Protokoll der Sitzung vom 01.07.2015

(Beifall der CDU)

ist vor allem, dass Sie bei der letztendlichen Formulierung des Gesetzentwurfs auf die Einlassungen haben zurückgreifen müssen, die auch bei einer ganz normalen Anhörung zum Gesetzentwurf herausgekommen wären, und dass die Interessen der Bürgerinnen und Bürger da überhaupt keinen Niederschlag gefunden haben. Das will ich ausdrücklich sagen.

(Beifall der CDU – Martin Haller, SPD: Was hat denn Ihr Livestream gekostet bei der Enquete?)

Ich will auch sagen: Frau Kraege – übrigens einen herzlichen Gruß an sie auch von dieser Stelle aus; ich hoffe, dass sie bald wieder gesund sein wird – hat uns im Medienausschuss ausdrücklich gesagt, dass dieses Verfahren vermutlich nicht geeignet und auch zu teuer ist, um es bei anderen Gesetzgebungsverfahren noch einmal anzuwenden. Das will ich an der Stelle auch sagen.

Wenn wir schon bei den Kosten sind, also bei dem Geld, das es kostet, dieses Gesetz umzusetzen, komme ich gleich auch noch auf die Kommunen zu sprechen. Heute haben wir gehört – dazu haben Sie übrigens auch nichts gesagt, Frau Ministerpräsidentin –, dass die Kommunen noch schlechter dran sind, als wir die ganze Zeit gedacht haben, und dass es nicht besser, sondern immer schlechter wird im Land Rheinland-Pfalz. Sie haben tunlichst davon abgesehen, die Kommunen durch das Gesetz zu verpflichten, sich daran zu beteiligen. Konnexität lässt grüßen! Das war sicher gar nicht anders möglich; denn die Kommunen hätten sich wahrscheinlich sehr heftig dagegen gewehrt.

(Beifall der CDU)

Aber, meine Damen und Herren – es ist auch wichtig, das hier noch einmal zu sagen –, den Bürger und die Bürgerin interessiert im Zusammenhang mit Transparenz und Informationsfreiheit vor allem das, was sich in seinem bzw. in ihrem unmittelbaren Umfeld abspielt: der Bebauungsplan vor Ort, die Straßenlaterne, die nicht funktioniert, oder was es sonst noch gibt.

(Carsten Pörksen, SPD: Dann stellen Sie doch einen Antrag!)

Entschuldigen Sie, wir sind in der ersten Beratung. Ich möchte hier erst einmal einen Gesamtüberblick geben dürfen, so, wie das nach unserer Geschäftsordnung auch vorgesehen ist. Das ist nämlich genau das – das stammt nicht nur von mir, sondern das hat auch Herr Wagner, unser bisheriger Beauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, in seiner Stellungnahme ausdrücklich geschrieben –, was die Leute interessiert, und das findet hier jetzt nicht wirklich statt.

(Beifall der CDU – Zuruf des Abg. Carsten Pörksen, SPD)

Meine Damen und Herren, Sie haben in der Anhörung – das will ich auch noch einmal ausführen – doch das eine oder andere wieder einkassieren müssen, was Sie vielleicht vor einer Blamage gerettet hat. Ich will nur einige Beispiele nennen, etwa den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Sie hatten vorgesehen, dass er, natürlich nicht im journalistisch-medienrechtlichen Bereich, ebenfalls seine Verwaltungstätigkeiten offenlegen soll, haben dabei aber übersehen, dass das im Rahmen eines Rundfunkstaatsvertrags geändert werden müsste. Das haben Sie jetzt korrigiert.

Sie hatten in dem Entwurf zunächst die Haftungsfreistellung für diejenigen, die diese Daten einstellen, stehen. Auch das ist sinnvollerweise wieder herausgenommen worden, weil das gar nicht geht. Auch was die Amtsverschwiegenheit angeht, haben Sie auf Anregung der Anzuhörenden diesen Begriff aus dem Gesetzentwurf genommen, damit keine Verwirrung darüber entsteht.

Zur Verwirrung will ich noch eines sagen: Ich habe mir jetzt den ersten Entwurf – diesen Entwurf – durchgelesen und mehrere Veranstaltungen mitgemacht. Zu entscheiden, ob das gut lesbar und bürgerfreundlich ist, was auch immer, überlassen wir der Anhörung im Innenausschuss, die ich von diesem Pult aus heute schon ankündige. Das Ganze ist nämlich sehr komplex und sehr kompliziert, und dass es nachher tatsächlich so Bestand hat, wage ich jetzt schon zu bezweifeln.

