Eines hat mich motiviert, noch einmal zu reden. Sie haben als angemessene Herangehensweise den Therapiebegriff des Ministerpräsidenten aufgegriffen und gesagt, dass eine Stückwerktherapie angemessen wäre. Herr Dr. Weiland, dahinter kann man in der Tat ein großes Fragezeichen setzen.
Die Stückwerktherapie, die die Bundesregierung anwendet, basiert darauf, dass man nicht die politische Kraft für größere Maßnahmen hat, weil dafür die notwendigen Mehrheiten in der Koalition in Berlin nicht vorhanden sind.
Genauso ist das mit der Transaktionssteuer. Sie wurde öffentlich gefordert. Es war auch der CDU und der FDP klar, dass es unmöglich ist, gegen die öffentliche Meinung die Position zu vertreten, wir lehnen eine Transaktionssteuer generell ab. Dann hat man eine Strategie
versucht, wie sie gefordert werden kann, aber eine Ablehnung gesichert ist. Deshalb war der erste Schritt gewesen, sie in allen G-20-Staaten einzuführen. Es war vollkommen klar, dass es diese einheitliche Position nie geben wird. Deshalb war eine Ablehnung gesichert. Der nächste Schritt war, in der gesamten Europäischen Union die Transaktionssteuer einzuführen. Auch da war aufgrund der Position von Großbritannien und anderen klar, dass eine Ablehnung gesichert war. Das ist eben die Inkonsequenz in der Politik während dieser Krise. Das birgt die Gefahr in sich, dass wir in der Tat in eine Euro-Krise hineinstürzen können, wenn wir diese Stückwerktherapie weiter fortsetzen.
Sie wollen doch nicht behaupten, dass es eine kluge Politik ist, immer dann, bevor die Zahlungsfähigkeit von Griechenland und anderen Staaten infrage gestellt wird, kurzfristig über Entscheidungen, die teilweise in der Nacht erfolgen, die notwendigen Garantieerklärungen abzugeben, damit in letzter Stunde noch die Zahlungsfähigkeit sichergestellt werden kann. Es ist doch viel sinnvoller, sich darüber zu unterhalten, ob es eine Gesamtstrategie gibt. Da hat niemand eine Patentlösung. Es wird ein Bündel von Maßnahmen erforderlich sein.
Es muss gesagt werden, wir bringen aufgrund des Wertes der europäischen Idee die Bereitschaft mit, im Hinblick auf die Stabilität im europäischen Wirtschaftsraum und des Euros größere Maßnahmen auf den Weg zu bringen, wenn mit flankierenden Maßnahmen die Akzeptanz gesichert ist, Verschuldensgrenzen einzuführen und sich auf gemeinsame Kriterien einer europäischen Finanz- und Wirtschaftspolitik zu verständigen, die für alle Mitgliedstaaten bindend sind. Die müssen auch für die Länder bindend sein, die uns derzeit die Schwierigkeiten bereiten.
Deshalb ist es schlicht und ergreifend nicht verantwortungsvoll zu sagen: Es gibt einige Instrumente, die wir ablehnen, überhaupt zu diskutieren. – Genau das ist derzeit die Haltung der Bundesregierung. Sie sagt, zu den Eurobonds gibt es ein Tabu, weshalb wir über sie nicht diskutieren.
Es könnte eine geeignete Möglichkeit sein, über dieses Instrument ein maßnahmenflankierendes Programm auf den Weg zu bringen, das den Inhalten entspricht, die wir für richtig halten. Deshalb ist die Stückwerkspolitik, wie sie von der Bundeskanzlerin derzeit betrieben wird, eben gerade nicht verantwortungsvoll.
