Protokoll der Sitzung vom 29.01.2015

Vielleicht gehen wir in der Sache etwas konstruktiver miteinander um.

Wenn es Mängel oder in der Realität Probleme gibt, dann muss man sich denen stellen. Der Kollege hat eben Beispiele angesprochen. Ich glaube, das ist etwas, was wir in den Ausschüssen miteinander sachlich besprechen können.

Es ist so, der Mindestlohn ist ein Paradigmenwechsel, er ist ein guter Paradigmenwechsel. Es ist wie bei jeder großen Reform so, dass man in der Realität sozusagen immer schauen muss, ob es vielleicht Dinge gibt, über die man reden oder bei denen man vielleicht nachsteuern muss. Das haben wir so bei anderen großen Reformvorhaben immer gehabt. Ich glaube, eine gute Politik ist eine Politik, die eine klare Richtung hat, die Verantwortung übernimmt und dann sagt, dass an der einen oder anderen Stelle bei 80 Millionen Bundesbürgern, bei vielen Unternehmen und vielen Arbeitsplätzen im Land nicht immer alles 1 : 1 passen kann. Man nimmt das auf. Man schaut, dass man Probleme gemeinsam löst. Dazu sind wir pragmatisch und verantwortungsvoll bereit.

Ich glaube, der Kern muss klar sein. Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und fällt damit unter den Mindestlohn. Das muss klar sein. Genauso klar ist es auf der anderen Seite, dass ehrenamtliche Tätigkeit ehrenamtliche Tätigkeit ist. Die wollen wir von unnötigen Hür

den befreien. Ich glaube, da müssen wir die Abgrenzung machen und müssen genau schauen, was sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist und was ehrenamtliche Tätigkeit ist. Das war bisher schon definiert, und zwar allein schon bei der Frage der Sozialversicherungsabgaben. Ich glaube nicht, dass das allein ein Problem des Mindestlohngesetzes ist, sondern dass das eine oder andere, was bisher nicht ganz klar war, jetzt erst durch dieses Mindestlohngesetz aufkommt. Die Frage der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung hatten wir vorher schon in vielen Bereichen.

Lassen Sie uns nach konstruktiven Lösungen suchen. Dazu sind wir bereit und dazu, den Mindestlohn in der Umsetzung zu einem Erfolg zu machen.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Sie haben es gehört, der Mindestlohn ist seit dem 1. Januar in Kraft, noch nicht einmal einen Monat. Er bedeutet für 3,7 Millionen Menschen in Deutschland eine deutliche Verbesserung ihrer Einkommenssituation, und er erkennt den Wert der Arbeit gesetzlich an.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Dazu gehört beispielsweise die Arbeit der Paketzusteller und der Zimmermädchen.

Anstatt dieses historische Ereignis zu würdigen, wird von der CDU bereits seit dem ersten Tag nach Argumenten gesucht, um den Mindestlohn und seine Ausgestaltung in Misskredit zu bringen.

(Baldauf, CDU: Sie schicken den Staatssekretär!)

Dabei scheinen die Kolleginnen und Kollegen von der Opposition zu vergessen, der Mindestlohn ist eine gemeinsame Vereinbarung im gemeinsamen Koalitionsvertrag der Großen Koalition auf Bundesebene. Dem vorgelegten Gesetzentwurf hat auch die CDU/CSU-Fraktion in allen Details und Einzelheiten zugestimmt.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Baldauf, CDU: Aber nicht bei der Verordnung!)

Erst stimmen Sie zu, dann treten Sie im ersten Monat schon den Rückzug an.

(Frau Klöckner, CDU: Sehen Sie keinen Änderungsbedarf? – Zuruf des Abg. Bracht, CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit Verlaub, das wirkt jetzt so, als ob sich die CDU dafür revanchieren will, dass sie den gesetzlichen Mindestlohn, mit dem die SPD sich für die Menschen einsetzt, nicht verhindern konnte.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Warum sonst werden nicht einmal einen Monat nach Inkrafttreten des Gesetzes Fragen zu Umsetzungsproblemen so hochgeschaukelt, dass man das Gefühl hat, das Gesetz soll komplett in Frage gestellt werden?

