Protokoll der Sitzung vom 27.08.2020

Aber Herr Baldauf ist derjenige, der hier die größte Kritik geäußert hat, meine Damen und Herren.

Das, was die CDU da vorschlägt, ist nicht in die Zukunft weisend. Das ist so ein bisschen eine Litanei, die wir hier jedes Mal hören. Da wird vorgebetet, die Fraktion applaudiert, dann wird weiter vorgebetet. Es ist aber immer das gleiche Schema, und dieses Schema ist: Wir haben keine Ideen. Wir finden nur schlecht, was die Regierung macht. – Meine Damen und Herren, das kann so nicht weitergehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei SPD und FDP)

Das Parlament braucht doch auch die Opposition. Sie muss uns doch vorantreiben. Ich will doch nicht, dass wir uns immer selbst vorantreiben müssen. Meine Damen und Herren, es wäre schön, Sie würden neue Ideen mit einbringen. Wir könnten um diese besten Ideen konkurrieren und müssten nicht alleine durch die Gegend laufen.

Meine Damen und Herren, gegen Schluss vielleicht noch der Hinweis: Ich glaube, dieser Haushalt, dieser Nachtragshaushalt, ist natürlich schon ein Kraftakt, nicht für die Landesregierung, eher für die Bürgerinnen und Bürger, die die Steuern zahlen in diesem Land. Wir können und müssen jetzt aber reagieren, und wir müssen dafür sorgen, dass es weitergeht. Wenn wir jetzt einen Einbruch hätten, der dann durch Sparen in den öffentlichen Haushalten, in den Kommunen, noch weiter abgewürgt wird, dann würden wir in eine Arbeitslosigkeit schlittern, die unverantwortlich ist.

Deswegen ist das hier kein Schuldenmachen, sondern ein verantwortliches Investieren. Ich danke der Finanzministerin für die Vorschläge, die sie gemacht hat. Wir werden sie natürlich im Parlament, in den Fraktionen und im Ausschuss diskutieren und uns dann hier in einigen Wochen zur Verabschiedung wiedersehen.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Zu einer Kurzintervention auf die Ausführungen des Abgeordneten Dr. Braun darf ich der Abgeordneten Dr. Groß das Wort erteilen.

Vielen Dank. – Sagen Sie einmal Herr Braun, ich wusste gar nicht, dass Sie einen virologischen bzw. epidemiologischen Background haben. Zu behaupten, dass die Fälle in den Krankenhäusern wahrscheinlich wieder ansteigen werden – ich muss Ihnen ehrlich sagen –, das ist eine Unverschämtheit.

(Abg. Martin Haller, SPD: Eine Unverschämtheit!)

Vor allen Dingen tun Sie damit kund, dass Sie sich mit Zahlen und mit dem tatsächlichen Geschehen überhaupt nicht beschäftigen.

(Beifall der Abg. Gabriele Bublies-Leifert, fraktionslos)

Ich will Ihnen einmal sagen, wie die Zahlen in den Krankenhäusern sind, weil Sie das offensichtlich nicht wissen. Derzeit liegen in bundesdeutschen Krankenhäusern auf den Intensivstationen – man muss es in Potenzen ausdrücken, weil es so wenig ist, ich hoffe, Sie können etwas damit anfangen –

(Abg. Martin Haller, SPD: Es ist eine Unverschämtheit!)

3 x 10-4. Das bedeutet: 223 Fälle.

(Zurufe der Abg. Marco Weber, FDP, und Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt bin ich dran. Das Robert Koch-Institut (RKI) meldet: 0,96 % der Getesteten sind SARS-CoV-2-positiv. Die Zahlen gehen kontinuierlich zurück. Das wollen Sie nicht wahrhaben, weil Sie Panik und Hysterie verbreiten wollen, aber die Bürger möchten irgendwann vielleicht auch einmal Hoffnung spüren, und es gibt diese Hoffnung. Wenn Sie sich nur einmal die Mühe machen, einmal genau und akribisch in alle Zahlen zu gehen, dann brauchen wir Ihre Panikmache und vor allen Dingen Ihr Unvermögen hier nicht.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD – Abg. Sven Teuber, SPD: Deswegen trägt Sie auch keine Maske!)

Zur Erwiderung hat der Abgeordnete Dr. Braun das Wort.

Ja, danke, dass Sie die Zahl, die ich genannt habe, bestätigt haben. Das ist schon einmal gut, das ist kein Fake. Was mich allerdings wirklich mit Sorge umtreibt, ist, dass Sie hier so tun, als müsste man die Entwicklung des Virus nicht ernst nehmen. Ich glaube, alle hier in diesem Parlament, außer der AfD oder Ihrer gesundheits- oder krankheitspolitischen Sprecherin – ich weiß nicht, wie man das bei Ihnen nennt –,

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei SPD und FDP)

haben wohl eine andere Meinung als die AfD. Wir nehmen diese Krankheit sehr ernst,

(Abg. Uwe Junge, AfD: Wir auch!)

und wir machen deswegen die Vorbeugung bei dieser Krankheit, und wir demonstrieren nicht

(Zuruf der Abg. Dr. Sylvia Groß, AfD)

gegen die Maßnahmen, sondern wir wägen Maßnahmen ab, und das aus Vorsorge und aus Verantwortung, nicht aus Panikmache und nicht aus Gutglauben. Ich weiß nicht, ob Sie bei Trump gelernt haben oder sonst wo. Das ist nicht das, was wir hören können, müssen und wollen.

