Protokoll der Sitzung vom 28.05.2015

die entsprechenden Daten nicht in ausreichender Form erhoben werden und auch nicht vorliegen.

Natürlich ist auch die Sicherheit von Arbeitsverhältnissen und auch die soziale Absicherung von Arbeitsverhältnissen eine Frage. Da darf ich gerade an die konservativeren Kolleginnen und Kollegen appellieren. Denken wir einmal darüber nach: Wer spricht sich aus gegen Zunahme von Minijobs, Zeitarbeit, Werkverträgen, Scheinselbstständigkeit und eine Aushöhlung des Kündigungsschutzes? All dies sind Dinge, die man bedenken muss, wenn man von Altersarmut

(Carsten Pörksen, SPD: Genau so ist es!)

und von Armut als solcher spricht.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Carsten Pörksen, SPD: Kein Wort von der CDU!)

Wie im Bundesbericht ist es auch in Rheinland-Pfalz so, dass vor allem Kinder und Jugendliche und Familien von alleinerziehenden Eltern von einem höheren Armutsrisiko betroffen sind.

(Alexander Schweitzer, SPD: Haupt- sache es sind Papa und Mama!)

Besonderen Einfluss hat darauf die generationsübergreifende oder vererbte Armut. In Armut geborene Kinder haben in Deutschland geringe Bildungschancen. Dies ist in mehreren internationalen Studien festgestellt worden.

Aber wer soll das ändern; denn arme Menschen haben wenige Perspektiven in Deutschland? Es ist uns so oft ins Stammbuch geschrieben worden, dass die soziale Durchlässigkeit in Deutschland besonders gering ist. Dies führt auch dazu, dass wir zwar eine niedrige Wahlbeteiligung beklagen, dabei jedoch außer Acht lassen, dass sich gerade arme Menschen an Wahlen nicht mehr beteiligen, weil sie nicht den Eindruck haben, dass sie in diesem Gesellschaftssystem, in dieser Gesellschaft entsprechend viel bewegen können. Deshalb beteiligen Sie sich nicht politisch. Auch das ist eine Form von Armut. Auch das ist ein Ausschluss. Für die Barrieren sind nicht die armen Menschen, sondern ist die Gesellschaft verantwortlich.

(Dr. Adolf Weiland, CDU: Und was macht die Landesregierung dagegen?)

Im CDU-Antrag steht viel Richtiges. Sie sprechen von einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung. Ich darf Sie aber dazu befragen. Das darf doch nicht die Freiheit zur Ausbeutung beinhalten und nicht die Freiheit, Arbeitsverhältnisse anzubieten, die nicht existenzsichernd sind.

(Beifall der Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD)

Sie sprechen von einer solidarischen Sozialordnung. Dann müssen wir auch über den angemessenen Beitrag der leistungsstarken Bevölkerungsanteile sprechen. Sie sprechen davon, dass soziale Herkunft nicht über die Zukunft entscheiden darf. Dann frage ich mich, warum Sie der CSU

ihr Betreuungsgeld geschenkt haben, obwohl mittlerweile nachgewiesen ist,

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

dass genau dies von Bildung fernhält, und gerade die Familien, die genau das brauchen, nämlich Armutsbekämpfung auch durch Bildung. Sie sagen, Armut beginnt als Bildungsarmut. Zum Betreuungsgeld habe ich mich geäußert. Wieso haben wir dann immer noch ein gegliedertes Schulsystem? Wieso haben wir hier in Rheinland-Pfalz ausnahmsweise eine Beitragsfreiheit in Kindergärten, die in Ländern, in denen Sie Verantwortung tragen, eben nicht ist?

Sie sagen, Arbeit ist Voraussetzung für soziale und gesellschaftliche Teilhabe. Auch das ist richtig. Arbeit braucht dafür aber auch existenzsichernde Löhne. Wir brauchen eine hohe Zahl – – – Entschuldigung, jetzt habe ich falsch gelesen. Man sollte frei sprechen. Ich weiß es. Dagegen spricht natürlich die hohe Zahl an nicht existenzsichernden Arbeitsverhältnissen. Man kann nur dankbar sein, dass wir endlich auch im Bund eine entsprechende Mehrheit haben, die für einen Mindestlohn eingetreten ist und diesen zumindest, wenn auch mit zu vielen Ausnahmen – das müssen wir sagen – eingeführt hat.

