Es ist nichts geschehen. Das kommt mir so vor wie ein Schüler, der einen blauen Brief erhält, dem Lehrer schreibt, er strenge sich jetzt an, und wenn er dann nicht versetzt wird, sich rechtfertigt, er habe mit dem Lernen gewartet, weil der Lehrer ihm keinen Antwortbrief geschrieben habe.
In den meisten Einrichtungen der Behindertenhilfe und der Wohlfahrtsverbände haben inzwischen Geschäftsführer eine betriebswirtschaftliche Ausbildung kombiniert mit einer sozialwirtschaftlichen. Dort werden alle Instrumente von Benchmarking, Controlling, Effizienzanalyse usw. gelebt.
Selbstverständlich verstehen diese Einrichtungen sich neben ihrem ganz hohen ideellen Anspruch auch als Wirtschaftsunternehmen. Auf der anderen Seite sitzt das Ministerium, das – so heißt es in der Antwort – nach dem Prinzip der Freiwilligkeit und des Einvernehmens
Ein weiterer Punkt, den ich nur andeute, der sich durch die Antworten zieht, ist der Hinweis auf die Neuordnung des Kommunalen Finanzausgleichs.
Kein Wort auch hier, dass der Ausgleich aus einem Topf ist, der den Kommunen zusteht, und es sich rein um eine Umverteilung handelt. Das Ganze heißt für uns, wir warten gespannt auf das, was in den nächsten Monaten an angedeuteten Steuerungsmaßnahmen kommt. Sie sind nötig und wichtig.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Wieland, man hätte damit rechnen können, dass Sie genau das eine herausziehen, nämlich die Werkstätten, und dann die Kritik aus dem Rechnungshofbericht anführen. Wir hatten das Thema im letzten Sozialpolitischen Ausschuss und haben darüber diskutiert. Sie wissen ganz genau, dass die Ministerin zugesagt hat, dass wir jetzt sehr intensiv darüber diskutieren und es uns sehr genau anschauen. Aber so weit sind wir im Moment noch nicht. Deshalb sprechen wir heute über die Entwicklung der Eingliederungshilfe, und da möchte ich schon noch ein paar grundsätzliche Anmerkungen machen.
Die UN-Behindertenrechtskonvention konkretisiert die universellen Menschenrechte für Menschen mit Behinderungen und stellt klar, dass diese ein uneingeschränktes und selbstverständliches Recht auf Teilhabe haben. Dabei ist Inklusion ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Pfeiler. Wir haben heute schon öfter in anderen Zusammenhängen darüber geredet. Hierbei geht es nicht darum, dass sich der eine oder die Einzelne anpassen muss, um teilhaben zu können. Es geht darum, dass sich unsere Gesellschaft öffnet und in allen Bereichen der Leitsatz gilt, dass jede und jeder Einzelne wertvoll ist mit den jeweiligen Fähigkeiten und Voraussetzungen.
Ein wichtiges Instrument hierbei ist die Eingliederungshilfe. Ziel ist es, den Menschen mit Behinderung die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen und darüber hinaus eine Eingliederung in das Berufsleben in Form einer angemessenen Berufsausübung zu gewährleisten. Damit ist dies eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, und deshalb ist ein Bundesteilhabegesetz dringend notwendig.
Zum Glück hat in den letzten Jahren ein deutlicher Paradigmenwechsel stattgefunden. Statt der Gewährung pauschaler fürsorglicher Hilfen ist jetzt die passgenaue, den individuellen Bedarfen und Bedürfnissen entsprechende Unterstützungsleistung mit den Aspekten der Teilhabe, der Gleichstellung und der Selbstbestimmung in den Vordergrund gerückt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, 2013 wurden in Deutschland 15,6 Milliarden Euro für die Eingliederungshilfe ausgegeben, 2003 waren es nur rund 10 Milliarden gewesen. Die Zahl der Empfänger stieg im gleichen Zeitraum von 600.000 auf 830.000. Der medizinische Fortschritt hat zum Glück dazu geführt, dass zum einen die Kinder, die mit Behinderung geboren werden, frühzeitig behandelt werden, und zum anderen Menschen mit Behinderung auch aufgrund der deutlich verbesserten sozialen Situation ein Lebensalter erreichen, das weitgehend dem von Menschen ohne Behinderung entspricht. Zudem werden heute Angebote der Eingliederungshilfe viel früher wahrgenommen. So hat sich die Zahl der leistungsberechtigten Menschen deutlich erhöht mit der Folge eines Anstiegs auch bei den Kosten.
