Protokoll der Sitzung vom 14.09.2016

(Beifall der CDU)

Es ist aber auch ein Schlag in das Gesicht der Kommunen, die die Integration leisten sollen und die dafür einfach Planungssicherheit brauchen.

Nun hören wir aus dem Integrationsministerium, dass man dort glaube, dass wir das nicht benötigen; denn es gäbe keine großen Wanderungsbewegungen im Land. Das hätten Abfragen bei verschiedenen Ausländerbehörden ergeben.

An dieser Stelle kann ich nur sagen: Dieser Formulierung sollte man einmal genauer auf den Grund gehen. Was bedeutet eine Abfrage bei verschiedenen Ausländerbehörden? Das ist keinesfalls das Gleiche wie eine flächendeckende Datenerhebung über das gesamte Land RheinlandPfalz.

(Beifall der CDU)

Das heißt, es liegen überhaupt keine konkreten Zahlen vor. Die Landräte und Bürgermeister, mit denen ich gesprochen habe, wissen nichts von einer Abfrage. Wen haben Sie also gefragt? Das ist die Frage, die wir uns stellen.

(Beifall der CDU)

Wie haben Sie eigentlich gefragt? Es sind noch nicht einmal alle Flüchtlinge erfasst, aber da wollen Sie wissen, wo die in der Zukunft hinwandern wollen.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie aber behaupten, das zu wissen!)

Ich sage ganz klar: Das ist in allerhöchstem Maße unseriös.

(Beifall der CDU – Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Unsinn ist das, was Sie machen!)

Deswegen ist auch Ihre Folgerung schlichtweg naiv. Sie sagen, Sie sehen keinen Bedarf. Wenn Sie mit der Umsetzung dieser Ermächtigung erst dann beginnen, wenn sich die Menschen auf dem Weg befinden, wenn sie angefangen haben zu wandern, sage ich ganz ehrlich, dann sind Sie zu spät.

(Beifall der CDU und bei der AfD)

Ich glaube, es gibt eine Lehre, die wir aus der gesamten Historie der Flüchtlingsfrage ziehen müssen, nämlich die, dass wir dort, wo es irgendwo möglich ist, frühzeitig Regelungen und Kontrollmechanismen einbauen, damit diese greifen können, wenn sie notwendig sind.

(Beifall der CDU – Zuruf des Abg. Alexander Schweitzer, SPD)

An dieser Stelle möchte ich noch einmal deutlich sagen: Eine Wohnsitzpflicht ist überhaupt nichts Menschenunwürdiges.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Das hat doch niemand behauptet!)

Sie dient allen. Zum einen dient sie den Flüchtlingen selbst, weil damit eine Integration erst möglich wird, aber zum anderen dient sie auch den Kommunen. Darüber hinaus geht es um eine Frage der Solidarität zwischen den einzelnen Bundesländern.

(Beifall der CDU)

Als Nächste hat Frau Abgeordnete Heike Scharfenberger das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Bereits im Juni dieses Jahres haben wir uns in einer Aktuellen Debatte mit diesem Thema beschäftigt. In der Zwischenzeit wurden das Integrationsgesetz verabschiedet und die Wohnsitzauflage eingeführt. Diese bezieht sich im Bundesgesetz aber ausschließlich auf mögliche Wanderungsbewegungen zwischen den einzelnen Bundesländern. Hier lautet die klare Vorgabe, dass dies unterbunden wird.

Ich möchte auch an dieser Stelle klarmachen, dass von Rheinland-Pfalz aus keine Blockadepolitik betrieben wurde, wie Sie behaupten. Da müssen wir schon sauber trennen, was Bundespolitik und was Landespolitik ist.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, womit wir beschäftigen wir uns heute eigentlich? Es geht um eine Wohnsitzauflage innerhalb von Rheinland-Pfalz, die verhindern soll, dass anerkannte Flüchtlinge in die Städte ziehen.

Frau Beilstein, Sie machen sich die Welt an dieser Stelle sehr einfach. Sie suggerieren, dass dann, wenn wir eine Wohnsitzauflage für drei Jahre in Rheinland-Pfalz hätten, die Probleme der Kommunen in Bezug auf Planbarkeit, Bereitstellung von Personal oder Wohnraum hinsichtlich der Asylproblematik gelöst wären.

(Abg. Anke Beilstein, CDU: Das habe ich nie gesagt!)

