Protokoll der Sitzung vom 17.09.2020

Haushalts- und Finanzausschusses liegen Ihnen vor.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Landesregierung hat den Entwurf des Nachtragshaushaltsgesetzes 2020 am 19. August 2020 und den Entwurf des CoronaSondervermögensgesetzes am 18. August dieses Jahres in den Landtag eingebracht. Der Landtag hat beide Gesetzentwürfe in erster Lesung in der 106. Plenarsitzung am 27. August 2020 beraten und gemeinsam an den Haushaltsund Finanzausschuss überwiesen. Dieser beriet die Gesetzentwürfe in seiner 70. Sitzung am 1. September dieses Jahres.

Die Fraktionen hatten sich noch vor der Einbringung darauf verständigt, diese Sitzung um eine Woche vorzuverlegen, um hinreichend Zeit für die Beratungen zu haben. Hierfür darf ich mich als Vorsitzender des Haushalts- und Finanzausschusses bei allen Kolleginnen und Kollegen des Ausschusses bedanken.

An der Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses nahmen auch Vertreter verschiedener Fachausschüsse, namentlich des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr, des Ausschusses für Gesundheit, Pflege und Demografie, des Sozialpolitischen Ausschusses, des Innenausschusses, des Ausschusses für Familie, Jugend, Integration und Verbraucherschutz, des Ausschusses für Bildung, des Ausschusses für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten sowie des Ausschusses für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur teil.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im April dieses Jahres hat der Landtag unmittelbar nach Beginn der CoronaPandemie und den damit verbundenen schwerwiegenden Folgen für die gesamte Gesellschaft einen ersten Nachtragshaushalt beschlossen. Noch vor der Sommerpause hat die Ministerin der Finanzen einen zweiten Nachtragshaushalt angekündigt, den sie unmittelbar nach den Sommerferien dem Landtag vorgelegt hat. Hierüber werden wir heute abschließend beraten.

Parallel zu diesem Entwurf des Zweiten Nachtragshaushaltsgesetzes 2020 ist in einem weiteren Gesetzentwurf die Errichtung des Sondervermögens „Nachhaltige Bewältigung der Corona-Pandemie“ vorgesehen. Auch hierüber wird heute der Landtag entscheiden.

Die Ausmaße der Corona-Pandemie hinsichtlich der aktuellen Situation der Wirtschaft sind gravierend. RheinlandPfalz steht vor einem Einbruch der Steuereinnahmen von über 2 Milliarden Euro in diesem und 875 Millionen Euro im nächsten Jahr. Die aktuelle Steuerschätzung von letzter Woche hat diese Zahlen nochmals bestätigt. Insgesamt sind im zweiten Nachtragshaushaltsplan 2020 Gesamteinnahmen von rund 17,2 Milliarden Euro bei Gesamtausgaben von rund 20,7 Milliarden Euro vorgesehen. Die im ersten Nachtragshaushalt veranschlagte Nettokreditaufnahme steigt von knapp 640 Millionen Euro um rund 2,8 Milliarden Euro auf etwas über 3,4 Milliarden Euro.

Mit dem zweiten Nachtragshaushalt werden die coronabedingten Steuerausfälle ausgeglichen und die im ersten

Nachtragshaushalt noch pauschal im Einzelplan 20, dem Bereich der Allgemeinen Finanzen, etatisierten CoronaHilfen in den jeweiligen Einzelplan umgesetzt. Darüber hinaus wird das Sondervermögen „Nachhaltige Bewältigung der Corona-Pandemie“, das vom Landtag mit dem als Entwurf vorliegenden Corona-Sondervermögensgesetz noch zu bilden ist, mit den notwendigen finanziellen Mitteln ausgestattet.

Mit dem Sondervermögen werden Maßnahmen gebündelt, mit welchen die über das Jahr 2020 hinaus anhaltenden negativen Folgen der Pandemie bewältigt oder zumindest abgemildert werden sollen. Hierzu werden Mittel des Landeshaushalts im Umfang von über 1 Milliarde Euro bereitgestellt, um das Gesundheitswesen zu stärken, die Wirtschaft nachhaltig anzukurbeln, das Recht auf Bildung zu wahren und die Kommunen zu unterstützen.