Die Erfolge im Bereich der Eingliederungshilfe zeigen sehr deutlich, dass diese Gelder gut angelegt sind. Gerade die ambulanten Leistungen sollten noch weiter ausgebaut werden. Mit der Einführung des persönlichen Budgets, der Hilfe nach Maß für Menschen mit Behinderung und des Budgets für Arbeit hat Rheinland-Pfalz eine bundesweite Vorreiterrolle übernommen. Auch das Projekt Übergang Schule – Beruf und das Betreute Wohnen tragen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben der Menschen mit Behinderung bei.
In dem Maße, wie unsere Gesellschaft einem stetigen Wandel unterliegt, müssen auch die Leistungen auf die veränderten Rahmenbedingungen hin überprüft werden. Wir begrüßen es daher außerordentlich, dass auf Bundesebene eine weitere inhaltliche Entwicklung der Eingliederungshilfe vorgenommen wird. Neben der angepassten Ausgestaltung sollen aber auch in dem neuen Bundesteilhabegesetz, das für 2016 geplant ist, die finanziellen Rahmenbedingungen bei den Hilfen für behinderte Menschen neu geregelt werden; denn wenn der Bund die Kosten der Eingliederungshilfe tragen würde, könnten die Kommunen damit spürbar und dauerhaft entlastet werden.
Gerade bei dieser Aufgabe handelt es sich um eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung – das möchte ich noch einmal betonen: gesamtgesellschaftlich –, die auf einer gesamtgesellschaftlichen und staatlichen Finanzierung fußen muss, um eine konkrete Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit Behinderung und deren umfassende Unterstützung zu erreichen.
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Wieland, es ist tatsächlich so, dass Sie sehr viele Zahlen abgefragt und viele Antworten bekommen haben. Sie stellen das insofern nicht ganz richtig dar. Zum Beispiel sind die anteiligen Kosten der Werkstätten für behinderte Menschen an den Gesamtausgaben der Eingliederungshilfe für Rheinland-Pfalz mit 28,1 % vergleichbar mit denen anderer Flächenländer, beispielsweise Nordrhein-Westfalen 27,4 %, Schleswig-Holstein 28,8 %, Saarland 34,8 %. Das heißt, unabhängig davon, wie die Organisation in den jeweiligen Ländern ist, also wie die Verantwortungsstruktur ist, ist das in etwa gleich.
Beim ambulanten Wohnen ist es so, dass RheinlandPfalz bei den Flächenländern ebenfalls etwa in der Mitte liegt, was den Anteil an den Eingliederungshilfekosten angeht. Beim stationären Wohnen liegt Rheinland-Pfalz bei 63,7 %, Thüringen hat den geringsten Kostenanteil mit 57,5 %, Bayern 67,2 %. Alles das haben Sie als Antworten bekommen. Aus all dem hätten Sie auch etwas machen können, sind aber etwas davon abgewichen.
Tatsache ist natürlich, wir haben derzeit keine belastbaren Zahlen für den Kennzahlenvergleich auf Bundesebene. Das wissen Sie, Sie haben nämlich mit den Regierungsfraktionen zusammen für die Einführung des § 8b in das Ausführungsgesetz des Sozialgesetzbuches XII gestimmt, der mittlerweile § 9 geworden ist, in dem nämlich die entsprechende Berichterstattung der Kommunen an das Land zunächst geregelt worden ist.
Das heißt, das, was Sie verbreitet haben, war zum Teil richtig, aber Sie hätten auch die Daten, die wir haben, interpretieren können. Da liegt Rheinland-Pfalz in etwa in der Region wie andere Flächenländer auch.