Zunächst ist die Wohnsitzauflage nur ein Teilaspekt der Integration; denn es ist eine Bündelung von Maßnahmen notwendig, deren Erfolg davon abhängig ist, wie optimal diese Maßnahmen ineinandergreifen. Flüchtlinge benötigen eine Perspektive zur Teilhabe und Integration und sollen eigenständig für ihren Lebensunterhalt nach dem Prinzip „Fördern und fordern“ sorgen können. So die Grundidee des Integrationsgesetzes. Die Vielschichtigkeit des Integrationsprozesses beinhaltet dabei den Zugang zum Arbeitsmarkt, ausreichende Sprachkurse, Integrationskurse und auch eine Wohnung.

Wohnsitzauflagen wären dann hilfreich, wenn sie konkret die Integrationschancen verbessern würden, insbesonde

re, wenn gesichert wäre, dass am zugewiesenen Wohnort sowohl die notwendigen Integrations- und Sprachkurse sowie die dann nachfolgenden berufsbezogenen Qualifikationsangebote gesichert sind und der Wohnungs- sowie der Arbeitsmarkt entsprechende Kapazitäten aufweisen.

Ich möchte hierzu den Migrationsexperten Herbert Brücker vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zitieren: „Eine Wohnsitzauflage, die die Menschen länger dort aufhält, wo sie keine Jobs finden, ist kontraproduktiv. Damit züchtet man Arbeitslosigkeit.“

Einen zweiten wichtigen Aspekt gilt es meiner Meinung nach zu beachten: Soziale Netzwerke und die Unterstützung durch Familienangehörige spielen eine ebenso wesentliche Rolle bei der Arbeitsplatzsuche und Integration.

Erst die freie Wohnsitzwahl ermöglicht es, dass sich die Betroffenen dort niederlassen, wo etwa Verwandte wohnen, die ihnen die Integration erleichtern können, sie Freunde und Bekannte haben und sich austauschen können. Gerade Flüchtlinge sind auf Netzwerke angewiesen, die ihnen Wohnungen und Jobs vermitteln können.

Es ergibt daher Sinn, einen Wohnort nach den Jobperspektiven zu wählen. Studien zeigen, dass die ersten Jahre des Aufenthalts für die nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt entscheidend sind. Wenn man durch eine Wohnsitzauflage jedoch den Aufenthalt in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit erzwingt, ist es integrationspolitisch kontraproduktiv.

(Unruhe im Hause)

Vielleicht kann ich jetzt die Gemüter etwas beruhigen. Jetzt begebe ich mich nämlich genau auf die andere Seite.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Heike, du bist zu sachlich, die hören nicht mehr zu!)

Ich habe erst einmal aus der Sicht der Betroffenen gesprochen. Jetzt rede ich aus der Sicht der Kommunen. Als Fraktionsvorsitzende in Ludwigshafen habe ich einen ganz guten Einblick, denke ich.

Ich möchte nicht verschweigen, dass dieser schwierige Integrationsprozess die Kommunen, insbesondere die Städte, vor große Herausforderungen stellt.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: So ist es! – Abg. Alexander Licht, CDU: So ist es!)

Die Städte waren doch im letzten Jahr mit einer großen Anzahl von Menschen konfrontiert, die bei uns Schutz suchten und noch suchen. Ich sehe es auch weiterhin als unsere Pflicht an, diesen Menschen zu helfen.

Allerdings hat die über Monate hinweg unplanbare Ankunft von Flüchtlingen gerade die Städte, die per se schon sehr verdichtet sind und daher eher einen sehr geringen Anteil an Freiflächen haben, vor schier unüberbrückbare logistische und auch finanzielle Hürden gestellt.

Auch wir haben Hinweise, dass es zu Wohnortwechseln

aus strukturschwachen Gebieten gekommen ist. Allerdings von einer Wanderungsbewegung zu sprechen, halte ich momentan nicht für angebracht, zumindest aber für verfrüht, zumal es keine entsprechenden Zahlen gibt.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Ja!)

Das haben Sie auch so bestätigt, Frau Beilstein.

Auch ein Sprecher des Städtetags hat – heute im SWR veröffentlicht – angegeben, dass zurzeit der Zuzug in die Städte noch nicht so groß ist, dass jetzt eine Wohnsitzauflage eingeführt werden müsste. Eine Abfrage bei den Ausländerbehörden hat ebenfalls keine klare Tendenz gezeigt.

Deshalb möchte ich noch zusammenfassend sagen, dass wir zurzeit aus unserer Sicht noch keine Notwendigkeit zur Einführung einer Wohnsitzauflage sehen.

Danke schön.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr gut!)

Als Gäste auf der Zuschauertribüne begrüße ich den deutsch-französischen Freundeskreis Lustadt – Rosny-surSeine sowie Teilnehmerinnen und Teilnehmer des CDUSüdpfalztreffens. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)