Im Einzelnen sind dies 270 Millionen Euro zur Unterstützung der Krankenhäuser, der Pandemievorsorge im Gesundheitswesen sowie für die Unimedizin. Für den öffentlichen Personennahverkehr, der durch die Corona-Krise erhebliche Einnahmeausfälle zu verzeichnen hat, werden in Ergänzung zu den Mitteln des Bundes Landesmittel in Höhe von bis zu 75 Millionen Euro bereitgestellt. Für Vertretungslehrkräfte werden zu den 15 Millionen Euro aus dem ersten Nachtragshaushalt weitere 25 Millionen Euro bereitgestellt.

Der digitale Wandel an den Hochschulen wird mit 50 Millionen Euro unterstützt. Die bereits bestehenden finanziellen Maßnahmen zur Unterstützung der Kommunen werden über die Kofinanzierung des pauschalen Ausgleichs des Bundes für Gewerbesteuermindereinnahmen durch Landesmittel in Höhe von 253 Millionen Euro aufgestockt.

Ein bedeutender Baustein des Sondervermögens ist zudem ein Konjunkturprogramm mit Investitionen in Höhe von 250 Millionen Euro in den Tourismus, die Fachkräftesicherung, die regionale Wirtschaftsstruktur, die Digitalisierung und Transformation der Wirtschaft. Vor dem Hintergrund des Klimawandels dienen weitere 200 Millionen Euro der im Sondervermögen für konjunkturelle Maßnahmen bereitgestellten Mittel nicht nur der wirtschaftlichen Bewältigung der Corona-Pandemie, sondern zugleich auch dem Klimaschutz.

Bisher im Einzelplan 20 veranschlagte und mittlerweile in die Ressorts umgesetzte Mittel in Höhe von 483,2 Millionen Euro werden jetzt in den entsprechenden Einzelplänen veranschlagt. Im Gegenzug würde der Ansatz in der PandemieTitelgruppe im Kernhaushalt auf nunmehr 200 Millionen Euro reduziert. Dieser Betrag dient im weiteren Verlauf der Corona-Pandemie dringend notwendig werdenden Maßnahmen zur Bewältigung der Pandemie, die derzeit nicht vorhersehbar sind und daher noch nicht im Sondervermögen abgebildet werden können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Ausschussberatung wurde die unter anderem vom Landesrechnungshof aufgeworfene Frage erörtert, ob die Errichtung des Sondervermögens das richtige Instrument zur finanziellen Krisenbe

wältigung ist. Als Ausnahme von dem Grundsatz der Einheit des Haushalts sind Sondervermögen haushaltsverfassungsrechtlich in Artikel 116 Abs. 1 der Landesverfassung ausdrücklich legitimiert. Letztlich ist es eine vom Haushaltsgesetzgeber im Rahmen seines Einschätzungs- und Beurteilungsspielraums zu treffende Entscheidung, welchen Weg er für den richtigen hält.

In den Ländern Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen wurde von dieser Möglichkeit der Bildung von Sondervermögen mit weit höheren Volumina als in Rheinland-Pfalz Gebrauch gemacht. Das Budgetrecht des Parlaments wird hiervon nicht beschränkt; schließlich wird das Sondervermögen durch den Landtag selbst gesetzlich errichtet. Dieser kann, wie auch der künftige Gesetzgeber, das Sondervermögen wieder ändern oder auflösen. In der detaillierten Erörterung des als Anlage zum Einzelplan 20 dem Haushaltsplan beigefügten Wirtschaftsplans in den Beratungen des Haushalts- und Finanzausschusses zeigt sich die Beteiligung des Parlaments ebenso wie in den hierzu vorliegenden Änderungsanträgen, über die inhaltlich in der jetzt folgenden Debatte diskutiert und worüber anschließend abgestimmt wird.

