Protokoll der Sitzung vom 28.05.2020

Doch noch davor müssen wir die speziellen CoronaHygieneregeln aufheben, wo immer dies vertretbar erscheint. Die Einschränkungen dürfen nicht mehr zeitlich, sondern sie müssen räumlich beschränkt werden. Wir haben 17 Kreise mit null Neuinfizierten in den letzten sieben Tagen. Wie kann man aufgrund dessen noch die CoronaNotstandsregeln rechtfertigen? Dazu unser Vorschlag, spezielle Maßnahmen nur dort vorzuschreiben, wo es eine relevante Zahl an Corona-Fällen gibt.

Baustein Digitalisierung. Die Corona-Krise gibt der Digitalisierung weltweit einen Schub. Einen Schub, den man in Rheinland-Pfalz weitgehend verpasst hat. Hier sind noch

nicht einmal die Grundlagen gelegt. Im Hightechland ist noch nicht einmal ein fünfminütiges Telefonat auf der A 61 möglich.

Statt Konjunkturhilfen mit der Gießkanne zu verteilen, müssen wir ganz klar fokussieren und so die Basis für eine Erholung und ein langfristiges Wachstum legen. Rheinland-Pfalz fällt wirtschaftlich schon jetzt auseinander. Von gleichwertigen Lebensverhältnissen kann keine Rede sein. Gerade die strukturschwachen Regionen, die bereits in einer Abwärtsspirale stecken, könnten nun endgültig und ohne Wiederkehr abgehängt werden.

Unser Vorschlag: Wir brauchen ein Sonderprogramm „Digitale Infrastruktur, Breitbandausbau, Mobilfunk und Regionalförderung“ in Höhe von 500 Millionen Euro. Ergänzend brauchen wir das Rheinland-Pfalz-Versprechen, keine Steuer- und Abgabenerhöhungen bis Ende des Jahres 2021.

Bürger und Unternehmen müssen entlastet werden, statt Steuererhöhungen voranzutreiben. Ergänzend brauchen wir auf Bundesebene eine Senkung des regulären Umsatzsteuersatzes auf 15 %, die Glättung des leistungsfeindlichen Mittelstandsbaus bei der Einkommensteuer, eine vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags, keine Steuererhöhung bis zum Jahr 2021 und degressive Sonderabschreibungsmöglichkeiten für investierende Unternehmen.

Die vorliegende AfD-Forderung wird sowohl Unternehmen als auch den Bürgern weiterhelfen. Wir helfen und geben Hilfe zur Selbsthilfe. Wir bitten um Ihre Unterstützung für unsere Unternehmen, die Familien, für die Lebensmodelle. Geben wir den Menschen in Rheinland-Pfalz Perspektive und eine Zukunft.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD – Zuruf des Abg. Uwe Junge, AfD)

Für die Koalitionsfraktionen spricht der Abgeordnete Wink.

Verehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie bereits unter dem letzten Tagesordnungspunkt erwähnt, stehen die Ampelkoalition und die Landesregierung für die Menschen in Rheinland-Pfalz, für die Unternehmen in Rheinland-Pfalz und für das Land ein.

Vielerlei Maßnahmen, egal in welchem Bereich, sind über die letzten Wochen umgesetzt worden. Das Ziel war immer – auch mit staatspolitischer Verantwortung, die walten gelassen werden muss – im Blick.

Da vieles unter dem letzten Tagesordnungspunkt besprochen worden ist, möchte ich meine Rede nicht wiederholen. Wir sind uns einig in diesem Haus, dass wir Maßnahmen

brauchen. Aber ich darf auf einige Ihrer Punkte in Ihrem Antrag eingehen, weil wir finden, dass dieser so gänzlich nicht umsetzbar ist.

Punkt eins: Ausgleich entfallenden Nettoumsatzes. Wenn man sich die Statistik anschaut oder in den Mittelstandsbericht schaut, wird klar, wir haben 160.000 Unternehmen. Davon sind 99,5 % der Unternehmen kleine und mittlere bis 250 Mitarbeiter. Wenn wir 30 % Umsatzeinbußen hätten und gemäß Ihrem Antrag dann mit 10 % auf 80 % auffüllen, maximal auf 60.000 Euro kämen, dann entspräche dies – 159.000 Unternehmen mal 60.000 Euro– 9,5 Milliarden Euro.

(Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: Oho!)

Davon abgesehen, dass, wenn Sie in einem Unternehmen mit 250 Mitarbeitern sind, dies im Monat mit Gehältern, Löhnen und Sozialversicherungen auf ca. 500.000 bis 700.000 Euro Personalkosten kommt. Da sind 60.000 Euro wenig hilfreich. Wenn Sie in einer Corona-Pandemie Gelder anfordern, dann reden wir von einer Summe in Höhe von 3 bis 5 Millionen Euro, die Sie hier bräuchten. Mit 60.000 Euro werden Sie ausgelacht.

(Zuruf des Abg. Matthias Joa, AfD)

Punkt zwei: Sie fordern eine Investition für die digitale Infrastruktur in Höhe von 500 Millionen Euro.

