Protokoll der Sitzung vom 19.03.2015

(Beifall bei der CDU – Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, ich denke, wir werden Ihnen diese Krokodilstränen nicht durchgehen lassen.

(Zuruf der Abg. Frau Brede-Hoffmann, SPD)

Lassen Sie uns konstruktiv an diesem Kompromiss arbeiten.

(Glocke des Präsidenten)

Es ist notwendig, in Kompromissen zu denken.

(Beifall der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Blatzheim-Roegler das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Licht, ich habe nicht ganz verstanden, was Sie mit diesem Beitrag eigentlich sagen wollten, aber es war irgendwie ganz unterhaltsam, einen Einblick in offensichtlich verschiedene Interpretationsmöglichkeiten zu bekommen, wie man den Koalitionsvertrag auf Berliner bzw. Bonner Ebene – auch mit den Hauptstädten war es nicht mehr so ganz klar – auslegen kann.

Die Experten, die sich im Verkehrsausschuss geäußert haben, zum Beispiel Franz Mayer aus Bielefeld, Rechtsprofessor, Ralf Ratzenberger, ein Verkehrswissenschaftler, der auch für den ADAC arbeitet, oder auch Hilmar von Lojewski, der für die kommunalen Spitzenverbände gesprochen hat, haben sich unisono sehr kritisch – und zwar ablehnend kritisch – mit der Maut auseinandergesetzt. Sie haben recht, es gab mit Christian Hillgruber aus Bonn einen Gutachter, der im Auftrag des Verkehrsministeriums ein Gutachten erstellt hat

(Pörksen, SPD: Ach so, welch Zufall! Gerade der!)

und der zu dem Schluss kam, dass die europarechtlichen Bedenken nicht so hoch anzusiedeln seien, wie sie diskutiert worden sind.

Wir hatten vor einem guten halben Jahr schon einmal die Debatte um die Maut. Damals habe ich gesagt, die vorgelegten Mautpläne sind Murks. Auch dadurch, dass die Maut inzwischen Verkehrsinfrastrukturabgabe heißt, dass sich das Wort geändert hat, hat sich doch nichts daran geändert, dass diese Pläne nach wie vor Murks sind.

Sie tragen zu einer Verunsicherung gerade in grenznahen Regionen bei. Es gibt eine große Allianz von der IHK über sämtliche Parteien, von der DEHOGA bis zu den Tourismusbetrieben der Regionen, die befürchten, dass die Einnahmen nicht mehr so wie bisher generiert werden können, weil die Ausländerinnen und Ausländer abgeschreckt werden.

Ich nenne Ihnen einmal sechs Gründe, die aus unserer Sicht gegen diese Ausländermaut sprechen.

Erstens, wir halten es für einen parlamentarischen Schnellschuss mit einem hohen Risiko, dass die EU nicht zustimmt. Deswegen ist zu erwarten, dass das Ganze irgendwann vor dem Europäischen Gerichtshof landet. Das ist nicht gerade ein Beweis dafür, dass man ein verantwortungsvolles Gesetzgebungsverfahren eingeleitet hat.

Zweitens, sie ist eindeutig gegen Ausländerinnen und Ausländer gerichtet.

Drittens, bürokratisch aufwändig und voraussichtlich mit hohen Kosten verbunden, wird sie nicht das leisten, was sich die Befürworter davon versprechen.

Viertens, sie hat null ökologische Lenkungswirkung.

Fünftens, sie bringt Nachteile in den grenznahen Regionen.

Sechstens, man kann sie auch als Flatrate für Vielfahrer bezeichnen, eigentlich etwas, das wir nicht fördern wollen.

Viel sinnvoller wäre eine Erhöhung der Lkw-Maut; denn eine Erhöhung der Lkw-Maut hätte eine ökologische Lenkungswirkung.