Zuvor möchte ich als Gäste auf der Zuschauertribüne die Erntemajestäten aus Heidesheim begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Weiland, Sie haben vorhin angedeutet, was Sie tun würden, wenn so viele Therapien angeboten werden. Von wem nehmen Sie das Angebot an? Vergleichen Sie auch die übliche Vorgehensweise in der Medizin? In der Medizin würde ich so vorgehen. Einem Patienten mit Erkältung würde ich sagen, mit Therapie dauert Ihre Krankheit eine Woche, ohne Therapie sieben Tage. Sie wissen, wenn jemand einen Herzinfarkt gehabt hat, hat dies eine andere Gewichtung. Es geht dann um eine evidenzbasierte Therapie. Das sind die Fachleute, wie sie es auch in der Finanzwelt gibt.
Sie haben vorhin auch die Frage nach der Ursache gestellt. Herr Hering hat zu Recht gesagt, dass es sich um die Deregulierung gehandelt hat. Ich denke, wir können auch in der Politik von der Biologie und der Wissenschaft viel lernen. Ich kenne kein einziges Beispiel in der Welt der Biologie, das durch Deregulierung irgendeine Leistung hervorbringt. Aus der Medizin wissen wir, dass die Deregulierung autonome Zellen produziert. Diese produzieren Krebszellen. Das haben wir heute in der Finanzwelt. Das ist das Ergebnis.
Ich erinnere mich auch daran, dass Otto Graf Lambsdorff 1983 gesagt hat, dass wir nicht in den Markt eingreifen brauchen, weil sich dieser von allein reguliert. Das ist die Ursache der Krise, die wir jetzt erleben, dass Tausende von Menschen um ihre Existenz kämpfen.
Für die Fraktion der CDU hat Herr Abgeordneter Dr. Weiland das Wort. Ihnen stehen noch fünf Minuten Redezeit zur Verfügung.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich nenne das Stichwort „Stückwerk-Technologie“.
Wie sagt der Comedian? Ich weiß nicht, ob Sie‘s wussten? Woher kommt der Begriff „Stückwerk-Technologie“. Der Begriff „Stückwerk-Technologie“ stammt von Sir Raimund Popper, jenem Sozialwissenschaftler und Philosophen, der der Lieblingsphilosoph von Helmut Schmidt gewesen ist. Helmut Schmidt, einer der größten Kanzler dieser Republik, hat nach dieser Methode insbesondere in schwierigen und unübersichtlichen Situationen Politik betrieben. Nichts anderes tut die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland im Augenblick. Deshalb ist es richtig, wie sie es tut. Deshalb ist es gut, dass sie es tut.
Jetzt komme ich zur Beantwortung der Frage der Kollegin Brede-Hoffmann. Die Eurobonds werden von manchen in die Diskussion als dieses Allheilmittel eingebracht, sozusagen als der finanzpolitische VoodooZauber, der alles heilt.
Ich will einen Text von Frau Heike Göbel aus „FAZ.NET“ mit der Überschrift „Die Eurobonds-Illusion“ zitieren: „SPD und Grüne rufen lautstark nach der Einführung von Eurobonds. Vielen geht die Vergemeinschaftung der Schulden im Euroraum offenbar gar nicht schnell genug.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Vergesellschaftung der Schulden ist etwas, gegen was die SPD sonst immer eintritt. „Sie fordern und preisen Eurobonds, als wären diese der einzige Kitt, der die bröselnde Währungsunion noch zusammenhalten könnte. Mit Begründungen halten sie sich (…)“ allerdings sehr zurück.
„Eurobonds sind gemeinsame Schuldenpapiere der (…)“ Europäer. Auch das sollte man vielleicht einmal ausdrücklich sagen.
Nein, den will ich nicht vorlesen, weil ich glaube, dass Frau Göbel im Unterschied zu vielen anderen hier eine sachliche Analyse des Sachverhalts vornimmt.
Es ist bemerkenswert, dass sich der finanzpolitische Sprecher Ihrer Fraktion in dieser Diskussion überhaupt noch nicht geäußert hat.
