Es muss irgendwann einmal die Zeit sein, dass man Hintergründe nicht in den Vordergrund stellt, sondern im Vordergrund muss eine gesellschaftliche Debatte über Menschenrechte, universelle Werte und Gerechtigkeit stehen. Dazu gehört auch ein gerechtes Wirtschaftssystem, das die Menschenwürde berücksichtigt und auch den anderen Menschen Möglichkeiten gibt.
Ich bin selbst ein säkular gläubiger Mensch, weswegen ich nicht möchte, dass die Menschen auf Religion reduziert werden und sie für machtpolitische Zwecke instrumentalisiert wird.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank Herr Dr. Schmidt, es ist genau der richtige Einstieg für meine Ausführungen.
Wir befassen uns heute mit einem sehr schwierigen Thema, mit einem Thema, das nicht geeignet für politische Schnellschüsse ist. Genau in diese Richtung geht leider, muss ich sagen, Ihr Antrag. Ich komme auf die einzelnen Punkte noch zu sprechen, Herr Kollege Lammert.
Wir wollen so mit diesem Thema nicht umgehen. Wir wollen vielmehr die gesellschaftliche Diskussion über Fragen, die mit den Punkten zusammenhängen, die der Kollege Schmidt aus seiner Sicht hier gerade vorgetragen hat.
Bevor ich zu Ihren Forderungen komme, vielleicht einige wenige Sätze zum Thema. Herr Kollege, wir liegen überhaupt nicht auseinander in Bezug auf das, was zurzeit passiert. Diese Gräueltaten der Terroristen sind verabscheuungswürdig. Sie sind ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die die Weltgemeinschaft nicht mehr hinnehmen darf. Wir wollen und dürfen dazu nicht schweigen vor einem Hintergrund, den wir selbst mit unserer Geschichte haben, als Menschen geschwiegen und weggeschaut haben. Ich glaube, das sollten wir gerade als Deutsche nicht mehr zulassen.
Ich bin nicht ganz sicher, ob wir – jetzt meine ich nicht uns in Rheinland-Pfalz, auch nicht in Deutschland, sondern allgemein – diese Dimension in der Weltgemeinschaft tatsächlich erfasst haben und uns entsprechend dagegen wehren. Ich glaube es nicht, leider nicht.
Dabei weiß ich durchaus, wie schwierig es ist, ideologisch verblendete Menschen, denen ein Menschenleben
oft völlig egal ist, von ihrem Tun abzuhalten. Das weiß ich auch. Ich glaube aber, wir müssen es sehr deutlich machen und darüber auch mit denjenigen reden, die Vorstellungen haben, die mit unseren nicht in Übereinstimmung stehen.
Es geht deshalb darum, das politische Bewusstsein zu schärfen. Daran beteiligen wir uns gern in der Diskussion. Aber wie gesagt, dafür ist Ihr Antrag nicht geeignet. Das will ich kurz anhand Ihrer acht Punkte begründen.
Er enthält Forderungen, die wir erstens auf Landesebene gar nicht zu regeln haben, die zum größten Teil Bundesfragen sind. Dort sind zunächst einmal die Vorschläge zu machen; denn es nützt nichts, wenn wir uns in Rheinland-Pfalz über Themen unterhalten, die der Bund zu entscheiden hat. Wenn wir dann an einem Punkt beteiligt werden, ist das etwas anderes.
Frau Kollegin Kohnle-Gros, dass Sie da eine andere Auffassung haben, das weiß ich schon seit 24 Jahren.
Wir sind personell und sachlich mit unseren Sicherheitsbehörden gut aufgestellt. Das gilt sowohl für die Polizei als auch für den Verfassungsschutz. Ich weiß, wovon ich rede.
Die Videoüberwachung ist ein Dauerbrenner der CDU. Den Leuten jedoch vorzugaukeln, dass mehr Kameras auch mehr Sicherheit bedeuten, heißt, den Menschen Sand in die Augen zu streuen.
Verbrechen mit Videokameras verhindern, können Sie nur dann, wenn Sie am Monitor sitzen und die Plätze im Einzelnen beobachten.
Wir haben ein POG. Damals haben wir sehr über die Frage der Videoüberwachung im POG gestritten. Wir haben eine Regelung gefunden, die die Polizei sehr ordentlich anwendet, die dann, wenn sie erforderlich ist, eingesetzt wird, zum Beispiel gerade vor wenigen Tagen, als in Mainz am Hauptbahnhof eine Demonstration abgelaufen ist. Sie ist Gott sei Dank friedlich verlaufen, aber natürlich ist sie auch mit den entsprechenden Mitteln überwacht worden. Selbstverständlich.
