – das ist nun die Wahrheit – eigentlich ist das kein Richterwahlausschuss, sondern ein Richterbestätigungsausschuss. Wir würden uns auch wünschen, dass geheime Abstimmungen durchgeführt werden könnten. Solches scheint aber die Rechtslage derzeit nicht zuzulassen.

Deswegen legen wir heute einen Gesetzentwurf vor, der das verfassungsrechtlich Mögliche beinhaltet, im Einklang mit den aus der Richterschaft heraus geäußerten Wünschen steht und den Richterwahlausschuss damit in eine bessere Zukunft führt.

Wir laden Sie, die Koalitionsfraktionen, herzlich ein, sich an diesem Diskussionsprozess konstruktiv zu beteiligen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Sippel das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Evaluierung der Arbeit des Richterwahlausschusses ist Bestandteil des Koalitionsvertrags von Rot-Grün, dies mit dem Ziel, die parlamentarisch kontrollierte Selbstverwaltung der Dritten Gewalt zu stärken.

Die Evaluierung ist mittlerweile sehr umfassend erfolgt und ausgewertet. Der Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Landesrichtergesetzes steht und wird in Kürze in das parlamentarische Verfahren eingebracht. Es ist Ihre Entscheidung, dass Sie heute einen eigenen Gesetzentwurf vorlegen. Das ändert aber nichts daran, dass der Justizminister seine Hausaufgaben längst gemacht hat.

Die Gründe dafür, weshalb der Gesetzentwurf noch nicht eingebracht wurde, hat der Minister in seiner Pressemitteilung vom 18. September ausreichend dargelegt. Sie sind darauf nicht eingegangen. Möglicherweise haben Sie das übersehen. Die Gründe sind zum einen die Auswertung und die Einarbeitung weiterer Änderungsvorschläge aus der Richterschaft heraus,

(Baldauf, CDU: Welche?)

die Angleichung von Regelungen an das neue Landesbeamtengesetz, Herr Baldauf, zum Beispiel die Frage der Teilzeitbeschäftigung von Richterinnen und Richtern, und es liegt zum anderen daran – das ist der entscheidende Punkt –, dass die Frist für die Praxisbefragung auf Antrag einer Richtervertretung verlängert wurde. Wenn es bei diesem Gesetz um Mitbestimmung, um

Mitwirkung der Richterinnen und Richter geht, warum sollte der Minister den Beteiligungsprozess zu diesem Gesetzentwurf abwürgen? Das verstehe ich nicht. Insoweit war es richtig, der Richtervertretung die Zeit noch zuzubilligen, bis die Stellungnahme eingeht, um dann den Gesetzentwurf letztendlich vorzulegen.

Eine Kritik, die Sie geäußert haben, zielt auf den Minister. Am Ende zielt diese Kritik aber auch auf die Richterschaft ab, die sich mit diesem Diskussionsprozess sehr intensiv auseinandersetzt und darum bittet, dass Gründlichkeit vor Schnelligkeit geht. Das ist etwas, was Sie in vielen Bereichen immer wieder fordern. Weshalb gewähren Sie hier nicht die nötige Zeit?

Meine Damen und Herren, die Ergebnisse der Evaluierung haben gezeigt, dass sich der Richterwahlausschuss als Organ der Mitentscheidung in richterlichen Personalentscheidungen grundsätzlich bewährt hat. Sie haben es gesagt, die CDU hat dieses Gremium vor zehn Jahren noch abgelehnt. Dass Sie heute einen Gesetzentwurf einbringen, ist ein Zeichen, dass Sie durchaus anerkennen, dass der Richterwahlausschuss Sinn macht. Gleichwohl gibt es aus der Praxis heraus konstruktive Kritik – das ist klar – und Reformvorschläge, die auch vonseiten des Ministers in vielen Fällen aufgegriffen wurden und die ihren Niederschlag im Gesetz finden werden.

Es gibt zu einigen Punkten auch von unserer Seite aus Übereinstimmung mit den Vorschlägen der CDUFraktion, Herr Dr. Wilke. Das deckt sich mit dem, was wir gerne ändern möchten. Das betrifft zum Beispiel die Erhöhung der Zahl der ständigen richterlichen Mitglieder und nicht ständigen richterlichen Mitglieder aus der jeweils betroffenen Gerichtsbarkeit. Es geht um die Ausweitung der Wählbarkeit der ständigen richterlichen Mitglieder auch auf die Fachgerichtsbarkeiten. Es geht um die Ausweitung des Mitentscheidungsrechts bei Versetzungen. Einschränkend sage ich hinzu, allerdings nur bei Versetzungen in Beförderungsämter, wenn überhaupt eine Auswahlentscheidung getroffen werden kann und es mehrere Bewerberinnen und Bewerber gibt.

Das Verfahren zur Selbstablehnung im Sinne des § 48 ZPO halten wir ebenfalls für sinnvoll. Das gilt auch für die Tatsache, dass die Unterlagen, die Entscheidungsvorschläge, die Stellungnahme des Präsidialrats oder auch die Niederschrift über ein etwaiges Einigungsgespräch rechtzeitig vor der Sitzung allen Mitgliedern des Richterwahlausschusses zugehen. Insoweit besteht Konsens.

Meine Damen und Herren, Herr Staatsminister Hartloff hat in seiner Pressemitteilung ebenfalls deutlich gemacht, dass in die Änderung des Landesrichtergesetzes auch die Angleichung an Regelungen des Landesbeamtengesetzes einfließen soll. Zum Beispiel findet die Stärkung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf unsere absolute Zustimmung, ebenso die Soll-Vorschrift, dass der Richterwahlausschuss paritätisch mit Männern und Frauen je zur Hälfte besetzt werden soll. Diese Aspekte finden in Ihrem Gesetzentwurf überhaupt keinen Niederschlag.

Wir sehen es skeptisch, dass die Entscheidung über Versetzungen generell auf alle Versetzungen ausgedehnt werden soll. Darüber können wir im Ausschuss reden. Ebenso skeptisch sind wir, was die Mehrheit anbelangt. Warum muss es die Mehrheit der gesetzlichen Zahl der Mitglieder sein? Es ist demokratische Gepflogenheit, dass die relative Mehrheit ausreicht. Wir haben im Richterwahlausschuss künftig eine hohe Pluralität. Wenn Sie da Bedenken haben, ist es so, dass eine Koalitionsmehrheit im Parlament eben nicht über eine Mehrheit im Richterwahlausschuss verfügt.

(Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, wir werden den Gesetzentwurf heute an den Ausschuss überweisen. Die weitere Beratung dort macht allerdings nur Sinn, wenn der Gesetzentwurf der Landesregierung vorliegt.

(Glocke des Präsidenten)

Insoweit sind wir sehr optimistisch, weil wir zu einigen Punkten Konsens haben, dass wir sehr konstruktiv über diesen Gesetzentwurf beraten können.

Danke schön.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Raue das Wort.