(Bracht, CDU: Das ist doch Kappes!)

Entschuldigung, aber anders ist Ihre Gesprächseinladung, in der Sie nur zur Darstellung von Problemen auffordern, nicht zu verstehen.

(Zuruf des Abg. Bracht, CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine solche Debatte ist nicht nur unredlich, sondern eine solche Debatte verunsichert auch die Beschäftigten und die Unternehmen und fügt dem Gesetz massiven Schaden zu.

Ja, das Mindestlohngesetz legt Dokumentationspflichten und Modalitäten der Auszahlung des Mindestlohnes fest. Ja, diese wirken sich auf den Verwaltungsaufwand der Unternehmen aus. Diese Verpflichtungen dienen aber keinem Selbstzweck. Sie dienen der effektiven Durchsetzung der Zahlung des Mindestlohns und schaffen Rechtssicherheit. Sie sorgen dafür, dass jeder das Gehalt bekommt, das ihm tatsächlich aufgrund der erbrachten Arbeitszeit zusteht, und dieses sowohl für die Beschäftigten als auch für den Zoll überprüfbar ist.

Der Gesetzgeber hat die Belange von Arbeitgebern und Arbeitnehmern sorgfältig und mit Bedacht abgewogen. So werden Aufzeichnungspflichten im Mindestlohngesetz nur für die besonders sensiblen Bereiche der Branchen nach § 2 a des Schwarzarbeitbekämpfungsgesetzes und bei geringfügiger Beschäftigung festgelegt.

Das betrifft beispielsweise – Sie haben es gehört – das Baugewerbe oder das Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe. Diese Branchen und Wirtschaftsbereiche sind von einer hohen arbeitszeitlichen Fluktuation geprägt. Daher hat die Bundesregierung die Interessen der betroffenen Beschäftigten völlig zutreffend höher bewertet als das Interesse der Unternehmen an möglichst wenig Verwaltungsaufwand.

Kolleginnen und Kollegen, die Dokumentation der Arbeitszeiten bei geringfügig Beschäftigten hat zudem den Nebeneffekt, dass der sozialversicherungsrechtliche Status dieser Beschäftigten auf den ersten Blick erkennbar ist; denn unter der Geltung des Mindestlohngesetzes kann der Status als geringfügig Beschäftigter nur aufrechterhalten werden, wenn bei einem Stundenlohn von 8,50 Euro brutto die Stunde eine monatliche Höchststundenzahl von 52 nicht überschritten wird. Da ist doch völlig klar, damit ist eine Dokumentationspflicht der Stundenzahl extrem wichtig. Eine rein arbeitsvertragliche Vereinbarung reicht da doch nicht aus und ist doch gerade in dem Bereich der geringfügig Beschäftigten le

bensfremd. Deshalb ist eine Aufzeichnung erforderlich, Herr Kollege Baldauf.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nur über die tatsächlich geleistete Arbeitszeit kann eine Sicherstellung der Zahlung des Mindestlohns erfolgen. Papier ist bekanntlich geduldig. Deswegen braucht es die tatsächlich geleistete Arbeitszeit.

Schuldig geblieben ist die CDU-Fraktion bislang auch den Nachweis, dass der zusätzliche Verwaltungsaufwand effektive Auswirkungen auf den Bestand des von uns hochgeschätzten klein- und mittelständischen Gewerbes hat. Aber es verwundert nicht, dass dieser Nachweis fehlt; denn das Gesetz ist noch nicht einmal einen Monat in Kraft. Ein Beweis ist damit schlichtweg unmöglich.

