Protokoll der Sitzung vom 14.09.2016

Meine Damen und Herren! Ich muss schon sagen, dass ich nach der ersten Rede zu dem heutigen Tagesordnungspunkt von der einbringenden AfD-Fraktion froh bin, dass wir in Deutschland aus der Geschichte gelernt und den politischen Staatsschutz 1945 ein für allemal abgeschafft haben. Es ist nämlich gerade in einem freiheitlichdemokratischen Rechtsstaat nicht angesagt, dass jeweils nach parteipolitischer Mehrheit und parteipolitischer Ausrichtung Staats- und Verfassungsschutzbehörden agieren dürfen. Das ist eine Lehre aus unserer deutschen Geschichte, die wir alle zusammen gezogen haben. Ich muss leider sagen, gezogen hatten, weil die ewig Gestrigen von ganz rechts – das hat man eben gehört – das offenbar noch nicht verstanden haben.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Todesstrafe gegen Regimekritiker ist für Sie okay?)

Herr Dr. Bollinger, Ihre niveaulosen Zwischenrufe machen die Sache auch nicht besser.

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Kümmern Sie sich lieber einmal um die teilweise menschenverachtenden, völkischen bis antisemitischen Tendenzen in Ihren Reihen. Ich glaube, das ist die eigentliche Gefahr, die gerade für die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Deutschland ausgeht.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, mit der blanken politischen Forderung, die DITIB vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen, erheben Sie nicht nur eine rechtswidrige und verfassungswidrige Forderung, sondern Sie stellen auch allein in Rheinland-Pfalz 25.000 Menschen unter einen von Ihnen nicht näher dargelegten Generalverdacht.

25.000 Menschen in diesem Land, von denen wahrscheinlich die allermeisten hier sogar geboren worden sind, im Übrigen nicht zuletzt auch meine Nachbarn, denen Sie per se verfassungsfeindliche Motive unterstellen.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Blödsinn!)

Ich finde, das allein ist schon eine menschenfeindliche und verachtende Vorstellung.

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Wenn man dann hier argumentiert, die DITIB sei sozusagen der verlängerte Arm des Staats Türkei, ist zu sagen: Ja, die DITIB untersteht dem Amt für religiöse Angelegenheiten des Staats Türkei. – Dem untersteht die DITIB in Deutschland aber bereits seit 1984, also seit 32 Jahren. Ich sage ganz deutlich als jemand, der sich schon länger integrationspolitisch damit befasst: Ich finde das integrationspolitisch nicht gut, aber ich finde, das ist die ganze Zeit schon schwierig und zu hinterfragen und nicht erst jetzt sozusagen aufgrund einer aktuellen, hoch erhitzten Debatte, in der Sie keinen Beitrag dazu leisten wollen, Musliminnen und Muslime in Deutschland in irgendeiner Form besser zu integrieren oder einen verfassungsgemäßen Religionsunterricht in deutscher Sprache zu realisieren.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Wie kommen Sie darauf?)

Das Einzige, was Sie machen, ist doch, Ressentiments und Türkeifeindlichkeit in unserer Gesellschaft per se zu bedienen und damit alles infrage zu stellen, was wir gemeinsam an Verständigung und Integration in dem Einwanderungsland Deutschland, in das viele Menschen aus der Türkei gekommen sind, die seit Generationen hier leben, erreicht haben. Damit will ich keine Probleme kleinreden, die wir gemeinsam haben. Deshalb sind Sie keine Alternative, sondern eine Gefahr für Deutschland, meine Damen und Herren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Die einzige Alternative!)

Glauben Sie mir, es ist absolut nachvollziehbar, dass angesichts der politischen Entwicklungen in der Türkei und der grundsätzlichen Problematik, dass DITIB dem türkischen Staat in gewisser Weise zumindest auf Bundesebene untersteht, die Landesregierung sagt, wir sehen jetzt noch einmal genauer hin.

Ich würde mir auch wünschen, dass wir möglichst bald die Gutachten, die die Landesregierung zu Recht in Auftrag gegeben hat, gemeinsam diskutieren können, weil ich glaube, dass wir auf der Grundlage dieser Gutachten endlich eine fundierte und sachorientierte Debatte über die Frage führen können und wie wir zu einem Staatsvertrag mit muslimischen Verbänden kommen können, wie wir, wie ich finde, endlich einen geregelten islamischen Religionsunterricht in Deutschland organisieren können.

Wissen Sie, ich will eines nicht: Ich will eben nicht, dass die Kinder, die aus einem muslimischen Elternhaus kommen, die sich zum Islam bekennen, irgendwo möglicherweise in

zweifelhaften Hinterhöfen, in zweifelhaften Kellermoscheen von zweifelhaften Imamen gegen unsere freiheitlichen Werte sozusagen hochgepredigt werden, sondern ich möchte, dass wir, wie es beim evangelischen, beim katholischen und teilweise beim jüdischen Religionsunterricht erreicht worden ist, innerhalb des Rahmens unserer Verfassung in deutscher Sprache einen guten muslimischen Unterricht für die Kinder in diesem Land anbieten können. Ich will das lieber mit der größten islamischen Gemeinde, mit DITIB, schaffen – dafür müssen sie zeigen, dass sie die Prinzipien der Religionsgemeinschaft erfüllen und anerkennen –, als ohne den größten islamischen Verband. Deshalb glaube ich, ist es richtig, immer im Dialog zu bleiben.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Für die Landesregierung hat Herr Staatsminister Lewentz das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Paul, die ersten drei Reden des heutigen Tages der AfD zeigen mir eines – das deckt sich auch mit meinen Beobachtungen zu Ihrem Pegida-Engagement, zu Ihren Flugblättern und zu den von Ihnen geäußerten Meinungsbildern –:

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Billig! – Abg. Joachim Paul, AfD: Wahrheiten!)

