Zunächst wird die Vorsitzende der Enquete-Kommission, Frau Abgeordnete Schellhammer, Bericht erstatten.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Keine Sorge, ich habe nicht die Rede mitgebracht.
Es sind nur Stichworte, genau. – Aber ich habe hier drei Drucksachen mitgebracht: die drei Zwischenberichte, wobei der dritte Zwischenbericht letztendlich der Schlussbericht der Enquete-Kommission „Bürgerbeteiligung“ ist. Darin sind die Ergebnisse von drei Jahren Arbeit zusammengefasst. Da wir sie immer scheibchenweise bekommen haben, habe ich mir gedacht, ich bringe sie einmal alle zusammen mit. Es sind 490 Seiten Text mit umfangreichen Ideen und Vorschlägen, wie wir die Bürgerbeteiligung in Rheinland-Pfalz weiterentwickeln können.
Sie sind das Ergebnis von insgesamt 15 umfangreichen Anhörungen. Wir haben 102 Expertinnen und Experten – externe Sachverständige – aus der Wissenschaft, aber auch aus der Praxis der Bürgerbeteiligung angehört und uns in intensiven Auswertungssitzungen mit diesen Erkenntnissen auseinandergesetzt. Insgesamt haben 26 Sitzungen der Enquete-Kommission stattgefunden. Die Sitzungsdauer lag bei rund 60 Stunden; alles fand im Saal 7 statt.
Aber das war noch nicht alles, was die EnqueteKommission geleistet hat. Wir hatten in unserer Enquete-Kommission insgesamt 29 Besuchergruppen. Uns war es besonders wichtig, die Bürgerinnen und Bürger zu einem direkten Dialog mit den Mitgliedern der Enquete-Kommission einzuladen. Aber wir haben nicht nur das gemacht, sondern wir haben auch Infostände aufgebaut und sind mit über 1.000 Bürgerinnen und Bürgern in Kontakt gekommen. Wir haben uns direkt darüber ausgetauscht, welche Ideen und Vorschläge sie zur Weiterentwicklung unserer Bürgerbeteiligung in RheinlandPfalz haben.
Wir sind neue Wege gegangen. Wir sind als erstes Gremium online gegangen, indem wir eine Liveübertragung unserer Sitzungen initiiert haben. Das war erst einmal ein ganz schöner Kampf. Wir haben einen Blog gestartet, auf dem wir gemeinsam diskutieren konnten. Alle Vorlagen wurden dort eingestellt. Wir haben maximal transparent gearbeitet. Natürlich haben wir auch die Offliner nicht vergessen. Wir haben via Flyer auf die Arbeit der Enquete-Kommission aufmerksam gemacht und damit auch viele Menschen erreicht.
Wenn man sich den jetzt vorliegenden Schlussbericht anschaut, auch was die Auswertung der Gespräche mit unseren Besuchergruppen anbelangt, kann man wirklich sagen, es ist durchweg positiv angekommen, dass die Abgeordneten nach den Sitzungen bereit waren, noch über eine Stunde Rede und Antwort zu stehen. Das ist sehr positiv angekommen. Es lohnt sich auch für ein repräsentatives Gremium, neue Wege zu gehen und einen direkteren Kontakt mit den Bürgern zu suchen.
Wir haben uns in der ersten Phase – das schlägt sich im ersten Zwischenbericht nieder – mit der sozialen Dimension von Beteiligung auseinandergesetzt. Wenn man sich mit dem Wort „Bürgerbeteiligung“ auseinandersetzt, muss man sich natürlich immer die Frage stellen: Wel
che Gruppen beteiligen sich, und welche Gruppen beteiligen sich nicht? Wie kann man die Gruppen, die sich nicht beteiligen, besser aktivieren? Welche Fragen muss man sich vor dem Start eines Bürgerbeteiligungsverfahrens stellen, damit sich Junge und Alte, Frauen und Männer, aber auch Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen sowie Menschen mit Behinderungen beteiligen?
Das alles haben wir in unserem ersten Zwischenbericht zusammengefasst, um dann in eine sehr spannende Phase zu starten. In der zweiten Phase haben wir uns nämlich mit der Informationsgrundlage und mit staatlicher Transparenz auseinandergesetzt. Ganz wichtig war für uns die Kernfrage: Wie verändert sich die Beteiligung durch die Digitalisierung? – Auch darauf haben wir im zweiten Zwischenbericht umfangreiche Antworten gegeben.
Auch der jetzt vorliegenden Drucksache liegen bestimmte Themenkomplexe zugrunde. Zum Beispiel gab es eine Anhörung, die wir gemeinsam mit der EnqueteKommission „Kommunale Finanzen“ zu dem Thema „Bürgerhaushalte und offene Haushalte“ durchgeführt haben. Ein Dank geht an Herrn Henter, den Kollegen Vorsitzenden der anderen Enquete-Kommission, dafür, dass es möglich war, gemeinsam zu tagen. Ich denke, das war eine sehr gute Sitzung. Wir sind zu einem Austausch untereinander gekommen.
