Protokoll der Sitzung vom 26.02.2015

Frau Thelen, wir haben bei dem Beispiel, das Sie genannt haben, die entsprechende Erfahrung gemacht, dass auch dort – wie man so schön sagt – der Fisch vom Kopf her stinkt und es durchaus auch vom Träger abhängig ist, wie die entsprechende Personalausstattung ist, wie die Menschen eingesetzt werden und vor allem auch, wie sie sich einsetzen können, was oft angesichts des Zeitmangels gar nicht möglich ist.

Die Qualitätsprüfungen dürfen auch nicht zum Anlass genommen werden, Druck auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu machen; vielmehr brauchen wir in den Pflegeeinrichtungen ein fehlerfreundliches Klima, in dem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf ihre eigenen Fehler sowie auf Fehler des Systems aufmerksam machen können und nicht als Nestbeschmutzer beschimpft werden, sondern als diejenigen gesehen werden, die letzten Endes das größte Interesse daran haben, dass ihre Arbeit gut erledigt werden kann und auch die entsprechenden Effekte hat. Pflegebedürftige und ihre Angehörigen brauchen aber auch Informationen, und Informationen sind nur dann sinnvoll, wenn sie auch die Qualität widerspiegeln.

Frau Thelen, natürlich haben Sie recht: Der Evaluationsbericht zum LWTG hat offengelegt, dass auch in Rheinland-Pfalz die entsprechende Qualitätsbeurteilung nicht in der Weise zugänglich ist, wie sie zugänglich sein sollte. Was Sie aber nicht erwähnt haben, ist, dass dies nur komplementär zu den MDK-Begutachtungen zu sehen ist, die ohnehin in diesen Einrichtungen durchgeführt werden.

Natürlich können wir diese führenden MDKBeurteilungen, die aktuell in der Kritik stehen, die diesen Benotungsfehler haben und den Ausgleich von Mängeln dadurch herbeiführen können, dass in anderen Bereichen bessere Noten erreicht werden, nicht anstehen lassen. Natürlich ist das bundesweit in der Diskussion, und es ist auch vollkommen richtig, dass wir zu einem wissenschaftlichen Verfahren kommen müssen, das letzten Endes auch wirklich Pflegequalität abbildet und das zusammen mit der in Rheinland-Pfalz übrigens vorbildlich ausgebildeten Pflegeberatung den Leuten auch den Zugang ermöglicht, zum einen diese Informationen leicht zu erreichen und zum anderen auch Nachfragen entsprechend vor Ort bei den Pflegestützpunkten in der Pflegeberatung zu klären.

Es muss der Fairness halber auch erwähnt werden, dass der damalige Zeitrahmen bei Einführung des sogenannten Pflege-TÜV ein wissenschaftlich fundiertes Verfahren in der Form, wie es gewünscht war, nicht

zugelassen hat. Allerdings ist das nun schon sieben Jahre her, und man könnte jetzt auch zu einem entsprechenden Verfahren kommen.

Ja, es betrifft gerade die Berichte für Angehörige und Betroffene, die in der Kritik stehen. Wir dürfen nicht davon ausgehen, dass MDK und Landesprüfbehörde keine angemessene Qualitätsbeurteilung machen. Frau Thelen, das geht aber auch aus der Evaluation so nicht hervor; das ist nicht wahr. Die Landesprüfbehörde – gerade Ihr genanntes Beispiel zeigt es – ist durchaus in der Lage, Pflegemängel aufzudecken, und sie funktioniert auch. Diese Landesprüfbehörde steht eben in der Verantwortung des Sozialministeriums in RheinlandPfalz, und das Ministerium tut auch in dieser Beziehung seine Arbeit. Ihre Kritik geht insofern ins Leere.

Im Übrigen sehe ich nicht, was Sie an unserem Antrag eigentlich zu bemängeln hätten, außer dass er die Bundesregierung anspricht. Also können Sie beiden Anträgen zustimmen, wir beschränken uns auf unseren.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die Landesregierung spricht nun Frau Staatsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich danke den Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für diesen Antrag. Er gibt uns nämlich die Möglichkeit, die Aufmerksamkeit auf ein Thema zu richten, das bis Ende letzten Jahres bundespolitisch leider ein wenig in den Hintergrund getreten war: die Qualitätsbeurteilung oder die Qualitätsberichterstattung in der Pflege.

Besonders im Fokus steht dabei die Veröffentlichung der Pflegenoten, der sogenannte Pflege-TÜV. Meine Damen und Herren, die Debatte um die Pflegenoten ist nicht neu. Sie wurde insbesondere zu Beginn der Veröffentlichung intensiv und sehr kritisch geführt, gerade auch bei uns in Rheinland-Pfalz.

