Protokoll der Sitzung vom 29.01.2015

Ich darf zunächst Gäste im Landtag begrüßen, und zwar die Freie Wählergruppe Großkarlbach e. V. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Für die Fraktion der SPD hat Herr Abgeordneter Schweitzer das Wort.

Lieber Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal der zuständigen Ministerin Irene Alt für diese Regierungserklärung ganz herzlich danken.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Es ist eine Regierungserklärung – das darf ich sagen –, die wir alle miteinander nicht ohne gewisse Erwartungen erwartet haben. Ich will Ihnen sagen, es war eine klare und starke Regierungserklärung.

(Baldauf, CDU: Welche? – Bracht, CDU: Bemerkenswert, dass man das ausdrücklich sagen muss!)

Lassen Sie mich auch sagen, es ist deutlich geworden, dass eine Ministerin gesprochen hat, die dieses Thema mit Engagement und persönlichem Herzblut immer wieder bearbeitet. Das ist gut so, gerade in diesen Zeiten, in denen Politik manchmal sehr nüchtern bis verbittert daherkommt.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich den Rahmen etwas weiter fassen. Wir haben bei einigen Tagesordnungspunkten, über die wir gestern gesprochen haben, auch das Thema Europa immer wieder im Munde geführt. Wir haben darüber nachgedacht, was bedeuten die Pariser Attentate mit Blick auf die Grundwerte, die uns in Europa zusammenbringen und einen. Kraft der Solidarität, Einigkeit, Freiheit, Gleichheit waren die Stichworte, die wir gestern im Mund hatten, meine Damen und Herren.

Wenn wir heute über das Thema Flüchtlinge und Asylbewerberinnen und Asylbewerber sprechen, dann geht es nicht ohne eine europäische, gar eine weltweite Perspektive, und diese Grundwerte, auf die wir gestern

gemeinsam den Stolz formuliert haben, die sind doch immer wieder vor Lampedusa und im Mittelmeerraum doch in einer Abwägung zwischen Grundwerten in Sonntagsreden und Realität, meine Damen und Herren.

Europa hat die Pflicht, diesen Flüchtlingen, die weltweit in Bewegung sind – die Zahlen sind uns bekannt; niemals waren mehr Menschen in Bewegung seit dem Zweiten Weltkrieg als heute –, eine Perspektive zu bieten. Es ist eine Perspektive, die wir in Europa, in Deutschland und auch in Rheinland-Pfalz, bei uns im Land, bieten wollen, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Darum ist es gut, dass wir gerade heute über dieses Thema sprechen, weil wir heute im weiteren Verlauf der Tagesordnung auch über unsere Verantwortung in Rheinland-Pfalz und in Deutschland gemeinsam im europäischen Kontext zum Thema Entwicklungszusammenarbeit sprechen.

Es kann doch keine wirklich sinnvolle flüchtlingspolitische Debatte geben, ohne dass wir darüber nachdenken, wo die Strategien sind, um Fluchtursachen zu bekämpfen, Menschen in ihrem Heimatland die Perspektive zu bieten, die sie brauchen, die sie wollen, weil keiner geht gerne von zu Hause weg. Keiner schnappt sich seine Kinder und alles, was sein Leben bis dato ausgemacht hat und sagt, lasst uns in eine unbestimmte Zukunft, wo auch immer, gehen, sondern die Menschen wollen in der Mehrzahl dort bleiben, wo sie sind. Sie können es nicht, und wir können einen Teil über Entwicklungszusammenarbeit und gemeinsame Wirtschaftspolitik dazu beitragen, um diesen Menschen in ihrer Heimat eine Perspektive zu bieten. Auch diese Rahmensetzung gehört zu einer solchen Debatte, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich bin sehr froh, und Irene Alt hat darauf hingewiesen, dass wir bei den Zahlen, mit denen wir zurzeit zu tun haben – – – Sie sind für Rheinland-Pfalz genannt worden. Sie sind annähernd wieder in der Größenordnung, die wir zu Beginn der 90er-Jahre hatten, in RheinlandPfalz, auch in Deutschland.

Ich bin sehr froh, dass wir mit dem Blick zurück in diese Zeit aber sagen können, es ist gut, dass wir über diese Dinge in einem ganz anderen gesellschaftlichen Klima sprechen können.

Ich habe damals schon ehrenamtlich Politik gemacht. Es hat mich politisiert, was damals auf deutschen Straßen los war, als Menschen bedroht wurden, als sie angegriffen wurden, weil sie zu uns gekommen sind, als sie persönlich mit Leib und Leben in Bedrohung geraten sind, meine Damen und Herren.

Es ist gut, dass wir trotz Pegida und all den Phänomenen, über die wir schon gesprochen haben, doch heute eine grundsätzliche Akzeptanz für Menschen haben, die – aus welchen Gründen auch immer – zu uns kommen,

die unsere Unterstützung, unsere Hilfe brauchen. Das ist etwas, das als gemeinsames Signal aus einer solchen Debatte heute hervorgehen sollte.

(Beifall der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Es ist nicht so, dass die Menschen sagen, es ist in Ordnung, ich habe nichts dagegen, dass Menschen zu uns kommen und bei uns in der Region, in der Nachbarschaft leben, sondern sie sind sehr engagiert. Bürgerinnen und Bürger machen sich auf den Weg, klopfen an und fragen: Ihr seid jetzt zu uns gekommen, ihr habt Kinder – braucht ihr Spielzeug? Braucht ihr warme Kleidung? Wollt ihr gemeinsam mit unseren Kindern auf den Bolzplatz gehen? Habt ihr denn Lust, euch zu engagieren, zu integrieren?