Gegenstand der Diskussionen im Haushalts- und Finanzausschuss waren zudem die Fragen, ob zur Finanzierung der Maßnahmen stärker auf bestehende Rücklagen zurückgegriffen werden sollte oder ob die Einzelmaßnahmen selbst hinreichend zielgenau sind bzw. die richtigen Instrumente darstellen, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise zu bewältigen. Dies schlägt sich auch in den Ihnen vorliegenden Vorschlägen und Änderungsanträgen nieder, die wir nun beraten werden, sodass ich in meinem Bericht insoweit der Diskussion nicht vorgreifen möchte.

Auch wenn der zweite Nachtragshaushalt, anders als der erste im Frühjahr, nun wieder in einem normalen parlamentarischen Verfahren mit zwei Plenarberatungen und zwischenzeitlicher Ausschussbefassung erfolgt ist, war in der dennoch sehr kurzen Zeitspanne eine Erörterung von Änderungsvorschlägen in der Ausschussberatung nicht möglich. Änderungsanträge und Deckblätter liegen dementsprechend erst zur zweiten Beratung im Plenum vor und werden jetzt von den Fraktionen erörtert werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte mich herzlich bei allen bedanken, die dieses Mal wieder zum reibungslosen Ablauf der Beratungen beigetragen haben. Ich bedanke mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ministerien, der Fraktionen und unserer Landtagsverwaltung. Ich möchte auch den Mitgliedern des Haushalts- und Finanzausschusses sowie den Mitgliedern der Fachausschüsse für sachliche und konstruktive Beratungen danken.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Haushaltsund Finanzausschuss empfiehlt Ihnen mit der Mehrheit der Stimmen der Fraktionen der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU und der AfD, den Entwurf des Zweiten Nachtragshaushaltsgesetzes 2020 sowie des CoronaSondervermögensgesetzes anzunehmen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank für den Bericht des Vorsitzenden des Haushalts- und Finanzausschusses. Wir beginnen mit der Debatte. Für die CDU-Fraktion spricht deren Vorsitzender, Abgeordneter Baldauf.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Monate mit Corona zeigen, wir können solidarisch sein. Die Mehrheit dieser Gesellschaft ist bereit, sich einzuschränken, um andere zu schützen. Die Krise hat uns in Bereichen gestärkt, in denen wir es gar nicht erwarteten.

Wir haben erfahren, wie Menschen über sich selbst hinausgewachsen sind und ihr Bestes für andere gegeben haben. Wir haben einen enormen Zusammenhalt gespürt. Wir haben erlebt, wie kreativ und flexibel Familien, Behörden, Unternehmen und Nachbarn mit den neuen Herausforderungen umgegangen sind. Zusammenhalt sichern, Solidarität stärken und die schützen, die unseres Schutzes bedürfen:

(Beifall der CDU)

Das ist die Idee, die die CDU-Landtagsfraktion hinter allen Zahlen diesem Nachtragshaushalt vorgeben möchte. In einer Phase, in der wir das Gesamtmaß der Auswirkungen auf unsere Gesellschaft noch nicht ermessen können, müssen wir umso mehr mutig und entschlossen für unsere Bürgerinnen und Bürger und für eine gute Zukunft unseres Bundeslandes nach vorne gehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht alles, was sich in diesem Haushaltsentwurf findet, ist schlecht. Im Gegenteil, viele unserer Forderungen und Impulse, die wir der Ampelregierung an die Hand gegeben haben, finden sich in diesem Haushalt wieder.

(Beifall der CDU)

Eines von vielen Beispielen ist die Aufstockung des Pflegebonus: von uns vorgeschlagen und von der Regierung Dreyer umgesetzt.

(Heiterkeit bei der SPD – Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, ja, ja!)

Meine Damen und Herren, wir entscheiden heute über drei Lösungen. Drei unterschiedliche Ziele müssen erfüllt sein. Erstens brauchen wir Lösungen, die ein verantwortungsbewusstes Leben mit dem Virus ermöglichen, Lösungen, die im hier und jetzt helfen, und Lösungen, die ein Versprechen

Dein Staat und Dein Land sind für Dich da. Wir sind für Dich da, wenn es darauf ankommt.

