Protokoll der Sitzung vom 18.12.2014

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin sehr dankbar für den differenzierteren Umgang, übrigens auch aus den Reihen der GRÜNEN. Ich möchte explizit, weil ich mit ihm gesprochen habe und er es mir auch gestattet hat, Rahim Schmidt ganz herzlich für die Unterstützung und differenzierte Umgangsweise miteinander danken. Ich habe viele Briefe aus Reihen der GRÜNEN bekommen, aus Reihen auch der SPD von Frauenrechtlerinnen. Schwester Dr. Lea Ackermann, die in diesem Land sehr geschätzt ist, schrieb mir: Zu Recht fordern Sie die Abschaffung dieses unterdrückerischen Symbols, das ein antiquiertes Frauenbild transportiert und zementiert. Wir sind auf jeden Fall an Ihrer Seite. – Herr Köbler, deshalb lasse ich mich nicht von Ihnen beschimpfen, als würde ich in eine Richtung zündeln,

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

die, glaube ich, unter Demokraten nicht angemessen ist. Ich habe Ihr Interview gelesen. Sie sind beim zweiten Interview selbst geeiert. Ich glaube, wir sind uns alle einig – Sie haben es eben betont –, dass die Vollverschleierung nicht einem offenen, freien Menschen- und Frauenbild entspricht. Wenn wir uns nur lediglich in einem Punkt uneinig sind. Da gibt es bei uns in der Partei unterschiedliche Meinungen, ob ein Verbot verfassungsrechtlich haltbar ist oder nicht. Mir haben Verfassungsrechtler – – –

(Pörksen, SPD: Die haben eine klare Meinung dazu!)

Das ist doch in Ordnung, Herr Pörksen. Dieses aufgeregte Dazwischenrufen zeigt doch, dass Sie ein Problem haben.

(Pörksen, SPD: Das müssen Sie gerade sagen! – Frau Brede Hoffmann, SPD: Wünschen Sie sich zu Weihnachten doch einen Spiegel!)

Mir haben Verfassungsrechtler geschrieben und sehen das übrigens anders. Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages kommt zu der Begründung, dass ein Burkaverbot verfassungsrechtlich nicht haltbar sei, weil es ein religiöses Symbol sei. Mir haben aber Verfassungsrechtler geschrieben, es sei kein religiöses Symbol. Islamwissenschaftler würden nicht behaupten, sie legten Wert darauf, dass ein religiöses Symbol damit zu tun hat, dass Frauen sich voll verschleiern müssen. Damit müssen wir uns auseinandersetzen, Herr Köbler.

(Beifall der CDU)

Ihre falsch verstandene Toleranz fällt den Frauen in den Rücken. Das will ich deutlich sagen. Mit Ihrer falsch verstandenen Toleranz fallen Sie den aufgeklärten Muslima in den Rücken, die sich für eine Freiheit in diesem Land entschieden haben. Sie sind nicht geflohen, um das vorzufinden, wovor sie geflohen sind.

(Beifall der CDU)

Dann möchte ich noch etwas anderes deutlich machen. Sie sagen sehr häufig – auch der Minister der Justiz –, das sei kein Problem in Rheinland-Pfalz, man würde wenig Niqab-Trägerinnen usw. sehen. Ganz offen: Es geht nicht um den Ort und die Quantität, sondern um die Qualität eines Frauenbildes. Da ist mir jede einzelne Frau gleich viel lieb und nicht erst die Masse.

(Beifall der CDU)

Das Argument, ein Vollverschleierungsverbot würde nur ca. 100 Frauen treffen, ist meiner Meinung nach reine Bauernfängerei. Seit wann ist ein Gesetz erst sinnvoll, wenn es eine bestimmte Zahl von Personen betrifft? Wo liegt die Grenze? Wer legt diese fest?

Wie sehr das Argument an den Haaren herbeigezogen ist, zeigt auch das Beispiel eines Gesetzes bzw. Verbotes, das vielleicht 100.000 Menschen direkt betrifft, nehmen wir einmal Drogen am Steuer. Nehmen wir an, durch das Verbot geht das Fahren unter Drogeneinfluss drastisch zurück. Würden wir deshalb, wenn wir nur 100 finden oder nur 30 überhaupt erwischen würden, dann sagen, wir verzichten auf ein Verbot? Deshalb geht es um die Qualität eines Menschenbildes und nicht darum, wie viel Strichlisten Sie hier in Rheinland-Pfalz gemacht haben.

(Beifall der CDU)

Ich gehe weiter. Dass Alice Schwarzer nicht in der rechten Ecke ist – sie hat vielleicht andere Probleme – und sich für Frauenrechte einsetzt, können Sie ihr nicht abstreiten. Sie hat es deutlich formuliert: Wer die Vollverschleierung in Deutschland akzeptiert, der kämpft gemeinsam mit orthodoxen, archaisch geprägten Männern für das Trennende und nicht für das Gemeinsame in einer offenen Welt. –

(Beifall der CDU)

Herr Köbler, ich will noch einmal ganz deutlich machen,

dass es Ihnen nicht zu schade ist, uns Rechtsextremismus vorzuwerfen,

(Glocke des Präsidenten)

weil wir nach Spanien, Belgien, Frankreich schauen, wo es ein Verbot der Vollverschleierung gibt, ist unverständlich. Wir können alle unterschiedlicher Meinung in der juristischen Beurteilung sein, aber Sie machen das, indem Sie mit der Keule kommen, was genau die Menschen in die Arme derer treibt, die Pegida letztlich unterstützen.

(Glocke des Präsidenten)

Lassen Sie uns über die Rechte der Frauen reden.

(Beifall der CDU)

Sie müssen Ihr Frauenbild klären.