Es gibt die Initiativen, es gibt Vereine. Übrigens, bei den Vereinen sind viele schnell gewesen, vielleicht auch ein bisschen aus der Wahrnehmung heraus, na, wenn die da kommen, sportlich sieht mancher schon aus, den holen wir uns gleich einmal ins Training.

Das ist doch gut. Über Sport funktioniert doch viel Integration. Und viele haben gesagt, dann nehmen wir vielleicht den Meister mit seinem Betrieb aus dem Dorf gleich mit. Der sucht nämlich vielleicht noch einige Auszubildende.

Das ist Integration, ganz pragmatisch, ganz klassisch, wie sie in Rheinland-Pfalz zu uns gehört. Darüber sind wir doch gemeinsam froh, meine Damen und Herren.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Manches Engagement ist wirklich anrührend. Ich habe mir schon vor Weihnachten die engagierten Bürgerinnen und Bürger meiner Heimatstadt Bad Bergzabern angeschaut, die in einem Orientierungskreis unterwegs sind, die gesagt haben, wir bieten Deutschkurse an. Wir nehmen die Menschen einmal mit, egal aus welchem Land sie kommen, wenn es um die Möglichkeit geht, sich in einer Verwaltung zu artikulieren und ihre Wünsche zu äußern. Das ist ganz praktisches bürgerschaftliches Engagement.

Ich will sagen, dass ich es beeindruckend finde, wie sich auch die Kirchen und die Wohlfahrtsverbände in diesen Tagen engagieren. Wir saßen gestern gemeinsam – manche von uns standen auch – beim Parlamentarischen Abend der Liga der Freien Wohlfahrtspflege. Sie sind schon sehr nah an den Bedürfnissen dran und formulieren klar, dass es die Herausforderung für das soziale Miteinander in Rheinland-Pfalz und in Deutschland wird: Wie gehen wir mit Flüchtlingen um? Welche Rahmensetzungen formuliert der Staat? Was macht die Politik? Auch: Welcher Zungenschlag kommt von der Politik in die Debatte, und wie schaffen wir diese Herausforderungen gemeinsam?

Ich finde, das ist ein Schatz in unserer Gesellschaft, den wir hüten und bewahren und nicht durch falsche Polarisierung im politischen Raum aufs Spiel setzen sollten. Eine gemeinsame Verantwortung, keine falsche Polari

sierung – wir würden viel aufs Spiel setzen, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich bin sehr froh, dass Irene Alt den Rahmen gesetzt hat, was die staatliche Ebene angeht. Natürlich ist es so, wenn eine Landesministerin für die Landesregierung spricht, dass sie zunächst einmal schildert, was Landesregierung, Landpolitik in diesem Bereich schon erarbeitet oder sich noch vorgenommen haben.

Ich will auf das eine oder andere hinweisen. Zunächst einmal geht es um die intensive Suche nach weiteren Standorten für Erstaufnahmeeinrichtungen. Dazu sind wir in Gesprächen: in Kusel, in Hermeskeil, die Kapazitäten in Trier und in Ingelheim sind erweitert worden.

Meine Fraktion war deutlich vor der Jahreswende in den Einrichtungen und hat sich umgeschaut, Gespräche geführt, viele Impulse mit aufgenommen. Wir haben gesehen, wir brauchen weitere Kapazitäten. Ich bin sehr froh, dass Irene Alt vor Ort gegangen ist, mit 700 Bürgerinnen und Bürgern darüber nachgedacht und gesprochen hat, was es an Voraussetzungen geben muss.

Es ist das klare Bekenntnis dieser Landesregierung, natürlich muss eine solche Stadt unterstützt werden. Es ist doch auch völlig legitim, wenn die Stadt dann auch Anforderungen formuliert. Infrastruktur, Bildung, Integration, das kommt schließlich nicht einfach so daher.

Liebe Irene Alt, ich glaube, wir wären ein ganzes Stück weiter, wenn man zwischen den berechtigten Anliegen der Stadt und der Landesregierung nicht noch einen gehabt hätte, der sich zum Verhandlungsführer gemacht hat, Herr Schartz, der Landrat.

(Zurufe von der SPD: Ah ja!)

Er ist aber nicht nur Landrat, er darf sich auch stellvertretender Parteivorsitzender der CDU in Rheinland-Pfalz nennen.

(Pörksen, SPD: Das ist aber nur Zufall!)

Er hat ein Schreiben formuliert. Das hat auch Eingang in die Berichterstattung gefunden.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Frau Klöckner, Sie sind amüsiert, ich hoffe Sie sind es gleich immer noch, wenn ich Ihnen einen Kommentar vorlese.

Ich will Ihnen schon deutlich sagen, was der „Trierische Volksfreund“ zu diesem Verhandlungsangebot des Herrn Landrat formuliert hat. Das kann man eigentlich so stehen lassen und vielleicht auch unterstreichen.

Hermeskeil – ich zitiere den Kommentar – soll in einer seit Jahren zum großen Teil leer stehenden Kaserne Asylbewerber aufnehmen und will sich das vom Land teuer bezahlen lassen. So klingen die teilweise utopischen Forderungen, die die Stadt der Landesregierung

für ein positives Signal aus dem Stadtrat gestellt hat. – Zitat Ende.

Wohlgemerkt, neben den städtischen Forderungen ist noch etwas dazugekommen, das der Landrat hineinformuliert hat.

Ich zitiere weiter: Dass dieser Handel auf dem Rücken von Menschen ausgetragen werden soll, die in ihrer Heimat verfolgt, bedroht oder fast getötet worden sind, scheint dabei nebensächlich zu sein.

(Pörksen, SPD: Bei anderen auch!)

Hier werden Menschen nicht mehr als solche wahrgenommen, sondern nur als Mittel zum Zweck, als Nummer, als Sache, als notwendiges Übel. Das ist keines Menschen würdig. – Zitat Ende.