Protokoll der Sitzung vom 28.08.2020

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe den letzten Tagesordnungspunkt für heute, Punkt 31 der Tagesordnung, auf:

Das Gesundheitswesen ist integraler Bestandteil der Daseinsvorsorge – Lehre an der Universitätsmedizin Mainz auskömmlich finanzieren! Antrag der Fraktion der AfD – Drucksache 17/12773 –

Wer spricht für die AfD? – Die Abgeordnete Groß.

Sehr geehrtes Präsidium, geehrte Abgeordnetenkollegen!

Das rheinland-pfälzische Ärzteblatt hat noch einmal die Problematik aufgegriffen und titelte im Mai 2020: „Medizinstudierende kämpfen für eine bessere Lehre und fühlen sich dabei nicht ernst genommen“.

Meine Damen und Herren, das Medizinstudium ist eine praxisorientierte Ausbildung, in deren Zentrum der Patientenkontakt steht. Dieser Kontakt wird im Humanmedizinstudium maßgeblich über den Unterricht am Patientenbett gesichert.

Klinikdirektoren und Medizinstudenten haben in der jüngeren Vergangenheit bereits durch Brandbriefe an Frau Dreyer die massiven finanziellen und strukturellen Probleme infolge chronischer Unterfinanzierung in der Lehre durch die Landesregierung aufgezeigt. Auch der Landesärztekammerpräsident kommentiert, es dürfe nicht zugelassen werden, dass die Lehre an der Universitätsmedizin Mainz an ihr Limit kommt.

Die Medizinstudenten stellen infrage, dass in fünf Jahren noch eine approbationsgerechte Lehre stattfinden kann, befürchten eine akute Gefährdung der zukünftigen Krankenversorgung und prophezeien, wenn in Rheinland-Pfalz künftig nicht gut ausgebildet wird, werden viele das Land verlassen und nicht hier in die regionale Versorgung einsteigen. – Prima.

Sie beklagen, durch einen finanziell bedingten Mangel an personellen Ressourcen könne die Kapazität der Universitätsmedizin nicht ausgeschöpft werden. Ein Betreuungsverhältnis von 1 : 26 Studenten sei unzureichend. Sie kritisieren, zu zehnt in zwei Reihen um das Krankenbett herum zu stehen. Meine Damen und Herren, diese Zustände behindern den Lernerfolg und sind eine Zumutung für die Patienten.

(Beifall der AfD)

Des Weiteren fehlten geeignete Räumlichkeiten für notwendige Nachbesprechungen, und zwar in Kleingruppen. Es fehle insgesamt an modernen Geräten und zeitgemäßer Ausstattung. Sie beanstanden die Unterbesetzung in den Studentensekretariaten, die zu den Problemen im Ablauf der Lehrveranstaltungen führen, und die nach wie vor unzureichende mediale und digitale Ausstattung. So gebe es für Studenten und Lehrpersonal kaum zugängliches WLAN, auch nicht auf der Station.

Meine Damen und Herren, wie sollen denn die zukünftigen Ärzte mit der vernetzten Medizin zurechtkommen, wenn sie während ihrer ärztlichen Ausbildung damit nicht ausreichend konfrontiert worden sind? Dabei hatte doch der Wissenschaftsrat in einer Stellungnahme zur Weiterentwicklung der Universitätsmedizin bereits 2017 empfohlen, in der Lehre insgesamt noch stärker moderne Entwicklungen aufzugreifen, die Digitalisierung zu beschleunigen und mit mehr finanziellen Mitteln zu unterlegen.

Weiter rügen die Medizinstudenten die unzureichende Finanzierung der 3.440 Medizinstudienplätze. Hier fehlen

jährlich 20 Millionen Euro, weil die Kosten von der Landesregierung nur halbherzig finanziert werden. Diese Finanzierungslücke muss geschlossen werden, meine Damen und Herren.