(Beifall der CDU)

Zweitens brauchen wir Lösungen, die dafür sorgen, dass wir vor den Folgen dieser Krise geschützt werden. Drittens müssen wir uns für Lösungen entscheiden, die den Weg in die Zukunft ebnen, auch wenn wir heute noch nicht absehen können, wie sich unser Leben, unsere Arbeit und unsere Gesellschaft in manchen Bereichen sogar grundlegend verändern. Gleichzeitig bewegen wir in Deutschland und Rheinland-Pfalz so viel staatliches Geld wie nie zuvor in unserer Geschichte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, insgesamt ist vor diesem Hintergrund der Ansatz der Landesregierung für den Nachtragshaushalt weniger ein Blick nach vorne als ein Blick zurück. Es ist der Versuch, an Stellen nachzubessern, bei denen in den letzten Jahren vieles versäumt wurde: Breitbandinfrastruktur, Bildung, Wirtschaft und Innovation. Es ist ein Versuch der Vergangenheitsbewältigung; denn dort, wo ernsthafte konkrete Lösungen notwendig gewesen wären, hat sich die Landesregierung – Frau Ministerpräsidentin Dreyer, haben Sie sich – mit einer Politik der Überschriften begnügt.

(Beifall der CDU)

Die Gigabit-Gesellschaft war eine davon: „Rheinland-Pfalz auf dem Weg in die Gigabit-Gesellschaft.“

(Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Stimmt!)

Vor drei Jahren sollten 98 % der Haushalte mit schnellem Internet versorgt sein, aber es blieb bei einer Überschrift. In Rheinland-Pfalz gibt es heute immer noch 230.000 Haushalte, die nicht mehr als 50 Mbit/s haben.

Überschrift 2: „Starke Kommunen – Starkes Land.“ Hinter der Überschrift greifen Sie aber in die kommunalen Kassen und schwächen mit Ihrer Politik Dörfer und Städte. 11 der 20 höchstverschuldeten Kommunen in Deutschland liegen in Rheinland-Pfalz. Die Realität und der Alltag hinter Ihrer Überschriftenpolitik sehen also anders aus.

(Beifall der CDU)

Das zeigt sich auch darin, wie wenige der bereits bewilligten Mittel abgeflossen sind.

Ein Beispiel ist die Vereinsförderung. Kollege Schweitzer, die Überschrift: 10 Millionen Euro für die Vereine in Rheinland-Pfalz. Die Wahrheit ist, gerade einmal 5 % sind bei den Vereinen angekommen. Die Anliegen der ganz normalen Menschen, der kleineren Betriebe und der gewachsenen Strukturen in unseren Städten und Dörfern kommen zu kurz. Das wollen wir ändern, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall der CDU)

Es ist an der Zeit, die Probleme endlich zu lösen. Was wir brauchen, ist konkretes Handeln. Wir wollen Kräfte freisetzen und Optimismus ermöglichen, damit nach dieser Krise etwas Neues und etwas Gutes kommt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Corona-Pandemie hat die Versäumnisse der maßgeblich von der SPD mitbestimmten Landespolitik in aller Klarheit offengelegt.

Das Bild der Corona-Pandemie als Brennglas, das den Fokus auf seit Langem identifizierte Schwächen richtet, ist zutreffend. Es müssen nun eilig Weichenstellungen vorgenommen und Investitionen nachgeholt werden, die bisher versäumt wurden. Hierzu machen wir über 30 Vorschläge, aus denen ich vier Schwerpunkte herausgreifen möchte.

Erstens die Heimat und die Pandemie-Bekämpfung vor Ort in unseren Städten und in unseren Dörfern: Die CoronaPandemie hat unser Gefühl und unsere Verbundenheit zu unserer Heimat verstärkt. Heimat verbindet. Sie sichert den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft und ist von zentraler Bedeutung für unsere Demokratie: die Familie, die einen abends mit offenen Armen begrüßt, ein Ort, der einem Sicherheit und Geborgenheit gibt, das Schwimmbad, in dem man als Kind schwimmen gelernt hat, der Verein, in dem man gelernt hat, dass Gemeinschaft lebt und was Gemeinschaft ist, oder der Ort, an dem man zur Schule gegangen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Landesregierung, Heimat ist das, was Sie bei Ihrem zweiten Nachtragshaushalt vergessen haben;