Punkt drei: Erstattung von Übernachtungsrabatten, freie Museumseintritte, etc. Ich weiß nicht, ob Sie innerhalb Ihrer Fraktion reden. Der Kollege Schmidt sitzt in der EnqueteKommission Tourismus. Es gibt einen Trend in der Gesellschaft, viel zu erleben in kurzer Zeit. Wir haben in Rheinland-Pfalz eine Verweildauer von ungefähr 2,6 Tagen. Die Enquete-Kommission arbeitet mit Tatendrang daran, eine Strategie zu entwickeln, wie diese Verweildauer verlängert werden kann.

Das heißt, Ihre Forderung, bei sieben Nächten gibt es eine zusätzliche Übernachtung geschenkt, würde in der Luft verpuffen. Aber selbst wenn sie greifen würde, nehmen wir einmal ein Achtel von den 25 Millionen Übernachtungen, die wir in Rheinland-Pfalz haben, dann sind das drei Millionen Übernachtungen. Wenn ich 100 Euro im Schnitt rechnen würde, wären wir bei 3 Milliarden Euro.

(Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: Ha, ha!)

Der Rest, freie Museumseintritte etc., ist an dieser Stelle gar nicht bezifferbar.

Dann fordern Sie den Steuerverzicht auf die Umsatzsteuer. Das Finanzministerium möge mich verbessern, aber wenn wir bei ungefähr 7 Milliarden Euro Umsatzsteuereinnahmen sind und auf 4 % verzichten, wären wir ungefähr bei 1,5 Milliarden Euro, wobei das ein Bundesthema wäre, genauso wie die degressive Abschreibung, die Sie fordern.

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Wenn alle Ihre Forderungen in Erfüllung gehen würden und man die Summen addieren würde – ich mache es mir jetzt einmal so einfach, wie Sie als Oppositionspartei –, dann kämen wir auf 14,5 Milliarden Euro, die Sie auf anderthalb Seiten Papier ausgeben. 14,5 Milliarden Euro! Auf den Haushalt bin ich echt gespannt, der dieses Jahr kommt.

(Abg. Martin Haller, SPD: Das sind 29 Milliarden DM!)

Ich kann nur sagen, da hat wer im Haushalts- und Finanzausschuss, im Ausschuss für Wirtschaft, im Bereich des Tourismus und wo auch immer kräftig nicht aufgepasst, weil Ihnen auf jeden Fall ein Finanzierungskonzept fehlt. Woher soll das Geld denn kommen?

(Beifall der FDP, der SPD und des Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie fordern in Ihrem Antrag, keine Steuern, keine Gebühren und keine Abgaben zu erhöhen. Nein, Sie wollen diese Frist der Nichterhöhung sogar noch festschreiben. Liebe Landesregierung, wenn Sie jemandem ins Kreuz springen wollen, hier sitzen sie; denn irgendwo muss das Geld herkommen: Bildung, Schule, Gesundheit, Polizei. Woher auch immer. Irgendwo muss das Geld weggenommen werden, weil Sie 75 % des Landeshaushalts mit den anderthalb Seiten Papier ausgeben.

(Beifall der FDP, bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Letztendlich darf gesagt sein, der Antrag ist nicht durchdacht.

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Er ist nicht plausibel. Er ist einfach heruntergeschrieben. Keiner hat sich die Mühe gemacht, einmal nachzurechnen. Da machen Sie es sich als Oppositionspartei richtig einfach.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

Zu einer Kurzintervention hat der Abgeordnete Joa das Wort.

Lieber Herr Wink, Sie haben sich leider an einigen Stellen verrechnet,

(Heiterkeit der Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP)

aber Sie haben natürlich recht in einem Sinn. Das Gesamtprogramm ist natürlich teuer. Das ist richtig.

Einige Zahlen zum Vergleich.

(Heiterkeit bei der FDP)

Sie lachen, Sie würden sich besser einmal Gedanken über bestimmte Zusammenhänge machen, statt uns hier einfach verächtlich zu machen.

(Heiterkeit des Abg. Martin Haller, SPD – Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

750 Milliarden Euro EU, 1 Billion Euro für die Energiewende, Milliarden an Sozialkosten allein für Asylbewerber und illegale Migranten in Rheinland-Pfalz. So sieht es aus.

(Zurufe von der SPD)

Das heißt, wir müssen uns Gedanken machen – darauf wollte ich ein Stück weit hinaus –, für was wir unser Geld zukünftig ausgeben, weil die Bäume nicht mehr in den Himmel wachsen werden. Da haben Sie recht.

(Beifall bei der AfD)

Zum Umsatzsteuersatz. Eines ist klar. Erstens ist der bereinigte Nettoumsatz zu nennen, das heißt, ersparte Kosten werden entsprechend gegengerechnet, was den Betrag äußerst begrenzt, aber das immer noch zu einer teuren Maßnahme macht. Das ist natürlich richtig. Es ist auch richtig, wir können nicht alles in Rheinland-Pfalz komplett umsetzen. Da haben Sie recht. Allerdings haben wir besondere Zeiten, und besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen.

(Zuruf von der AfD: Sehr gut!)

Ich gehe davon aus, dass der Bund noch ein entsprechendes Programm auflegen wird, zumindest folgt man mittlerweile unserer Diskussionsgrundlinie, was die Systematik angeht, und dass das Land dann am Ende nur noch ergänzen muss, wo es nicht ganz passt. In der Realität werden die Summen nicht so hoch sein.