Arbeitsplatzverlust und längere verbleibende Arbeitslosigkeit sind zentrale Risikofaktoren für ein geringes Einkommen, sagt die CDU in ihrem Antrag. Wieso wurde dann die Arbeitsförderung im Bund zurückgeführt, wieso wurde sie effizienzabhängig gemacht, und wieso wurde sie dann in den letzten Jahren derart gesenkt?

Familien verdienen einen Ausgleich für ihre Leistung. Ja. Sie verdienen vor allem zunächst einmal, dass zusätzliche Belastungen, die entstehen, ausgeglichen werden und die Familien nicht sowohl im Steuersystem bereits pro Person schlechter gestellt sind.

Wieso diskutieren wir dann immer noch über das unselige Splittingsystem, das dafür sorgt, dass die Familien besonders entlastet werden, wenn der Einkommensunterschied zwischen den beiden Erwachsenen besonders hoch ist? Worin da die Leistung liegen soll, muss mir irgendwann einmal jemand erklären. Wieso ist das nicht davon abhängig, ob Kinder in der Familie leben, sondern vom Zustand der Paarbeziehung?

Dann sagen Sie, die Übernahme von Verantwortung in der Familie darf nicht zusätzliche Risiken verursachen. Ja, die gegenseitige Verantwortung ist die zentrale Leistung der familiären Lebensverhältnisse für den Staat. Menschen garantieren, dass der Staat erst eintreten muss, wenn diese Menschen untereinander die Verantwortung in finanzieller, materieller oder personeller Hinsicht nicht übernehmen können. Das ist Subsidiarität. Da freut sich die CDU, wenn sie das Wort hört.

(Christian Baldauf, CDU: Das ist erstes Semester BGB!)

Dann frage ich mich aber, wieso denn die Ehe – das Thema hatten wir heute schon einmal – davon abhängig ist,

welches Geschlecht die beiden Erwachsenen haben. Das hat mir noch keiner erklärt. Wenn der Staat will, dass Menschen dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen, muss er dies in jedem Fall und in jeder Geschlechtszusammensetzung gut finden und unterstützen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Die OECD hat – Frau Machalet hat schon darauf hingewiesen – in diesem Jahr noch einmal darauf hingewiesen, dass ein großes Einkommensgefälle in einem Land auch dazu führt, dass das Wirtschaftswachstum zurückgeht.

Frau Thelen, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, es ist auch wirtschaftliches Wachstum – für uns sozial und ökologisch angepasstes wirtschaftliches Wachstum – erforderlich, damit Menschen Arbeit haben und damit Menschen ihren Lebensunterhalt verdienen können, das zu sozial angemessenen Bedingungen, für die dann aber die Politik die Verantwortung trägt. Das heißt dann aber auch, dass wir die Verantwortung für Umverteilungen tragen, damit dieses Wirtschaftswachstum stattfinden kann; denn dort, wo diese Umverteilung nicht stattfindet, dort, wo das Einkommensgefälle am höchsten ist, findet wirtschaftliches Wachstum nicht statt. Deshalb freuen wir uns auf eine entsprechende Änderung der Rahmenbedingungen.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Wäschenbach. Es steht ihm eine Redezeit von dreieinhalb Minuten zur Verfügung.

Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema Altersarmut ist in jüngerer Vergangenheit wieder in den Blick von Politik, Gesellschaft und Wissenschaft geraten. Wo gestern noch vornehmlich die vielfältigen Möglichkeiten und Chancen von Menschen in der dritten goldenen Lebensphase im Mittelpunkt des Interesses standen, geraten heute Themen wie Verarmung, Vereinsamung, Isolation, notwendige Minijobs als Zuverdienste und eingeschränkte Teilhabe und Selbstbestimmung alter Menschen zunehmend in den Fokus der öffentlichen und fachöffentlichen Debatte.