Kolleginnen und Kollegen, der einmalige Aufwand, den Sie in Ihrem Antrag benennen, der beispielsweise für die Umstellung der Lohnbuchhaltung entsteht, kann doch nicht ernsthaft dazu führen, dass wir künftig keine Gesetze mehr zum Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erlassen dürfen.

Auch die letzte Forderung im CDU-Antrag nach einer früheren Evaluierung des Mindestlohngesetzes unmittelbar nach Inkrafttreten ist weder sachgerecht noch zielführend; denn im Mindestlohngesetz ist festgelegt, dass die Mindestlohnkommission laufend die Auswirkungen des Mindestlohns kontrolliert. Die Erkenntnisse werden der Bundesregierung in einem Bericht alle zwei Jahre zur Verfügung gestellt. Ergeben sich in diesem Bericht Anknüpfungspunkte, die eine frühere Evaluation erfordern, wird man sich dann mit der Frage erneut auseinandersetzen. Ihre Aufforderung zu einer frühen Evaluation 29 Tage nach Inkrafttreten bedarf es daher gar nicht. Die Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag haben dazu bereits ein Verfahren beschlossen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie dürfen versichert sein, dass die Landesregierung gerade den Mittelstand, der das Rückgrat der rheinland-pfälzischen Wirtschaft ist, stets im Blick hat, die Sorgen und Bedenken sehr ernst nimmt und auch den Klärungsbedarf, den es an einigen Punkten durchaus gibt, ernst nimmt und diesem konstruktiv begegnet und aktiv nachkommt: mit Gesprächen und mit Informationen, aber nicht mit einer Scheindebatte. um ein neues Gesetz schlechtzureden und damit auch noch Chancen, die den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern hier geboten werden, zu vernichten. – Wir stellen uns dem Klärungsbedarf in der Debatte konstruktiv. Das ist für uns der richtige Ansatz.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Baldauf, CDU: Ach ja!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu einer Kurzintervention erteile ich der Abgeordneten Frau Hedi Thelen das Wort. Darüber hinaus haben die Fraktionen durch die

Redezeit der Landesregierung noch jeweils 2 Minuten Redezeit. Zunächst kommt jedoch die Kurzintervention.

Sehr geehrte Frau Ministerin, ich will eines klarstellen und eines erwidern. Natürlich begrüßt auch die CDU grundsätzlich das Mindestlohngesetz,

(Pörksen, SPD: Was heißt hier „grundsätzlich“?)

sonst hätte es die CDU im Bund nicht mit in die Koalitionsvereinbarungen genommen und in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben und hätte dieses Gesetz nicht im Bundestag beschlossen.

(Beifall der CDU)

Sehr geehrte Frau Ministerin, ich weise aber Ihre Rechtfertigung für diesen verrückten, in meinen Augen wirklich verrückten und arbeitsplatzschädlichen Aufwand in der Umsetzung dieses Gesetzes zurück.

(Frau Klöckner, CDU: Lächerlich! – Schweitzer, SPD: Das hatten wir doch alles schon!)

Ich halte es für richtig und wichtig, dass wir schnell darangehen, das, was jetzt in der Umsetzung meines Erachtens wirklich nicht im Sinne der Arbeitnehmer geschieht, dringend zu überarbeiten.

(Beifall der CDU – Frau Klöckner, CDU: Richtig!)

Ich will Ihnen das begründen. Da wüsste ich auch gern, wie Sie das bewerten. Bevor Sie hier Ministerin wurden, waren Sie einige Jahre – man kann schon fast viele Jahre sagen – Mitglied des Bundestages. Sie wissen daher selbst, dass es schon viele gesetzliche Mindestlöhne über das Entsendegesetz gibt,

(Frau Klöckner, CDU: Alle von der CDU eingeführt!)

auch für die sogenannten sensiblen und schwierigen Branchen im Reinigungsgewerbe, im Sicherheitsgewerbe, im Pflegebereich,