Aber ein Aspekt liegt mir bei dieser Diskussion sehr am Herzen. Wir sollten uns nicht auf die Überlegung konzentrieren, ob die Pflegeeinrichtungen mit Blick auf die stetig besser werdenden Noten mittlerweile viel zu gut bewertet werden. Vielmehr sollte es um die Frage gehen, wie die gute Arbeit, die die große Mehrheit der Einrichtungen und Dienste leistet, sachgerecht und transparent abgebildet werden kann. Was wir nämlich keinesfalls brauchen, ist eine Misstrauenskultur gegenüber den stationären Pflegeeinrichtungen und ambulanten Pflegediensten und damit letztlich gegenüber den engagierten Pflegekräften in unserem Land.

Diesem Gedanken Rechnung tragend überlegen wir aktuell im Ordnungsrecht, also dem Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe, das bisherige Instrument der unangemeldeten jährlichen Regelprüfung der Einrichtungen zu verändern.

Stattdessen wollen wir den Ansatz der begleitenden Beratung zur Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität in Einrichtungen als Grundprinzip verankern. Unser Ziel ist es, die Einrichtung in ihrer Qualitätsverantwortung zu stärken und zu fördern; denn ich bin davon überzeugt und teile die Auffassung von Herrn Kollegen Dr. Konrad, dass Qualität in einer Einrichtung nicht hineingeprüft werden kann. Damit würden wir ein neues Prinzip des Vertrauens in Kompetenz und Verantwortlichkeit der Einrichtung prägen, das natürlich, liebe Frau Kollegin Thelen, kein blindes Vertrauen sein darf.

Bei Beschwerden oder Hinweisen auf Mängel oder Gefahren wollen wir nach wie vor unmittelbar handeln. Wenn nötig, soll das Instrument der unangemeldeten Prüfung und der entsprechenden Maßnahmen, die wir ebenfalls im Ordnungsrecht verankert haben, uneingeschränkt zum Einsatz kommen; denn die Qualitätsverantwortung liegt eindeutig beim Träger einer Einrichtung. Er ist sowohl über das LWTG als auch über das XI. Sozialgesetzbuch verpflichtet, die Qualität der Pflege sicherzustellen.

Den Vorwurf im Alternativantrag der CDU, dass die Landesregierung in diesem Bereich Defizite zu verantworten hat, weise ich klar zurück; denn in den letzten vier Jahren hat die Landesregierung diese Fragen in transparenten und partnerschaftlichen Prozessen initiativ aufgegriffen und öffentlich diskutiert und beraten.

(Frau Thelen, CDU: Wie viel Berichte haben Sie denn veröffentlicht?)

Die wissenschaftliche Begleitung dieser Prozesse hat bestätigt, dass eine vergleichbare Berichterstattung erst dann möglich ist, wenn es wissenschaftlich belastbare und allgemein anerkannte und damit auch vergleichbare Kriterien der Qualität im Bereich der Pflege gibt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Begleitforschung hat auch festgestellt, dass Verbraucherinnen und Verbraucher keinen Qualitätsbericht oder Prüfbericht, sondern für sie klar verständliche und konkret nutzbare Informationen wollen.

Neben der berechtigten Diskussion über Bewertungsregeln, Kriterien und Indikatoren im Rahmen der Qualitätsberichterstattung über Pflegeeinrichtungen gibt es einen weiteren effektiven Weg, Transparenz herzustellen, nämlich die Öffnung der Einrichtung in das jeweilige Wohnquartier. Je mehr Menschen aus den Gemeinden und Städten in die Einrichtung gehen, beispielsweise um die Einrichtung ehrenamtlich zu unterstützen oder im Rahmen gemeinsamer Aktivitäten und Feste, desto eher entwickelt sich vor Ort ein realitätsnahes Bild von der Qualität des Angebots, das im Bekanntenkreis weitergegeben und verbreitet wird.

Rheinland-Pfalz ist hier auf dem richtigen und guten Weg; denn das LWTG fördert bereits heute, dass sich stationäre Einrichtungen in das Wohnquartier hinein

öffnen müssen. Die Einrichtungen setzen dies auch in vielfältiger Weise um.

Meine Damen und Herren, trotz der Entwicklung, die ich gerade skizziert habe, bin ich sehr dafür, auch künftig ergänzend Informationen über die Qualität ambulanter Dienste oder stationärer Einrichtungen zu veröffentlichen. Dazu benötigen wir aber ein grundlegend anderes System als die heutigen Pflegenoten. Mit ein wenig Kosmetik an dem gegenwärtigen Verfahren kommen wir überhaupt nicht weiter.

Die Länder haben in der Arbeits- und Sozialministerkonferenz im Jahr 2013 deutlich formuliert, wie eine solches Veröffentlichungsverfahren zu entwickeln ist. Die eindeutige Botschaft ist, dass der Gesetzgeber sich nicht aus der Verantwortung nehmen darf, indem er die Ausgestaltung komplett der Selbstverwaltung, also insbesondere den Pflegekassen und den Verbänden der Pflegeeinrichtungen überlässt.

Die Grundlagen eines Veröffentlichungssystems müssen im Gesetz selbst geregelt werden. Es bedarf hier konkreter Vorgaben zu den Inhalten der Veröffentlichung und zum Bewertungssystem, erarbeitet von einem fachlich unabhängigen Gremium mit pflegewissenschaftlicher Expertise.