(Beifall der CDU)

Noch einen Punkt möchte ich gern erwähnen: Ich bin gespannt, was die GRÜNEN und Mehr Demokratie e.V. zu diesem Entwurf sagen; denn mit dem, was Sie ursprünglich einmal vorhatten, hat das herzlich wenig zu tun. Die Bekämpfung der Korruption und der Organisierten Kriminalität, die Sie mit diesem Gesetzentwurf vorhatten, wird so sicherlich nicht passieren.

(Beifall der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Herr Schweitzer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat es schon ausgeführt, 2011 hat sich die rot-grüne Koalition aufgemacht, um neue Impulse für eine lebendige Demokratie in Rheinland-Pfalz zu entwickeln.

2013 hat Malu Dreyer in ihrer Regierungserklärung klar formuliert: Es geht um die Stärkung der Bürgerdemokratie in diesem Land. Es geht darum, Ideen, Anregungen, Haltungen und Positionen der Bürgerinnen und Bürger von Rheinland-Pfalz frühzeitig aufzugreifen, um sie dann, meine Damen und Herren, in politische Prozesse einzubringen. Wir sind der Meinung, dieser Weg ist heute mit der Einbringung des Landestransparenzgesetzes durch Malu Dreyer eine erste entscheidende Station.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist nicht mehr und nicht weniger als eine wichtige Wegmarke hin zu einer Stärkung der Beteiligungsdemokratie in unserem Land. Es ist das erste Transparenzgesetz in einem Flächenland. Natürlich führen wir in diesem Haus stellvertretend für die Zivilgesellschaft und für die politischen Kräfte in ganz Deutschland diese Debatte. Es geht um mehr Transparenz auf allen Ebenen und damit um mehr Mitwirkungschancen. Das gehört zusammen. Das ist unser Ansatz.

Meine Damen und Herren, wie begründet sich dieser Ansatz? Politik – das wissen wir alle, und wir spüren es auch – muss Entscheidungen, Vorhaben und Aktivitäten immer wieder neu begründen und erklären und den Nutzen für unser Land belegen. Kritik und ganz andere Sichtweisen erweitern dabei für alle Beteiligten den Horizont.

Mehr Transparenz zu schaffen, ist deshalb nach unserer Auffassung weit mehr, als den Bürgerinnen und Bürgern Informationsbröckchen vermeintlich großzügig hinzuwerfen. Das ist ein Versprechen, das man gibt und für das man aber auch den Mut haben sollte, etwas zurückzuverlangen, nämlich die Bereitschaft, sich zu engagieren und sich in das Ganze und das Miteinander einzubringen.

Meine Damen und Herren, das große gesellschaftliche Gespräch, das Politik und Demokratie ausmachen sollte, muss belebt werden. Ich glaube, das spüren wir alle. Wir haben auch in diesem Haus schon darüber nachgedacht und darüber gesprochen. Es muss von beiden Seiten belegt werden. Wir brauchen dazu auch Impulse wie ein solches Transparenzgesetz.

Die Verwaltung wird transparent. Das ist schon geschildert worden. Beschlüsse des Ministerrats, die Erläuterung dazu, wesentliche Inhalte von Verträgen des Landes ab einem Auftragswert von 20.000 Euro, der Zugang für alle zu Gutachen und Studien, die von Behörden beauftragt wurden oder in die Entscheidungen der Behörden einfließen – das sind nur einige der Regelungen dieses Gesetzes.

Frau Ministerpräsidentin Dreyer, Sie haben eben betont, mit diesem Gesetz werden Transparenz und Offenheit zu Leitlinien für das Handeln der Verwaltung. Sie sprechen von einem Kulturwandel in Politik und Verwaltung.

Meine Damen und Herren, so ist es. Wir treten in einen Kulturwandel ein. Wir sollten uns auch als Abgeordnete, die für die Bürgerinnen und Bürger nicht nur in ihrem Wahlkreis Verantwortung haben, klar dazu bekennen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit der Schaffung einer übrigens sehr niedrigschwellig zu nutzenden Transparenz-Plattform und der Pflicht zur aktiven Veröffentlichung durch die Verwaltung bewegen wir uns maximal weit weg von der schon etwas verblassten, aber doch manchmal noch zu spürenden Attitüde mancher Verwaltung, dass der Bürger doch bitte vorsprechen mag, wenn er etwas möchte. Ich will deutlich machen, dass das überzeichnet ist.

Meine Damen und Herren, die allermeisten Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, die wir kennen, atmen schon selbst einen Dienstleistungsgeist. Wenn das noch stärker unterstützt werden kann, dann ist das genau der Kulturwandel, den Ministerpräsidentin Dreyer gemeint hat und den wir unterstützen wollen.

Selbstverständlich wird es auch um die berechtigten Schutzbedürfnisse privater Stellen gehen. Ich habe gerade in diesen Tagen wieder ein Schreiben der Industrieund Handelskammern bekommen. Mit dem werden wir sehr offen umgehen. Lassen Sie mich auch etwas zu den technischen Voraussetzungen sagen.