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen. Vielen Dank.

Frauen sind gleichberechtigt. Das hat nichts mit kultureller Vielfalt zu tun, wenn sie sich verstecken.

(Anhaltend starker Beifall der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Brede-Hoffmann das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn man den Titel Ihrer Aktuellen Stunde liest und die allerletzten Teile dieses Titels erst einmal überliest, dann könnte man glauben, wir reden heute tatsächlich über Gleichberechtigung, über Frauenrechte, über kulturelle Selbstbestimmung, über Lebenschancen, Freiheit und Ähnliches.

Wenn man Frau Klöckner zuhört, dann reden wir darüber, dass dieser Staat mit einem einzelnen Verbot versuchen soll, eine Bevormundung und Vorschrift in eine Kulturgruppe hineinzugeben, die etwas tut, was wir in der Tat wahrscheinlich alle, die wir hier sitzen, nicht gut finden, die sich eine Idee ausgedacht haben, die wir alle, die wir hier sitzen, unsinnig finden. Es ist entrechtend und unterdrückend, aber wir finden es in einer Kulturtradition vor.

Anders als Frau Schwarzer haben wir alle nicht die Möglichkeit, einfach zu sagen, wenn wir irgendetwas akzeptieren, dann unterstützen wir Unterdrückung. Nein, wir haben hier Individuen, Frauen in diesem Staat leben, die vielleicht tatsächlich unfreiwillig ein Kleidungsstück tra

gen, sich unterdrückt fühlen. Es wird auch viele geben, die es freiwillig machen. Unsere Aufgabe ist es, diesen Frauen Lebenschancen zu entwickeln, dass dann, wenn sie es unfreiwillig machen, sie irgendwann die Kraft und den Mut finden, sich davon zu befreien. Dafür müssen wir nicht reden, Frau Klöckner, sondern praktische Politik machen.

(Beifall bei der SPD)

Dann nützt es uns überhaupt nichts, wenn wir diesen Männern, die sie dazu zwingen und einem verbohrten Denken behaftet sind, verbieten, dass die Frauen in der Öffentlichkeit – woanders schaffen wir es gar nicht – eine Burka anzuziehen, weil wir eines ganz genau wissen: Wenn ich einem Mann, der seiner Frau eine Burka überstülpt, verbiete, dies in der Öffentlichkeit zu tun, wird er diese Frau überhaupt nicht mehr in die Öffentlichkeit lassen.

(Zuruf der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Wollen wir das? Nein, Frau Klöckner, wir wollen, dass diese Frauen die Chancen, die dieser demokratische Staat ihnen bietet, wahrnehmen können.

(Unruhe bei der CDU)

Die größte Chance, die dieser Staat uns Menschen bietet, egal, in welcher Region wir leben, wie wir aussehen und mit welcher Bekleidung wir daherkommen, ist die Bildungschance. Eine Bildungschance ist eine Lebenschance.

Wenn wir etwas ermöglichen müssen, dann ist es, dass wir Frauen anderer Kulturkreise, die in der Tat über ihr Leben noch nicht selbst bestimmen dürfen oder nur zum Teil, diese Bildungschance bieten, damit sie einen Beruf bekommen können, selbstbestimmt leben können, weil sie eine wirtschaftliche Selbstbestimmung haben.

Das ist unsere politische Aufgabe, der wir uns zu stellen haben. Der stellen wir uns nicht mit einer Verbotsfrage, sondern der stellen wir uns erstens mit einer öffentlichen Bekennung zu Vielfalt in jeder Form, Frau Klöckner.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das betrifft die Vielfalt im Kopf, aber auch im Äußeren. Der stellen wir uns zweitens in allen Möglichkeiten von Förderung und Unterstützung für diese Frauen, ihren selbstbestimmten Weg in unserem demokratischen Staat finden zu können.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Wenn sie den gefunden haben und sie haben die Burka bis jetzt ohne ihren Willen an, dann werden sie sie ausziehen können, selbstbestimmt. Sie können mit anderen Frauen arbeiten, die noch nicht selbstbestimmt sind. Dazu müssen wir sie befähigen und ermutigen. Das ist unsere politische Aufgabe. Das muss das Signal sein, das von diesem Haus ausgeht.

Jede Frau, die in diesem Land ankommt, bekommt ihre Bildungs- und Lebenschancen von uns gesichert. Wir müssen sie dabei unterstützen. Da geht es nicht um Verbote. Da geht es um Deutschunterricht. Da geht es um nachträgliche Schulabschlüsse. Da geht es um den Weg zur Universität.

Wenn eine Frau mit einem Kopftuch auf dem Kopf in unserer Universität ankommt, dann freue ich mich, weil ich hoffe, dass sie in fünf Jahren nach ihrem Examen vielleicht ohne Kopftuch aus dieser Universität herausgeht, selbstbestimmt und frei, diesen Staat zu nutzen, um ihr Leben zu leben und anderen Frauen Mut zu machen für einen solchen Weg.

(Beifall der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Frau Klöckner, Sie zitieren schrecklich gerne Briefe und Dinge, die Ihre Leute hier sagen.

(Zuruf des Abg. Dr. Weiland, CDU)

Hier in diesem Hause gab es in der letzten Legislaturperiode die Situation, dass sie das Kopftuch kurz vor dem Wahlkampf zum populistischen Wahlkampfthema gemacht haben. Heute benutzten Sie die Burka zum Fischen von Stimmen an rechten Ecken. Hier gab es eine Anhörung. Hier haben Frauen mit einem Kopftuch auf dem Kopf gesessen und haben gesagt: Wir möchten diese Diskussion zur Selbstbefreiung führen. Wir möchten nicht bevormundet werden. –