Wir haben uns darüber hinaus mit dem Thema „Informelle Bürgerbeteiligung auf kommunaler und auf Landesebene“ auseinandergesetzt. Das umfasste den ganzen Bereich der konsultativen Verfahren, die eine Entscheidung in einem repräsentativen Gremium vorbereiten. Wir haben auch Anhörungen zu dem Thema „Direkte Beteiligung auf kommunaler und auf Landesebene“ durchgeführt, um uns konkret anzuschauen, welche Rahmenbedingungen uns die Gemeindeordnung für direkte Demokratie auf kommunaler Ebene gibt und welche Möglichkeiten uns die Landesverfassung bietet. Wir haben uns selbstverständlich auch mit der Beteiligung bei Planungsverfahren auseinandergesetzt und im Anschluss ein schriftliches Anhörungsverfahren bei Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden durchgeführt, um deren Meinung zur Bürgerbeteiligung zu erfahren.
Über all diese Fragen haben sich die Fraktionen und ihre Sachverständigen in ihren Empfehlungen nun verständigt, wobei ein abweichendes Votum formuliert wurde. Obwohl im Abschlussbericht keine gemeinsamen Empfehlungen zustande gekommen sind, erkennt man, wenn man die Empfehlungen und die abweichende Stellungnahme durchliest, doch, dass es in die gleiche Richtung geht, nämlich in die Richtung von mehr Beteiligung. Auch wenn wir unterschiedliche Schritte machen, die gleiche Richtung ist da, und das begrüße ich ausdrücklich.
Der Abschluss einer Enquete-Kommission ist auch immer der Moment, um zu schauen, ob wir dem, was wir in dem Einsetzungsbeschluss einstimmig verabschiedet haben, gerecht geworden sind. Wir sollten die Rahmenbedingungen für Beteiligung untersuchen. Wir sollten Informationen als Grundlagen für Beteiligung untersuchen, und wir sollten untersuchen, wie Beteiligungsgerechtigkeit und Beteiligungschancen ausgebaut werden können. Wir sollten auch untersuchen, wie die Onlinebeteiligung besser ermöglicht wird. All diese Bereiche haben wir in bestimmten Anhörungen mit verschiedenen Sachverständigen intensiv erörtert.
Wir sind da auch in einer Linie klar geworden, die von Anfang an unsere Linie war, es geht nämlich um eine sinnvolle Ergänzung von repräsentativer Demokratie durch direkte Demokratie und konsultative Verfahren. Das zeigt sich in den vorliegenden Berichten.
Der Einsetzungsbeschluss hat uns auch aufgefordert, konkrete Verbesserungsvorschläge für den Gesetzgeber zu formulieren. Dem sind wir gerecht geworden. In allen drei Zwischenberichten haben wir nämlich konkrete Vorschläge gemacht, wie wir Gesetze ändern und wo eventuell auch finanzielle Mittel in die Hand genommen werden sollen. Dementsprechend kann man sagen: Dem Einsetzungsbeschluss sind wir gerecht geworden.
Einer weiteren Sache müssen wir noch gerecht werden. Ich habe bei der Debatte über den Einsetzungsbeschluss gesagt, die Enquete-Kommission „Bürgerbeteiligung“ ist keine Alibiveranstaltung. Nun gilt es, die Forderungen, die wir in den Berichten formuliert haben, auch tatsächlich umzusetzen und das mit gleicher Leidenschaft zu tun, wie wir uns auch in der EnqueteKommission mit diesen Themen auseinandergesetzt haben;
denn die Bürgerinnen und Bürger erwarten eine transparentere und eine beteiligungsorientierte Politik in den Kommunen und auf Landesebene. Dem müssen wir gerecht werden.
Setzt man die Enquete-Kommission in den Gesamtzusammenhang, sehen wir, dass sich unsere Gesellschaft verändert. Dementsprechend muss sich auch unsere Demokratie weiterentwickeln. Ein paar Stichworte, die uns alle geläufig sind: demografischer Wandel, Energiewende, Digitalisierung. All das bestimmt derzeit unsere Gesellschaft, und all das verändert unsere Gesellschaft.
Gleichzeitig haben wir es mit Phänomenen wie sinkender Wahlbeteiligung und sinkender Beteiligung an Parteien zu tun. Auf all diese Punkte müssen wir reagieren, und wir müssen unsere Demokratie weiterentwickeln. Auch deswegen ist die Enquete-Kommission in diesem Kontext zu sehen.
Abschließend möchte ich mich wirklich bedanken. Die letzten drei Jahre waren aus meiner Sicht unglaublich bereichernd. Ich hoffe, dass die Anregungen, die wir getroffen haben, über diese Legislaturperiode hinaus auch ihre Wirkung zeigen.