(Zuruf des Abg. Licht, CDU)

Ich nenne nur einmal das Stichwort, Krabben von der Küste per Lkw zum Pulen nach Marokko und wieder zurück schaffen. Lkw-Transitverkehre erhöhen den Druck für noch mehr Straßen, ohne der rheinlandpfälzischen Wirtschaft irgendwie zu nutzen.

Einige Zahlen dazu: Jedes Jahr verursachen Lkw – wir werden es nachher noch in unserem Infrastrukturantrag besprechen – ein gesamtstaatliches Defizit von 13 Milliarden Euro. Staatseinnahmen durch die Maut in Höhe von 14 Milliarden Euro stehen nämlich volkswirtschaftliche Kosten in Höhe von 27 Milliarden Euro gegenüber. Das hat Professor Georg Hirte von der TU Dresden in einer Studie herausgestellt.

Damit wird jeder Lkw jährlich mit umgerechnet 5.091 Euro von der Allgemeinheit finanziert. Darüber sollte man sich einmal Gedanken machen.

Offen bleibt bei der Maut eindeutig auch die KostenNutzen-Rechnung; denn niemand weiß, ob das, was Herr Dobrindt ausgerechnet hat, tatsächlich auch in die Kassen kommt. Er sagt, wir machen einen Systemwechsel. Mitnichten, diese Murksmaut hat mit einem Systemwechsel null zu tun.

Es ist nämlich, um es einmal kurz zu fassen, linke Tasche, rechte Tasche; denn von einer pauschalen Steuer kommt man zu einer pauschalen Abgabe, und das, was man durch die Abgabe einnimmt, will der Finanzminister nämlich dem Verkehrshaushalt gerne weniger zur Verfügung stellen.

Dabei bekommt man nicht einmal hinten etwas heraus, das sich dann tatsächlich rechnet.

(Licht, CDU: Das war ein schwieriger Satz, wiederholen Sie den einmal!)

Mehr in der zweiten Runde.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Für die Landesregierung hat Herr Minister Lewentz das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, in einem sind wir uns alle einig, dass es richtig war, die Maut für die Lkw einzuführen.

Sie wissen, dass ein Lkw zigtausendfach mehr abnutzt, insbesondere Brücken, als Pkw das tun. Ich habe in der Verkehrsministerkonferenz eine Ausweitung auf 7,5 Tonnen ins Spiel gebracht und denke, dass diese weiteren Schritte, die Sie alle kennen, richtig sind.

Man darf bei den Lkw-Verkehren noch einmal zur Kenntnis nehmen, weil wir heute über eine Pkw-Maut sprechen, dass der Fahrleistungsanteil ausländischer Lkw bei rund 40 % des deutschen Schwerlastverkehrs liegt. Das ist eine ganz andere Ausgangssituation, als es bei den Pkw der Fall ist.

Im Verhältnis zu den Lkw bringen Pkw über das Mineralölsteueraufkommen natürlich ein deutliches Mehr im Verhältnis zu den von ihnen verursachten Kosten in den Bundeshaushalt ein.

Wir reden über eine Maut für ausländische Straßenbenutzer im Pkw-Bereich. Wenn man sich den Anteil anschaut – bei den Lkw nannte ich Ihnen 40 % –, sind das bei den ausländischen Pkw-Nutzern nur noch 6 %. Dafür diese ganze Operation und ein im Augenblick durchaus fragwürdiges Vorhaben?

Ich denke, das gilt es gemeinsam mindestens zu korrigieren. Deswegen sage ich, SPD, GRÜNE und CDU in den wechselseitigen Koalitionen hier und in Berlin, es muss doch unser gemeinsamer Auftrag sein, diesen „CSU-Murks“ zu verhindern;

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

denn das, was von Dobrindt auf den Weg gebracht ist, ist Murks und nichts anderes. Da gibt es die Kritik durch die Europäische Kommission. Ich glaube, das sehen wir alle so. Sie wissen, dass es eine weit übergreifende Ablehnung am 6. Februar im Bundesrat gegeben hat.