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Wir werden weiterhin verantwortlich handeln in diesem Hause, und ich bin dankbar, ich bin wirklich dankbar, dass es diese Mehrheit der Vernünftigen in Rheinland-Pfalz gibt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei SPD, vereinzelt bei der CDU und bei der FDP)

Nun hat die fraktionslose Abgeordnete Bublies-Leifert das Wort.

(Abg. Sven Teuber, SPD: Das heißt Mund-Nasen-Schutz. Das muss über die Nase! – Abg. Gabriele Bublies-Leifert, fraktionslos, auf dem Weg zum Rednerpult: Ich habe ein Attest! – Abg. Sven Teuber, SPD: Dann können Sie es auch gleich weglassen!)

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute diskutieren wir gemeinsam über einen Nachtragshaushalt, der in seinem Umfang nicht nur beachtlich, sondern bei durchdachteren und weniger panischen Reaktionen seitens der politisch Verantwortlichen vermutlich auch vermeidbar gewesen wäre.

Ich erinnere nur daran: Wir hatten 2017/2018 weit über 25.000 Grippetote. Hätte man da auch schon einen Lockdown verzapft, sähe die Wirtschaft wahrscheinlich jetzt noch desolater aus, als wir sie jetzt schon haben.

Gleichzeitig sehen wir an diesem Haushalt, was auf einmal möglich ist. Wo es vor Corona noch keinen finanziellen Handlungsspielraum gegeben hat, ist jetzt plötzlich Geld da, Stichwort Fiatgeld, creatio ex nihilo.

So veranschlagen Land und Bund gemeinsam bei der Einrichtung eines Sondervermögens zur nachhaltigen Bewältigung der Corona-Pandemie allein in Rheinland-Pfalz weit über 1 Milliarde Euro an Steuergeldern, welche im Nachhinein erst einmal wieder von den künftigen Generationen aller Steuerzahler erwirtschaftet und refinanziert werden müssen, bei einer bereits bestehenden Verschuldung in Rheinland-Pfalz von rund 30 Milliarden Euro, Stand März 2020.

Der größte Posten beim Sonderfonds ist der Ausgleich der

Ausfälle bei der Gewerbesteuer. Hier plant man mit bis zu 253 Millionen Euro. Auch der öffentliche Nahverkehr wird mit bis zu 75 Millionen Euro bedacht, weil durch die derzeitige Gesetzeslage und die Maßnahmen bereits ein erheblicher Einbruch bei den Zahlen der Transportierenden zu verzeichnen ist.

Wenn ich aber sehe, dass plötzlich 50 Millionen Euro für die Digitalisierung der Hochschulen veranschlagt werden und für die Beseitigung der Engpässe bei der Breitbandkapazität im gesamten Bundesland mit 122,3 Millionen Euro geplant wird, dann muss man sich über die Relation doch etwas sehr wundern. Auch wäre in diesem Punkt schon vorab eine entsprechende Transparenz sehr sinnvoll gewesen. Wann wollen Sie wo wie viel hier investieren? Wie sehen die Prioritäten für die großen Städte im Vergleich zum ländlichen Raum, der derzeit in vielen Regionen regelrecht abgehängt ist, aus?

Jedes Mal, wenn ich mit dem Zug vom Kreis Birkenfeld nach Mainz fahre, lande ich beim Telefonieren in Funklöchern. Das Internet ist erst recht nicht vorhanden.

(Zurufe aus dem Hause)

Wie soll die Wirtschaft in Rheinland-Pfalz im digitalen Zeitalter ankommen, wenn wir uns derzeit noch im digitalen Mittelalter – ich möchte nicht sagen, in der Steinzeit – befinden? Vom automatischen Fahren durch 5G möchte ich hier erst gar nicht anfangen.

Statt diese Situation zu nutzen und jetzt dort Gelder freizugeben, wo sie längst überfällig und notwendig sind, betreiben Sie auch noch Klientelpolitik. Die 50 Millionen Euro für Unternehmen im erneuerbaren Bereich und Umweltsektor wären für die Renovierung des Straßennetzes im ländlichen Raum weitaus sinnvoller und nachhaltiger gewesen.

Allein gestern und heute durfte ich bei der Fahrt zum Bahnhof mit meinem klimaneutralen E-Fahrrad wieder die gesamten Missstände der Straßen erleben. Statt Fahrradwege und Straßen ohne Schlaglöcher haben wir gerade bei stürmischem Wetter derzeit eine desolate Situation, die für Fahrradfahrer sogar teilweise lebensgefährlich ist.

(Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch stellt sich die Frage, wie die Kofinanzierung des „Zukunftsprogramms Krankenhäuser“ im Hinblick auf die Krankenhäuser im ländlichen Raum genau funktionieren soll. Wird dadurch zum Beispiel auch der Fortbestand der Klinik in Kirn zumindest mittelfristig gesichert? Wie will man im Rahmen der ganzen Zentralisierung des Klinikangebots ein schnelles medizinisches Eingreifen im Notfall gerade auf dem Land garantieren? Was wird von den 45 Millionen Euro für die Stärkung der Unikliniken verwendet? Wie viel geht hiervon in die Forschung und/oder in die Modernisierung?

Dazu kommen noch viele weitere Punkte, die ich eigentlich gerne ausführen würde, wenn ich mehr Zeit hätte.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Ministerpräsidentin, Frau Finanzministerin, dieses Ansinnen muss in dieser Art und Weise als Schaufenstergesetz bezeichnet werden. Hier wird mit Beiträgen hantiert, ohne ein nachhaltiges und zukunftsfähiges Konzept zu haben,

(Glocke des Präsidenten)