Ich danke insbesondere allen Mitgliedern der EnqueteKommission und meiner stellvertretenden Vorsitzenden, Frau Marlies Kohnle-Gros.
Ich danke auch den ständigen Sachverständigen, die sich die kompletten drei Jahre lang mit uns gemeinsam über diese wichtigen Themen auseinandergesetzt haben. Ich möchte noch einmal betonen, über alle organisatorischen Fragen herrschte in der EnqueteKommission immer große Harmonie. Wir haben alle organisatorischen Fragen einstimmig verabschiedet. Auch das gehört zur Geschichte der EnqueteKommission dazu.
Ich danke natürlich auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Fraktionen, die uns dabei unterstützt haben, diesen wirklichen Berg an Informationen und Terminanfragen zu bewältigen. Wir waren auch viel im Land unterwegs, weil wir als Mitglieder der EnqueteKommission auch angefragt wurden.
Auch viele Anzuhörende sind weit angereist. Auch ihnen gilt unser Dank für ihren Impuls und ihre Expertise, die sie in unserer Enquete-Kommission eingebracht haben.
Ein wichtiger und wesentlicher Partner für die EnqueteKommission war natürlich die Landtagsverwaltung, die uns mit Technik für den Livestream und das Blog unterstützt hat. Ich danke auch dem Stenografischen Dienst; denn es wurde immer ein Wortprotokoll unserer Sitzung für eine maximale Nachvollziehbarkeit angefertigt. Ich danke dem Besucherdienst, der uns wirklich tolle Besuchergruppen organisiert hat und die Dialoge für uns begleitet hat.
Ich danke natürlich ganz persönlich dem Wissenschaftlichen Dienst. Ich bin als Parlamentsneuling in die Situation gekommen, Vorsitzende zu werden. Ich hatte eine wirklich tolle Unterstützung.
Hier möchte ich stellvertretend Frau Eschenauer, Herrn Dr. Rahe und Frau Bierbrauer für die Unterstützung danken.
Für das gute Miteinander danke ich Ihnen allen. Es war mir eine unglaubliche Freude, dieser EnqueteKommission vorsitzen zu dürfen. Für die spannende und erkenntnisreiche Zeit danke ich Ihnen.
Ich hoffe jetzt, dass wir auch eine entsprechend spannende Debatte über den Schlussbericht haben und vieles davon umgesetzt wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte noch auf eines hinweisen. Wir haben Gebärdendolmetscherinnen im Plenarsaal, die es sehr stört, wenn die Dezibelstärke
hochgeht. Ich darf gerade aus dem Grund bitten, sich ein bisschen ruhiger zu unterhalten, wie sich dies eigentlich auch gehört.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es liegen thematische sehr intensive und arbeitsreiche Jahre hinter uns. Gerade die letzte Phase der Enquete-Kommission hat uns noch einmal vor große und herausfordernde Themen gestellt.
Die Vorsitzende hat es ausgeführt, die informellen und formellen Verfahren auf Landes- und Kommunalebene haben uns in der dritten und letzten Phase der EnqueteKommission beschäftigt. Natürlich ging es dabei auch um Quoren, Negativkataloge, Fristen und Unterschriftenlisten.
Ich möchte jedoch gleich voranstellen, dass genau diese Aspekte relativ kleine Mosaiksteine beim Gesamtbild der Bürgerbeteiligung bilden. Bürgerbeteiligung ist nämlich mehr als Quoren und deren Absenkung. Ich denke, da kann ich für fast alle Kolleginnen und Kollegen der Enquete-Kommission sprechen.
Fragen der Beteiligungsgerechtigkeit zum Beispiel sind essenziell. Wen beteilige ich? Wann und wie erreiche ich die unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen? Wie beteiligen wir, ohne dass Menschen mit Behinderungen, Berufstätige, junge Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund ausgeschlossen werden, sondern vielmehr in unsere Beteiligungsprozesse mit eingebunden werden?
Unsere Demokratie- und Beteiligungskultur muss sich diesen, sich in den letzten Jahren entwickelten neuen heterogenen Voraussetzungen für die Beteiligung annehmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Demokratie entwickelt sich weiter.
Auch die Herausforderungen des digitalen Wandels stellen die demokratischen Prozesse vor völlig neue Kommunikations-, Transparenz- und Beteiligungsaufgaben. Politik, Verwaltung, Medien und gesellschaftliche Gruppierungen fast jedweder Art mussten in den letzten Jahren feststellen, dass sich die Anforderungen an unsere Demokratie gewandelt haben, um zugleich aber auch zu erkennen, dass in der Partizipation der Bürgerinnen und Bürger große Chancen liegen und die Einführung direktdemokratischer Elemente nicht das Ende unserer repräsentativen Demokratie bedeuten, sondern im Gegenteil, darin auch eine Chance der Stärkung unserer Demokratie in sich trägt.