Wie gesagt, das haben die Länder schon im Jahr 2013 mehrheitlich gefordert. Da erscheint es – mit Verlaub – ein wenig seltsam, wenn Ende des Jahres 2014 und Anfang dieses Jahres nun der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung und der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion die Pflegenoten für gescheitert erklären, sich teilweise die Forderungen der Länder zu eigen machen und öffentlichkeitswirksam als total neu verkaufen.

Meine Damen und Herren, in wenigen Monaten beginnt auf Bundesebene das nächste Reformvorhaben in der Pflege. Ich erwarte vom Bundesgesundheitsminister, dass dieses Gesetz tragfähige und substanzielle Maßnahmen enthält, um die heutigen Pflegenoten durch ein neues System abzulösen. Dieses System darf nicht länger nur vorgeben, Qualität zu messen, es muss auch tatsächlich ein relevanter Baustein für die Information über Einrichtungen und Dienste sein.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, durch die Redezeit der Landesregierung stehen den Fraktionen noch jeweils 2 Minuten Redezeit zur Verfügung. – Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen.

Wir kommen zur Abstimmung über die Anträge. Wir stimmen zunächst über den Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Qualitätsbeurteilung in der Pflege nutzbar machen“ – Drucksache 16/4627 – ab. Wer diesem Antrag zustimmen möchte,

den bitte ich um das Handzeichen! – Wer ist dagegen? – Damit ist der Antrag mit den Stimmen der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU angenommen.

Wir stimmen nun über den Alternativantrag der Fraktion der CDU „Qualitätsbeurteilung in der Pflege verbessern“ – Drucksache 16/4674 – ab. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen? – Damit ist der Antrag mit den Stimmen der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU abgelehnt.

Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf:

Sprache als Schlüssel zur Integration für neu ankommende Flüchtlinge und Asylbewerber Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 16/4619 –

Sprachförderung für alle Flüchtenden von Ankunft an Antrag (Alternativantrag) der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/4676 –

Es ist eine Grundredezeit von 5 Minuten vereinbart worden. Das Wort hat Frau Kollegin Kohnle-Gros.

(Haller, SPD: Du bist ja im Dauereinsatz!)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, jetzt kommt die Nagelprobe zur Debatte von heute Morgen, ob wir tatsächlich auch an einer Stelle – eine breite Stelle, wie ich zugeben muss, nämlich bei der Sprachförderung für neu ankommende Flüchtlinge und Asylbewerber – über die Sache diskutieren können.

Ich möchte damit anfangen, dass wir am 18. Februar, also vor einer Woche, unseren Antrag eingebracht haben. Natürlich haben wir insbesondere Erkenntnisse aus dem Flüchtlingsgipfel vom 15. Januar 2015 verwertet. Wir haben aber natürlich noch einmal recherchiert, wie es denn im Land und in den Ländern um uns herum mit der Sprachförderung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene steht.

Sie haben inzwischen – gestern oder heute Morgen – einen eigenen Antrag eingebracht. Ich habe gestern schon zu den Kolleginnen und Kollegen gesagt, ich rechne damit, dass Sie einen Antrag einbringen werden. Ich habe schon einmal gesagt, dass ich heute Nacht im Internet recherchiert und gesehen habe, dass Frau Staatsministerin Reiß gestern in ihrem Ministerium einen Zehn-Punkte-Katalog zur Sprachförderung eingestellt hat, was den schulischen Bereich anlangt. Frau Ministerin Alt hat auch etwas zu Kitas und anderen Dingen gesagt. Ich war mir daher ziemlich sicher, dass da heute etwas kommt.

Ich sage jetzt vielleicht einmal etwas, was Sie so nicht erwarten. Wir sind froh, dass Sie sich auf den Weg gemacht haben,

(Beifall der CDU)

dass Sie ein Stück von dem, was wir jetzt hier eingefordert haben, umgesetzt haben.

(Frau Klöckner, CDU: Endlich!)

Wir haben in diesem Antrag nicht viel kritisiert, wenn Sie ehrlich und objektiv sind, sondern wir haben einfach gesagt, wir brauchen eine neue Schwerpunktsetzung in diesem Bereich für Kinder und Jugendliche, die aus Flüchtlingsfamilien kommen, aber auch für Erwachsene.

Jetzt lassen Sie mich ein paar wenige Dinge sagen, die ich nicht in Ihrem Änderungsantrag zu unserem Antrag finde und über die wir, wenn Sie das so mitmachen, in den beiden Ausschüssen für Bildung und Integration noch einmal im Detail miteinander sprechen können. Ich bin da wirklich offen und möchte mir das noch einmal im Einzelnen anhören und anschauen, was Sie dort planen.

Was mir ein Stück weit fehlt, sind Analphabeten. Es sind vor allem Frauen, aber auch Kinder dabei, die aufgrund der Kriegs- und Flüchtlingssituation keine Gelegenheit hatten, in die Schule zu gehen. Es stellt sich die Frage, wie wir damit verstärkt umgehen wollen.