(Beifall der AfD)

Forschung und Lehre dürfen, so der Landesrechnungshof, nur wahrgenommen werden, wenn ihre Finanzierung sichergestellt ist. Der Jahresbericht des Landesrechnungshofs 2020 erläutert, dass die Betriebsmittel zur Finanzierung des Bereichs Forschung und Lehre aus den verschiedensten Haushalten zwar von 86 Millionen Euro im Jahr 2009 auf 95 Millionen Euro im Jahr 2018 gestiegen seien. Aber die Mittel, die nach Abzügen und Verrechnungen unter anderem für die Bereitstellung von Flächen der Universität übrig blieben, reichten schon in den Jahren 2014 bis 2018 zur Deckung konsumtiver Ausgaben nicht aus.

Seit Jahren postuliert der Landesrechnungshof gegenüber der Landesregierung die Notwendigkeit, den Landeszuführungsbetrag zu erhöhen. Der Grundbetrag für Forschung und Lehre ist, von zwischenzeitlichen Sonderförderungen abgesehen, seit 20 Jahren bei 60 Millionen Euro eingefroren, von 1996 bis 2016. Hier entsteht, ganz genau wie bei unseren Krankenhäusern, ein riesiger Investitionsstau. Die in den Doppelhaushalt eingestellten 10 Millionen Euro für die Jahre 2019 und 2020 reichen nicht.

Meine Damen und Herren, so kann es nicht weitergehen. Die Kritik ist nachvollziehbar und derartig erdrückend, dass die Landesregierung sie nicht einfach negieren kann. Das Gesundheitswesen bildet den größten Anteil am gesamten Umfang der Daseinsvorsorge und ist ganz sicher systemrelevant. Die Landesregierung steht in der Pflicht, die Gesundheitsfürsorge ihrer Bürger durch verantwortungsbewusste Steuerung von Quantität und Qualität in der Lehre zu gewährleisten. Nur so kann die qualitativ hochwertige Versorgung unserer Patienten aufrechterhalten werden. Sie haben auch ein Recht darauf.

Wir bitten Sie, unserem Antrag zuzustimmen, die Lehre auskömmlich und kostendeckend zu finanzieren. Setzen Sie um, was Sie vor viereinhalb Jahren im Koalitionsvertrag versprochen haben:

(Glocke der Präsidentin)

„Wir legen einen besonderen Schwerpunkt auf die Qualifizierung des medizinischen Nachwuchses.“

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall der AfD)

Für die Koalitionsfraktionen spricht der Abgeordnete Thomas Roth.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gab ein Gentlemen’s Agreement im Ältestenrat dahin gehend, über die Tagesordnungspunkte, die am Donnerstag, dem 24. Juni 2020, aufgrund eines Corona-Verdachtsfalls nicht behandelt werden konnten, in den vergangenen Tagen ohne Aussprache abzustimmen. Alle Fraktionen außer der AfD halten sich daran.

(Zuruf des Abg. Uwe Junge, AfD)

Ich erspare mir, heute über die Bedeutung von solchen Agreements zu sprechen, aber der jetzige Tagesordnungspunkt ist nicht gentlemanlike.

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Das zur Einführung.

(Beifall bei FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU – Zuruf des Abg. Uwe Junge, AfD)

Vor allem wurde das alles bereits inhaltlich in einer Aktuellen Debatte Anfang dieses Jahres ausführlich abgearbeitet;

(Zuruf von der SPD: Richtig!)

denn am 29. Januar 2020 hatte die CDU diese Debatte bereits auf die Tagesordnung setzen lassen. Jetzt wärmt die AfD das Ganze als Dublette noch einmal auf und verweist auf eine Aussage im Ärzteblatt vom Mai. Was wollen Sie eigentlich damit erreichen?

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Haben Sie den Antrag gelesen?)

Die Corona-Pandemie ist selbstverständlich von Verunsicherung und viel Vorsicht geprägt. Doch entweder reden Sie, wie gestern, die Pandemie klein, oder Sie verbreiten unnötige Angst; Angst, dass für die Versorgung in der Universitätsmedizin Geld und Ärzte fehlen könnten. Das ist doch nicht zutreffend.

