Protokoll der Sitzung vom 28.05.2020

Die anderen sagen aber, es geht uns vielleicht zu schnell, weil sie Angst um den Infektionsschutz und auch um die eigene Gesundheit haben. Das sind genauso gute Argumente, und beide Seiten kann man verstehen. Die CDU schafft es ja sogar, beide Positionen gleichzeitig zu fordern. Es geht Ihnen zu langsam und zu schnell zugleich.

Aber, meine Damen und Herren, ich will daran erinnern, die Ursache für die Situation ist doch keine politische, sondern eine Pandemie, ein verdammt aggressives Virus. Die Schließung von Kitas und von Schulen hatte das Ziel, die rasche Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen und viele Leben zu retten. Wenn man sich die Zahlen anschaut, dann war diese Strategie doch offenkundig erfolgreich, und es ist eigentlich schade, dass man in dieser Debatte daran noch einmal erinnern muss.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, die Diskussion in BadenWürttemberg durch die dortige Studie ist bereits angeklungen. Ich bin sehr dankbar, dass diese Studie gemacht wird, weil sie eben zu einer faktenbasierten Diskussion beiträgt. Sie zeigt erneut, dass Kinder und Jugendliche vom Virus weit weniger betroffen sind und dass sie keine Superspreader sind, wie an manchen Stellen doch eine gewisse Panik verbreitet wurde.

Diese jungen Menschen, die Kinder, die Jugendlichen, und Familien haben in den letzten Wochen und Monaten unglaublich viel zurückgesteckt. In vielen Gesprächen mit den jungen Menschen, vor allem auch mit Schüler- und Schülerinnenvertretungen, stelle ich fest, dass sie das sehr verantwortlich tun, mit einer großen Verantwortung für die gesamte Gesellschaft. Sie haben einen ganz großen Beitrag dazu geleistet, dass dieses Virus eben nicht in größerem Maße auch die älteren Generationen erfasst hat und ihre Großeltern nicht in hohem Maße davon betroffen wurden. Ich finde, unsere Gesellschaft muss dieser jungen Generation dafür sehr dankbar sein,

(Beifall der Abg. Giorgina Kazungu-Haß, SPD)

und ich finde auch, unsere Gesellschaft muss dieser jungen

Generation dafür auch etwas zurückgeben, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Ja, deswegen gilt es, die Voraussetzungen für den regulären Schul- und Kitabetrieb auch in Corona-Zeiten zu schaffen. Dazu zählt eben, dass der Hygiene- und Infektionsschutz entsprechend eingeübt wird. Dazu zählt, dass wir den Durchbruch schaffen bei der digitalen Bildung. Ich bin froh, dass seit der Corona-Pandemie auch Sie von der CDU nicht mehr auf der Bremse stehen, sondern mit uns gemeinsam den Weg nach vorne gehen, was digitales Lernen und digitale Bildung angeht.

Natürlich müssen wir uns auch darüber Gedanken machen, wie wir dies in den Ferien nutzen können, wie wir auch in Corona-Zeiten vor allem sozial schwächeren Schülern Angebote in den Ferien machen können, dass sie nicht komplett abgehängt werden. Das ist alles richtig.

Aber ich glaube eben auch, dass eines doch offenkundig wird: Wir dürfen in der Politik – das ist uns Grünen immer wichtig – gerade in der Diskussion, wie wir aus der Pandemie herauskommen, welche Dinge wir zuerst öffnen, nicht dem nachgeben, der am lautesten schreit und die größte Lobby hat. Dabei kommen die Interessen von Kindern und Familien leider viel zu oft zu kurz. Stattdessen müssen wir danach gehen, was wirklich die soziale Realität ist und unsere Gesellschaft braucht. Dabei geht es um das ganz konkrete Lebensmodell von Familien. Ich sage Ihnen, Eltern können nicht verstehen,

(Glocke der Präsidentin)

warum die Fußball-Bundesliga wieder spielen darf, aber die Kita geschlossen bleibt. Für diese Familien wollen wir eine Perspektive, und auch deswegen ist es gut, dass wir eine Perspektive für einen regulären Schul- und Kitaunterricht spätestens nach den Sommerferien bekommen.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei SPD und FDP)

Das Wort hat die Abgeordnete Lerch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Normalen Unterricht nach den Sommerferien, ja, das würden wir uns alle wünschen. Aber es gibt ein „Aber“. Nicht alle glauben daran; denn es gibt bestimmte Vorschriften zu beachten, nämlich die Hygienevorschriften, die Ihnen allen bekannt sind.

Wenn wir in unsere Schulen schauen – und Corona ist noch mitten unter uns, das wissen wir alle –, dann wissen wir

auch, dass die Hygienevorschriften in den Schulen nach wie vor zu wünschen übrig lassen. Denken Sie an die Schultoiletten. Denken Sie an die fehlenden Waschbecken in den Klassenräumen, oder denken Sie daran, dass Seife bis vor Kurzem noch ein Fremdwort war in den Schulen. – Jetzt gibt es so etwas.

(Zurufe aus dem Hause – Abg. Bettina Brück, SPD: Och ja!)

Ich war 35 Jahre an der Schule, ich habe nie Seife erlebt.