Wir haben jetzt für den Bundestagsverkehrsausschuss eine Berechnung zur Kenntnis bekommen, in der Experten nur noch von 280 Millionen Euro Einnahmen ausgehen. Dobrindt selbst hat den Verwaltungsaufwand mit 200 Millionen Euro beziffert, sodass wir im besten Fall, wenn diese sehr seriösen Untersuchungen zutreffen, nur noch 80 Millionen Euro herausbekommen, und dafür eine solche Operation.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie wissen, dass ich unter rheinland-pfälzischer Verantwortung – ich bitte Sie, das alle zu sehen – einen Vorschlag unterbreitet habe, der jedenfalls im Bundesrat intensiv Signale der Zustimmung bekommen hat, nämlich einen Korridor von 30 Kilometer entlang der nationalen deutschen Grenzen einzurichten. Das würde Zweibrücken helfen. Das würde Trier helfen.

Ich habe diese Idee mit dem Trierer Einzelhandel im September des vergangenen Jahres diskutiert und sehr viel Zustimmung bekommen, weil man auch keine Verdrängung auf Landes- und Bundesstraßen haben will. Man will im Grenzbereich keinen Eintritt zum Einkaufen in der Bundesrepublik Deutschland. Man will dieses nachbarschaftliche, sich gegenseitig völlig problemlose und ohne Auflagen mögliche Besuchen dort.

Es ist ein Stück Ausdruck von Lebenskultur in Trier, wenn man in der Stadt unterwegs ist und die vielen Menschen aus Luxemburg erlebt, die sagen, das ist doch unsere Nachbarstadt, das ist unser Einkaufzentrum, dahin wollen wir, da wollen wir nicht überlegen, wie können wir dahin fahren, müssen wir Eintritt bezahlen, wie kompliziert ist das, muss ich Tages- oder Jahresvignetten kaufen, sondern das soll – ich glaube, da ist ein 30-Kilometer-Vorschlag ein sehr gut handhabbarer – ganz problemlos sein.

Wenn man sich die Zahlen anschaut: Die IHK sagt, Einzelhandelsumsatz in der Stadt Trier 1 Milliarde Euro, und die Einzelhändler sagen, rund 150 Millionen Euro Umsatz durch Luxemburg. Also das ist doch etwas, was für uns ein hohes Gut sein muss.

Wenn Sie in Zweibrücken im Outlet sind und schauen sich auf dem Parkplatz die Nummernschilder an, dann weisen die darauf hin, dass unglaublich viele Menschen aus Frankreich kommen. Auch für die gilt das Gleiche, 30-Kilometer-Korridor, dann haben wir keine Probleme.

Wenn Sie mich fragen, 20 Kilometer, 30 Kilometer, natürlich hat der rheinland-pfälzische Verkehrsminister darauf geachtet, dass Trier und Zweibrücken, das Outlet, in dem von mir vorgeschlagenen Korridor sind. Wie hätten Sie mich hier sozusagen behandelt, wenn ich einen Korridor gewählt hätte, bei dem die gerade außen vor liegen? Ich glaube, das ist doch etwas, für das Sie mich dann zu Recht ausgelacht hätten.

Verehrter Herr Licht, natürlich, wenn es eine Maut geben wird, erwarten wir anteilig Gelder von der Maut. Selbstverständlich, wir sind doch diejenigen, die im Auftrag des Bundes – Bundesauftragsverwaltung – Bundesstraßen, Bundesfernstraßen und Bundesautobahnen zu unterhalten haben. Wenn eine Maut käme, die dann auch vernünftige Zahlen abwirft – ich habe Ihnen die Beispiele aus dem Verkehrsausschuss des Bundestages genannt; doch sehr zweifelhaft –, dann müssen wir unseren Anteil bekommen, weil wir auch einen Anteil des Bundesstraßennetzes zu unterhalten haben. Von daher, noch einmal mein Appell, wir sollten alles dafür tun, dass wir diese „CSU-Murks-Maut“ verhindern können. Ich glaube, das ist der gemeinsame Auftrag an uns alle.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Schweitzer das Wort.