Ist dies ein neues Phänomen oder eine zu einseitige Betrachtung? Im Beitrag der LIGA zu unserem Bericht wird klar gesagt, dass es Menschen mit höherem Armutsrisiko gibt als die Gruppe der Menschen über 65 Jahre. Kinder, Alleinerziehende, junge Familien, Arbeitslose und Menschen mit prekären Arbeitsverhältnissen sind nämlich häufiger von der Armut betroffen als Menschen über 65 Jahre.

Der Katholikenrat hat aber im März dieses Jahres gesagt: Bedrohlich zugenommen hat in den letzten Jahren die Altersarmut in Deutschland, insbesondere unter den Rentne

rinnen und Rentnern. – Deren Armutsquote liegt mit 15,2 % zwar noch unter dem Durchschnitt, ist jedoch seit 2006 überproportional, und zwar viermal so stark, gewachsen. Keine andere Bevölkerungsgruppe zeigt eine rasantere Armutsentwicklung.

Altersarmut verhindert also Teilhabe und Selbstbestimmung. Von Armut bedrohte oder betroffene Menschen sind in viel höherem Maße auf Ressourcen aus ihrem Umfeld angewiesen, um ihr Leben gestalten zu können. Dies gilt besonders für mobilitätseingeschränkte ältere Menschen.

Ich komme zum Armutsrisiko. Frau Thelen hat es schon erwähnt, die Zahlen aus der amtlichen Sozialberichterstattung zeigen, dass die am Bundesmedian gemessene Armutsrisikoquote Älterer 2012 in Rheinland-Pfalz die höchste unter allen deutschen Bundesländern war. Gemessen am Landesmedian sind die 18,8 % der zweithöchste Wert nach Bayern und Baden-Württemberg.

Die Armutsrisikoquote der 65-Jährigen in Rheinland-Pfalz liegt aktuell mit 17 % gemessen am Bundesmedian bzw. mit 18,8 % gemessen am Landesmedian vergleichsweise deutlich über den jeweiligen Werten der Gesamtbevölkerung. Bei den Personen ab 65 Jahre lag diese Quote nicht nur über der Armutsquote insgesamt, sondern sie ist auch deutlich höher als für die der 50- bis 65-Jährigen.

Weiterhin zeigen die Tabellen einen beträchtlichen Geschlechterunterschied. Mit 20,2 % bzw. 22 % befindet sich die Armutsrisikoquote von Frauen ab 65 Jahre unabhängig vom verwendeten Median über der 20 %-Marke.

Meine Damen und Herren, die bittere Wahrheit heißt: Die Armen von heute sind auch die Armen von morgen. Wir kennen sie.

(Beifall des Abg. Dr. Fred Konrad, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Menschen in prekären, nicht versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen.

(Glocke der Präsidentin – Carsten Pörksen, SPD: Genau so!)

Aber auch für alle anderen gilt, ob der Lebensstandard im Alter und damit das Glücksversprechen eines selbstbestimmten Lebensabends zu halten ist, hängt in Zukunft vor allem auch vom Ausmaß und Erfolg der nachhaltigen Initiativen ab.

(Glocke der Präsidentin)

Es hilft nicht, einfach von einem guten Leben im Alter zu sprechen. Was hilft, sind Maßnahmen, die nachhaltig und konkret bemessen werden und deren Modellcharakter nachhaltig den Bürgerinnen und Bürgern zugute kommt.

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der CDU)

Danke schön. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe die Beiträge aus der Debatte so verstanden, dass sowohl der Armuts- und Reichtumsbericht – Drucksache 16/4915 – als auch der Entschließungsantrag der Fraktion der CDU, Armutsbekämpfung durch Armutsprävention – Drucksache 16/5081 – an den Sozialpolitischen Ausschuss überwiesen werden sollen. Dort soll eine Anhörung stattfinden, zu der folgende Ausschüsse mit eingeladen werden: Ausschuss für Integration, Familie, Kinder und Jugend, Ausschuss für Gleichstellung und Frauenförderung, Ausschuss für Bildung und Wirtschaftsausschuss. Ist das korrekt? Gibt es dazu Zustimmung? – Dann verfahren wir so. Vielen Dank.

Ich rufe Punkt 20 der Tagesordnung auf:

Steigende Gewalt gegen Polizisten – Eigenen Straftatbestand einführen Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 16/5031 –