Jetzt kommt der Philologenverband und sagt: Wir gehen davon aus, dass für die Oberstufe das ganze nächste Schuljahr digitaler Unterricht sein muss. – Meine Damen und Herren, sollte sich das wirklich bewahrheiten, dann werden wir noch größere Probleme bekommen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Michael Frisch, AfD)

Schließlich stellt sich die Frage: Was wird in den Sommerferien passieren? Ich habe gestern Morgen eine Kleine Anfrage an die Landesregierung geschickt. Sprachkurse wurden erwähnt, Förderkurse wurden erwähnt. Ja, ich frage: Für wen und durch wen? Freiwillig oder verpflichtend? Das sind alles offene Fragen, mit denen wir uns beschäftigen müssen, und die Antworten sind nicht trivial; denn davon hängt der Lernerfolg ab, den unsere Schülerinnen und Schüler haben werden.

Meine Damen und Herren, die Schulen beklagen die Kurzfristigkeit der Konzepte, und das zu Recht. Das haben wir gestern zur Genüge diskutiert. Wie sieht denn das Abbild der Realität aus? Ja, wir haben viele engagierte Lehrerinnen und Lehrer. Wir haben – diese Zahlen sind mittlerweile in den Medien publik – ein Drittel der Lehrerinnen und Lehrer, die digital gut aufgestellt sind. Wir haben ein Drittel, die sind – na ja – so mittelmäßig aufgestellt, aber wir haben auch ein Drittel an Lehrerinnen und Lehrern, die dringend Nachholbedarf haben und Weiterbildung brauchen. Da stellt sich natürlich die Frage: Was passiert inhaltlich in den Schulen?

Die Realität ist breit. Wir haben tolle Sachen, aber wir haben – das haben wir gestern auch gehört – Dinge, die nicht so gut laufen. Das Einscannen von Schulbuchseiten ist noch keine Digitalisierung. Dem kann ich nur zustimmen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich komme zu einem weiteren Punkt, und dann muss ich wegen meiner dreiminütigen Redezeit schon schließen, gehe aber in die zweite Runde.

Wer entscheidet eigentlich, was gelernt wird?

(Abg. Gerd Schreiner, CDU: Sehr gute Frage!)

Mit dieser Frage gehe ich in die zweite Runde.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Jens Ahnemüller, fraktionslos)

Für die Landesregierung spricht Staatsministerin Dr. Hubig.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! „Rückkehr zum geregelten Schul- und Kitaalltag“ – offen gestanden verwundert mich dieser Antrag sehr; denn seit dem 27. April, seit mehr als vier Wochen, findet genau das in Rheinland-Pfalz statt:

(Zuruf des Abg. Gerd Schreiner, CDU)

eine Rückkehr zum geregelten Schulalltag, und ab dem 8. Juni werden alle Kinder und alle Jugendlichen in RheinlandPfalz in Kita und Schule sein.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Rückkehr zum Kita- und zum Schulalltag läuft, und sie läuft hervorragend. Es ist unsere oberste Priorität.

(Abg. Gerd Schreiner, CDU: Und die Erde ist eine Scheibe, eine ganz flache Scheibe! – Zuruf der Abg. Ellen Demuth, CDU – Weitere Zurufe von der CDU)

Ich kann nur sagen, Tausende Schülerinnen und Schüler hatten einen erfolgreichen Start, das wissen Sie genauso gut wie ich, und das ist vor allen Dingen auch den Schulen in Rheinland-Pfalz zu verdanken, die das hervorragend machen, gemeinsam mit der Schulaufsicht und auch mit uns im Bildungsministerium.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich verspreche Ihnen, unser Ziel ist es, so viel Normalität wie möglich und so schnell wie möglich, genau so, wie es die Ministerpräsidentin gestern gesagt hat und wie auch ich es an den übrigen Tagen schon gesagt habe.

Aber, meine Damen und Herren, wir tragen auch eine große Verantwortung. Wir tragen Verantwortung für das Recht auf Bildung und für die Zukunft unserer Kinder. Wir tragen die Verantwortung für die Familien in unserem Land und dafür, dass sie Familie und Beruf vereinbaren können. Deshalb dürfen wir gerade jetzt keine Schnellschüsse machen, die wir hinterher, wie in anderen Ländern, wieder zurücknehmen müssen. Wir müssen mit Augenmaß vorgehen, damit unser Weg in die Normalität nicht nur für drei Wochen ist, sondern damit unser Weg in die Normalität so fortgesetzt werden kann, wie wir dies seit zweieinhalb Monaten tun.

Dabei dürfen wir eines nicht vergessen: Wir tragen auch Verantwortung für die Gesundheit unserer Schülerinnen und Schüler und der Kinder, unserer Lehrerinnen und Leh

rer, der Erzieherinnen und Erzieher und der Familien in unserem Land. Ich darf einmal einen Unterstützer unserer Strategie der verantwortlichen und nachhaltigen Öffnung zitieren:

„Es geht nicht darum, alle Kitas morgen wieder vollständig zu öffnen. (...) Geöffnet werden muss so schnell und so weit wie verantwortbar.“ – Christian Baldauf, 8. Mai, also vor nicht einmal drei Wochen.

Heute sind wir beim Öffnen viel weiter, und wir haben eine noch viel größere Perspektive als die, die damals abzusehen war. Herr Baldauf, es ist schade, dass Sie das vergessen haben; aber vielleicht fällt es Ihnen ja auch wieder ein.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Heute ist der 28.! Meine Güte!)

Sie machen ja des Öfteren einmal unterschiedliche Aussagen zu denselben Dingen.