Liebe Frau Kohnle-Gros, Sie haben die Frage der E-Akte, die nicht weniger ist als die Voraussetzung für die Transparenz, die wir uns alle vorstellen, unter der Überschrift „was koscht es“ kritisiert.

Liebe Frau Kohnle-Gros, ich möchte Ihnen antworten: Lassen Sie uns doch – die Verantwortung haben wir schon – einmal über den Tag hinaus denken. Es ist doch vielmehr die Frage zu stellen: Was kostet es heute und in Zukunft für die Verwaltung, wenn wir diesen Weg nicht gehen?

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte dem Innenministerium dafür danken, dass es diesen Weg geht und die Vorbereitungen getroffen hat. Ich möchte der Staatssekretärin Heike Raab an diesem Tag besonders herzlich für die ersten Schritte auf dem Weg zur Einführung der E-Akte danken.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Julia Klöckner, CDU)

Ich möchte dies – ich hätte vielleicht vor einer halben Stunde noch nicht gedacht, dass ich das tun werde – mit einem herzlichen Glückwunsch zu der Übernahme der Verantwortung in Berlin und in Brüssel verbinden.

Liebe Heike Raab – ich darf das so sagen –, ich finde, das ist eine richtige Entscheidung.

Lieber Herr Bracht, wenn Sie ein bisschen Gentleman wären, dann würden Sie heute im Laufe des Tages zu Heike Raab gehen und sich für Ihre Pressemitteilung und die Bezeichnung von Staatssekretärin Heike Raab entschuldigen. Ich glaube, Sie kriegen das mit einem Glas Wein hin. Es liegt an Ihnen, das heute noch zu erledigen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kohnle-Gros, dann ist von Ihnen gefragt worden, wie es mit den Kommunen aussieht. Ich bin froh, dass Martin Haller so nahe bei mir sitzt. Er hat mir den Hinweis gegeben, dass in der Enquete-Kommission gerade die CDU-Vertreter darauf gedrängt hätten, die Kommunen erst einmal außen vor zu lassen nach dem Motto – das ist übrigens nachvollziehbar –, das Land soll mit gutem Beispiel vorangehen.

Ich weiß nicht, ob Sie das heute kritisiert oder einfach nur

eine Position eingenommen haben, die Sie damals noch nicht hatten und die Sie vielleicht bis zur zweiten oder dritten Lesung auch nicht mehr haben. Das ist alles nicht ausgeschlossen beim Behaviour der CDU in Rheinland-Pfalz. Irgendwann müssen Sie bekennen, wofür und wogegen Sie sind.

Frau Kohnle-Gros, es geht nicht nur darum, was „koscht“ es. Es geht um einen Kulturwandel. Insofern brauchen wir ein bisschen mehr von der CDU-Fraktion in diesem Land.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Herr Bracht, es freut mich, dass Sie sich jetzt zu Wort melden. Ich glaube, ich habe Sie getroffen. Das ist gut so. Ich wollte Sie auch an dieser Stelle treffen.

Beteiligen, mitwirken und mit entscheiden – für diesen Dreiklang steht Rot-Grün in diesem Haus. Wir haben die Transparenzrichtlinie für Abgeordnete auf den Weg gebracht, auch das Lobbyregister. Die Dialogveranstaltungen der Ministerpräsidentin sind auch mit Blick auf das Gesetzgebungsverfahren vorbildlich.

Natürlich kostet die Beteiligung Geld. Aber auch an der Stelle sage ich: Bei Wahlbeteiligungen, die wir inzwischen zur Kenntnis zu nehmen haben, bei Ermüdungsbrüchen der parlamentarischen Demokratie und der Demokratie insgesamt ist es doch gut angelegtes Geld, wenn wir Menschen einladen, sich zu beteiligen und sich ernst genommen zu fühlen.

Liebe Frau Kohnle-Gros, eine schwäbische Hausfrauendebatte ist an dieser Stelle wirklich fehl am Platz.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will sagen, dass sich auch Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten mit diesem Weg sehr konform erklären können. Ich will es nicht überhöhen. Wenn ich mir die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie anschaue, dann gab es immer die Frage des Ringens um Teilhabe am Haben und Sagen. Das war die Frage der materiellen Zugänge zur Beteiligung in dieser Gesellschaft gerade in der Frühphase. Heute ist die Frage, wie und wer kann sich an der Demokratie beteiligen, und zwar über Bildungsexpansionen, aber auch über das Wagen von mehr Demokratie. 1969 hieß die Überschrift über der ersten Regierungserklärung Willy Brandts: „Wir wollen mehr Demokratie wagen“. Es ging um den Ausbau der Mitbestimmung in Unternehmen und in der Gesellschaft insgesamt.