„Eurobonds sind gemeinsame Schuldenpapiere der Euroländer. Über die gemeinsame Haftung bekommen die finanzschwachen Euroländer ein Stück vom guten Ruf der finanzstärkeren (…)“ Länder. „Über Eurobonds könnten sich die schwächeren Staaten günstiger verschulden als mit eigenen Anleihen. Für die solideren Länder erhöhen sich die Zinskosten, denn sie verlieren durch die Haftung für die schwächeren ihren Status als erstklassige Schuldner.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren, jetzt kommt es: „Das geht solange, bis die Finanzmärkte auch das Vertrauen in die Eurobonds verlieren, weil die Schuldenlast irgendwann auch die stärkeren Länder überfordert.“ Die Lösung des Problems ist nicht, die Starken schwach, sondern die Schwachen stark zu machen.
(Beifall der CDU – Ramsauer, SPD: Das war jetzt eine finanzpolitische Offenbarung! – Unruhe im Hause)
Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Thema. Ich stelle fest, dass damit dieser Tagesordnungspunkt abgeschlossen ist.
Die Diskussionen, die Sie führen, können Sie bitte draußen weiterführen, weil wir jetzt das Thema wechseln.
„Kleinere Klassen – größere Chancen“ auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/221 –
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Kleine Klassen bedeuten mehr Aufmerksamkeit, die ich jetzt auch gerne hätte, für jede einzelne Schülerin und jeden einzelnen Schüler. Sie bedeuten mehr Möglichkeiten der individuellen Förderung und auch eine reelle Entlastung für unsere Lehrerinnen, denen wir damit auch die verdiente Anerkennung und Wertschätzung für ihre anstrengende und wichtige Aufgabe zollen. Sie bedeuten unter dem Strich für unsere Kinder größere Chancen für ihre zu entfaltenden Möglichkeiten.
Pädagogisch betrachtet, vermitteln wir den Kindern durch dieses Mehr an Aufmerksamkeit ein Gefühl von Angenommensein. Das hilft Kindern nicht nur dort, wo sie familiäre Strukturen nicht zu stützen vermögen. Das hilft allen Kindern beim sozialen Lernen; denn der Klassenverband wird dadurch stabiler. Dadurch werden kleinere Klassen nicht mehr so schnell aufgeteilt und zusammengelegt wie zuvor. Wir mindern dieses Risiko.
Ich persönlich sehe in diesen stabileren Klassenverbänden auch die Chance für eine Atmosphäre, die verbesserte Vorzeichen für wertvolle Projekte sozialen Lernens, wie Demokratieerziehung, Mitbestimmung und Teilhabe der Schülerinnen am schulischen Leben setzt.
Dass vergangene Woche 146 Klassen in RheinlandPfalz mehr gebildet wurden, als das noch nach den Vorgaben von 2010 der Fall gewesen wäre, geht allein auf unsere im Koalitionsvertrag besiegelte Entscheidung zurück, im Bildungswesen frei werdende Ressourcen für eine Verbesserung des Schülerinnen-/Lehrerinnenverhältnisses einzusetzen.
Diese Entscheidung hat durchschlagenden Erfolg. Rheinland-Pfalz liegt mit diesen neuen Zahlen für die Klasse 1 mit Hamburg bundesweit an der Spitze. Viele von Ihnen haben in den vergangenen Tagen den Kontakt zu den Schulen zum Schuljahresbeginn gepflegt. Sicher wurde auch Ihnen bestätigt, was die Presse übereinstimmend berichtet. Die Absenkung der Klas
senmesszahl ist ein Motivationsschub und eine Qualitätssteigerung für die Lehrerinnen und die Kinder.
Sie kennen alle die Beispiele. Ich möchte eines aus meiner Heimatgemeinde nennen. 52 Kinder wurden in die Grundschule eingeschult. In Deidesheim wären im Vorjahr mit Sicherheit nur zwei Klassen entstanden. Nun konnten drei Klassenverbände bestückt mit 19, 18 und 15 Schultüten und den strahlenden Gesichtern ihrer Trägerinnen gestartet werden.