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Das Gesundheitswesen in Rheinland-Pfalz ist gut aufgestellt. Dafür sorgen wir mit zahlreichen Maßnahmen, über die wir im Landtag schon häufig gesprochen haben.

Gerade die Medizinerausbildung in Mainz ist besonders erfolgreich. Mainz ist in Deutschland der drittgrößte Studienort für Medizin. Die Universitätsmedizin ist der größte Arbeitgeber in Mainz und auch der größte Ausbilder

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

in ganz unterschiedlichen Berufen, nicht nur in den medizinischen. Mit 140 Professorinnen und Professoren ist die Betreuungsrelation in der Medizin auf einem sehr guten Niveau.

Wir haben erst im vergangenen Jahr die Zahl der Medizinstudienplätze noch einmal erhöht, verbunden mit einer Quote für die Gewinnung von Landärzten. Der Wissenschaftsrat hat die Entwicklung in der Lehre ausdrücklich gelobt. Das gilt insbesondere für die Einrichtung der Rudolf Frey Lernklinik. Die Universitätsmedizin Mainz betreibt Spitzenmedizin und trägt den Namen „Exzellenz in Forschung“.

Das Universitätsklinikum punktet in der Forschung mit medizinischen Erfolgen, auf die Rheinland-Pfalz stolz sein kann. Gerade während der Corona-Krise hat die Universitätsmedizin ihren hohen Standard erneut unter Beweis gestellt und eine exzellente Krankenversorgung ermöglicht. Dabei hat sie in Rheinland-Pfalz eine Schlüsselrolle übernommen.

Der Vorstand der Universitätsmedizin Mainz und das Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur arbeiten sehr eng zusammen, um die strukturellen Herausforderungen an der Universitätsmedizin in Mainz zu meistern. Schon im Januar hat der Vorstandsvorsitzende der Universitätsmedizin Stellung zu den Kritikpunkten der Studierenden genommen. Die Beanstandungen konnten dabei überwiegend entkräftet werden.

Es besteht also keinerlei Anlass für ein Horrorszenario. Es macht auch keinen Sinn, Ängste zu schüren. Aus unterschiedlichen statistischen Ansätzen der Kostenberechnung eine Unterfinanzierung zu konstruieren, wird der Sache nicht gerecht.

Es ist Aufgabe des ärztlichen Personals der Universitätsmedizin, neben der Krankenversorgung auch Aufgaben im Bereich Forschung und Lehre zu übernehmen. Die Organisation des Lehrbetriebs ist die gesetzliche Aufgabe des wissenschaftlichen Vorstands der Universitätsmedizin, und hierzu zählt auch die Organisation der Studierendenverwaltung.

Ein für Studenten und das Lehrpersonal zugängliches WLAN-Netz gibt es nach Auskunft der Universitätsmedizin in allen Hörsälen und fast allen Seminarräumen. Der restliche Ausbau erfolgt bis Ende 2021 stationsweise.

Wie wir bereits aus der Aktuellen Debatte im Januar wissen, erhält der Bereich Forschung und Lehre der Universitätsmedizin jährlich rund 94,5 Millionen Euro. Zusätzlich wurden im aktuellen Doppelhaushalt weitere 6 Millionen Euro für den laufenden Betrieb im klinischen Bereich und 4 Millionen Euro für allgemeine Investitionen bereitgestellt.

In der Klinik und in der Poliklinik für Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten wurden unlängst neue Behandlungsstühle für rund 300.000 Euro angeschafft. Das Land investiert über 70 Millionen Euro in den Neubau einer Zahn-, Mund- und Kieferklinik. Hinzu kommen aus dem ersten Nachtragshaushalt weitere 45 Millionen Euro für die Unimedizin. Obendrein erhält sie einen Teil der 50 Millionen Euro, die die Hochschulen für die Digitalisierung aus dem zweiten Nachtragshaushalt bereitgestellt bekommen.

Meine Damen und Herren, Rheinland-Pfalz tut also sehr viel und stellt im Rahmen seiner Möglichkeiten ausreichend Geld für die Gesundheit und für die Lehre bereit.

Haben Sie vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)