Da stehen wir auch völlig dahinter. Aber so zu tun, als ob wir jeden Marktplatz mit Videokameras ausstatten, das ist für uns eine schreckliche Vorstellung.
Ich greife einen Satz von Ihnen auf, die Frage, ob ich in einer solchen Gesellschaft, in einem solchen Staat leben will. Diese Frage würde ich mir stellen, wenn ich nur noch von Videokameras umgeben bin.
Wir haben in Rheinland-Pfalz ungefähr 100.000 Kameras bis in die Wälder hinein, wo die Wildschweine beobachtet werden.
Zum nächsten Punkt: Herr Kollege Lammert, das ist der einzige Punkt, bei dem wir total einer Meinung sind, das ist die Frage, ob die Gespräche mit den Moslemverbänden weiter fortgeführt werden. Das ist eine wichtige, nicht die einzige, aber eine wichtige Frage, Herr Kollege Schmidt.
Wir machen es in Rheinland-Pfalz. Wir sind durchaus der Auffassung, das muss, das soll fortgesetzt werden, um auch ein stärkeres Verständnis der anderen Seite zu bekommen, als wir es heute haben.
Sie haben auch den Punkt der Ersatzdokumente angesprochen. Sie wissen wahrscheinlich, das wird zurzeit auf Länderebene diskutiert. Ich persönlich bin sehr zurückhaltend mit solchen Ersatzdokumenten, aber wir werden sehen, was die Diskussionen im Arbeitskreis bringen werden. Dann werden wir uns darüber unterhalten, aber nicht heute irgendeine Meinung verbreiten, die aus der Luft gegriffen ist.
Sie haben die Entziehung der Staatsangehörigkeit nicht angesprochen. Ich weiß nicht, ob Sie es bewusst oder unbewusst nicht getan haben. Wenn wir unsere Geschichte betrachten,
wenn wir betrachten, was erreicht worden ist mit der Entziehung von Staatsangehörigkeiten, sollten wir sehr vorsichtig mit diesem Thema umgehen. Wir haben sehr schlechte Erfahrungen damit gemacht.
Es tut mir leid, dass die Zeit schon vorbei ist. Ich hätte auch noch etwas zu den anderen Punkten sagen können. Herr Präsident, mein abschließender Satz lautet: Wir werden diesem Antrag heute nicht zustimmen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wieder einmal bekommen wir sehr eindrücklich vor Augen geführt, dass sich Konflikte in dieser Welt nicht externalisieren lassen. Hunger, Dürre und Bürgerkriege führen derzeit dazu, dass mehr Flüchtlinge als je zuvor ihre Heimatländer verlassen und nach Europa kommen. Wir haben es gerade gestern ausführlich thematisiert.
Aber auch bewaffnete Konflikte bleiben nicht regional begrenzt. Mobile und vernetzte Menschen tragen die Konflikte überallhin. In ein solches Krisengebiet auch noch Waffen zu liefern, ist keine Lösung, meine Damen und Herren.
Wir tragen Verantwortung in dieser Welt, auch bei uns in Rheinland-Pfalz. Das Verbot der Terrororganisation Islamischer Staat ist die Grundlage für weiteres rechtsstaatliches Vorgehen. Es qualifiziert die Akte der Terrororganisation als das, was sie sind: als terroristische Straftaten, die verfolgt und bestraft werden müssen.
Wir müssen uns aber die Frage stellen, wie es kommt, dass junge Menschen – denn es sind überwiegend junge Menschen, die vom Islamischen Staat angezogen werden und der Ideologie verfallen –, die bei uns aufgewachsen sind, die unsere Regeln und Werte kennenlernen konnten, es so erstrebenswert finden, für ein ganz anderes Ideal zu töten und selbst zu sterben. Es gibt einige Erfahrungsberichte, die alle ein ähnliches Bild zeichnen: Viele dieser Menschen, Männer wie auch junge Frauen, sind alleingelassen. Sie wurden von Schulen verwiesen, aus Jugendgruppen herausgeworfen, ihre Moscheegemeinden distanzieren sich von ihnen. Anstatt ihnen Nähe und ein Gespräch zu bieten, erreichen sie mit ihren Provokationen Ablehnung und Vereinsamung.
Wenn wir dieses Muster erkennen, können wir versuchen gegenzusteuern. Der vorliegende Antrag geht auf all dies nicht ein. Über Forderungen wie ein Wiedereinreiseverbot oder einen Entzug des Personalausweises verbietet sich jede Diskussion. Sie sind völkerrechtswidrig, rechtswidrig und diskriminierend.
Auch Ihre ständige Forderung nach einer Verschärfung der Strafbarkeit hilft nicht in diesem Zusammenhang.