Sie wollen einen anderen Staat als die Mehrheit in diesem Haus. Sie schüren Ängste und Vorurteile. Das ist heute dreimal ganz deutlich zur Sprache gekommen.

Ja, wir wissen um die Anbindung von DITIB. Das ist vollkommen klar. Das ist bekannt. Herr Köbler hat einige Punkte dazu gesagt, wie sich das in den letzten Jahren immer wieder ergeben hat.

Frau Dr. Ganster, eines ist aber auffällig: Hier geht es um die Frage Verfassungsschutz. Sie haben das Wort Verfassungsschutz nicht einmal in den Mund genommen. Ich werde Ihnen gleich sagen, wie die deutschen Innenminister zu diesem Thema stehen, von Thomas de Maizière bis zum Kollegen Beuth auf der anderen Rheinseite. Wir haben eine eindeutige und klare Haltung.

Ja, DITIB vertritt in Rheinland-Pfalz – der Landesverband in 45 Vereinen – ca. 25.000 Mitglieder. Das sind oftmals unsere Nachbarn, unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger.

Jetzt komme ich zu der Aufgabe des Verfassungsschutzes und seiner Behörden. Die Verfassungsschutzbehörden haben die Aufgabe, verfassungsfeindliche Bestrebungen systematisch zu beobachten, sobald ausreichend tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist doch vollkommen klar. Das sage ich auch ganz bewusst an die

Reihen der AfD: Wir stehen für einen wehrhaften Staat, in dem unser Verfassungsschutz unsere Verfassung schützt. Das ist doch vollkommen klar. Wir sind ein Rechtsstaat.

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Dafür steht die Polizei, dafür steht der Verfassungsschutz, und dafür stehen unsere Gesetze.

Für die rheinland-pfälzische Verfassungsschutzbehörde ist dies in § 5 Landesverfassungsschutzgesetz geregelt, der insoweit dem Bundesrecht entspricht. Ob solche tatsächlichen Anhaltspunkte vorliegen, wird in allen Einzelfällen sorgfältig geprüft.

Die festgestellten Anhaltspunkte müssen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dabei stets auch geeignet sein, einen entsprechenden Verdacht zu begründen. Dies verlangt in jedem Falle mehr als bloße Vermutungen, Spekulationen, Mutmaßungen oder Hypothesen, die sich nicht auf beobachtbare Fakten stützen. Es müssen also konkrete und in gewissem Umfang verdichtete Umstände als Tatsachenbasis vorliegen, die bei vernünftiger Betrachtung auf das Vorliegen verfassungsfeindlicher Bestrebungen hindeuten.

Dieses Gesetzesgerüst schützt unsere Bundesrepublik, schützt uns und ist mit Blick in die eigene Geschichte eine enorm positive Weiterentwicklung.

(Abg. Martin Haller, SPD: Sehr richtig!)

Tatsächliche Anhaltspunkte von hinreichendem Gewicht und in ausreichender Zahl!

Pressemeldungen oder Reden, wie von Ihnen geschwungen, reichen dafür nicht aus.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Ja!)

Aufsichtsrechtliche Weisungen gibt es nicht.

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Es gibt keine Anordnungen von Politikern, diese Beobachtungen durchzuführen. Wir brauchen diese Vorlagen, die ich Ihnen genannt habe.

Frau Ganster, der Verbund der Verfassungsschutzbehörden handelt hier einvernehmlich. Einvernehmlich bedeutet, wir haben die klare und gleiche Haltung in allen Bundesländern und in Übereinstimmung mit dem Bund. Sie müssen gleich noch einmal etwas zu der Frage der Verfassungsschutzbeobachtung sagen. Dazu muss die CDU in Rheinland-Pfalz Stellung beziehen.

(Zuruf der Abg. Julia Klöckner, CDU)

Das haben Sie nicht getan.

Eine Anmerkung: Im Bereich der politisch motivierten Kriminalität ist dem Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz keine Erkenntnis über Straftaten von Mitgliedern von DITIB vorliegend.

Zu der Selbstverständlichkeit gehört aber auch dazu, dass

die Landesregierung die aktuellen Entwicklungen in der Türkei aufmerksam und dies insbesondere im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die türkischstämmige Bevölkerung in unserem Land beobachtet. Hiervon ist nicht zuletzt der Dialog zwischen türkisch geprägten Verbänden und der Landesregierung tangiert.

Insoweit – das will ich ausdrücklich betonen – nimmt die Landesregierung die Debatten über die Rolle der DITIB aufmerksam zur Kenntnis. Mehr noch, die Ministerpräsidentin – das ist ausgeführt worden – hat am 5. August dieses Jahres in einer Pressekonferenz mitgeteilt, dass die Verhandlungen des Landes mit den islamischen Verbänden über Vereinbarungen – und das ist wichtig, das müssen wir am Schluss auch erreichen können – über das grundsätzliche Verhältnis zwischen den islamischen Verbänden und dem Land – das brauchen wir irgendwann geklärt – im Moment aus den genannten Gründen ruhen müssen.

Das Land will sich zunächst ein umfassendes Bild über die neue Situation in der Türkei und die direkten Folgen für das Zusammenleben in Rheinland-Pfalz verschaffen. Eine zentrale Frage ist die politische Einflussnahme des türkischen Staates auf die islamischen Verbände, die den Charakter der Religionsgemeinschaften gefährden könnten. Insbesondere geht es um die Ausbildung und Entsendung der Imame durch die türkische Religionsbehörde, also durch Diyanet. Diese Gutachten werden uns dafür wichtige Erkenntnisse geben. Dann wird die Landesregierung sich natürlich positionieren.