Sie haben auch gefragt – was ich viel wichtiger finde –, was für die Landesregierung am dringendsten ist. Da hat die Landesregierung geantwortet, am dringendsten ist die inhaltliche Weiterentwicklung. Auf diese Fragen, die Sie offen gestellt haben, die auch nur einen kleineren Teil Ihrer Anfrage ausgemacht haben, hat die Landesregierung sehr ausführlich geantwortet.
Es geht nämlich tatsächlich darum, dass wir in der jetzigen Phase etwas zu Ende bringen, wenn das Bundesteilhabegesetz kommt, was uns als Paradigmenwechsel die letzten 15 Jahre begleitet hat.
Das ist die Umstellung vom Fürsorgeprinzip auf das Teilhabeprinzip. Sie haben die UN-Behindertenrechtskonvention als einen wirklich wichtigen historischen Schritt dabei genannt.
Natürlich hat sich dabei auch die Kostenstruktur gewandelt, und natürlich ist es dabei zu einem Anstieg der Kosten gekommen, aber nicht nur deshalb, weil wir mehr ambulant und mehr individuell unterstützen können, sondern vor allem deshalb – das ist bereits gesagt worden –, weil die Zahl der Leistungsberechtigten deutlich zugenommen hat. Die Entwicklungen wurden benannt und sind durchaus zu begrüßen.
Wir haben es mit einem Zwischenstand bei der Ambulantisierung und Dezentralisierung zu tun, die zum Teil in Rheinland-Pfalz auf den Weg gebracht worden ist. Ich darf die früheren Landesregierungen loben, obwohl wir an denen nicht beteiligt waren. Wir wollen diesen Weg gemeinsam mit der SPD in der jetzigen Koalition weitergehen. Jetzt darf die SPD einmal klatschen.
Ganz richtig wurde erwähnt, dass im Zentrum das Wunsch- und Wahlrecht stehen und vor allem das Herauslösen aus der Sozialhilfe. Für uns GRÜNE ist dabei zunehmend wichtig, dass wir gleichwertige Lebensverhältnisse haben. Da sind Sie als CDU in den Kommunen ebenso gefordert wie die anderen beiden Fraktionen in diesem Hause, weil Sie viele kommunale Verantwortungsträger stellen. Es ist nun einmal ein sehr großer Unterschied, ob Sie in Landau oder in der Vulkaneifel Leistungen der Eingliederungshilfe beantragen. Das gilt sowohl für die Bearbeitung des Falles, der Anfrage als auch für die zugrunde liegenden Kriterien, zumindest was die ambulante Eingliederungshilfe angeht.
Das muss nicht nur landesweit, sondern auch bundesweit vereinheitlicht werden, ebenso wie die Bedarfsplanung dann auch vereinheitlicht werden muss.
Sie können die entsprechenden Zahlen – Sie haben gesagt, es gibt sie nicht – in dem Haushaltseinzelplan 06 nachlesen. Wir werden auch dieses Jahr wieder den entsprechenden Haushalt beschließen. Dann können Sie das, was Sie in der Anfrage nicht gefunden haben, gern vervollständigen.
Als Gäste auf der Zuschauertribüne begrüße ich Mitglieder der AG 60 plus sowie der Naturfreunde aus Mainz und Wiesbaden. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!
Ich darf mir noch erlauben hinzuzufügen, ich freue mich ganz besonders, dass Mainzer und Wiesbadener gemeinsam hier oben bei uns auf der Tribüne sitzen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Damen und Herren Abgeordnete! Die Antwort auf die Große Anfrage verdeutlicht in der Tat, welche Kostendynamik die Eingliederungshilfe im Rahmen der Sozialhilfe mit sich bringt.
Aber bei aller Wichtigkeit, diese fiskalische Entwicklung genau im Blick zu haben, müssen auch die Gründe hierfür betrachtet werden. Zum einen führen spürbare Fortschritte in der Medizin vor allem in der Frührehabilitation und eine verbesserte soziale Situation zu einem höheren Lebensalter der Menschen mit Behinderung, zum anderen wollen wir den Menschen mit Behinderung ein Höchstmaß an Selbstbestimmung und Teilhabe ermöglichen.