Protokoll der Sitzung vom 17.09.2020

Diese Erkenntnisse, meine Damen und Herren, finden ihren Niederschlag in den Blutspenderichtlinien, in denen es heißt – noch heißt –: „Zeitlich begrenzt von der [Blut]Spende zurückzustellen sind Personen, deren Sexualverhalten ein gegenüber der Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhtes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten [wie Hepatitiden und HIV darstellt]“, und zwar für zwölf Monate. Noch, also.

Heterosexuelle Personen mit sexuellem Risikoverhalten übrigens, die häufig ihre Geschlechtspartner wechseln, gehören mit zu dieser Rückstellungsfrist. Im Übrigen wurde mit der Novellierung der Hämotherapie-Richtlinie 2017 bereits eine Liberalisierung vom bis dahin generellen Ausschluss von Risikogruppen hin zur oben genannten Rückstellfrist eingeführt. Offensichtlich konnte diese Änderung aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse vollzogen werden.

Im Ampel-Antrag wird den Experten, die an der Konzeption der Blutspenderichtlinien beteiligt sind, aufgrund der Zulassungskriterien für diese Risikogruppen Diskriminierung unterstellt. Es ist bedenklich, dass die Antragsteller nicht fähig und nicht willens sind, zwischen Personen und Verhalten – hier den sexuellen Praktiken – zu differenzieren.

(Beifall bei der AfD)

Noch einmal: Es werden keine Personen diskriminiert. Es sind ausschließlich die zuvor genannten Sexualpraktiken, die nachweislich mit einem erhöhten Infektionsrisiko für sexuell übertragbare Infektionen, einschließlich HIV, assoziiert sind.

In diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen oder darauf hinweisen, dass der Ausschluss von der altruistischen Blutspende mit keinem einzigen persönlichen Nachteil für die zurückgestellten Personen verbunden ist. Daher ist der Begriff „Diskriminierung“ hier völlig deplatziert.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren, die Empfänger von Blutprodukten, die Patienten, haben das Recht auf den Schutz ihrer Gesundheit, und das ist das höhere Rechtsgut als der Wunsch einzelner Personen zur Blutspende. Die meisten Länder Europas praktizieren eine zwölfmonatige Rückstellungsfrist für Risikogruppen. Nur weitere, umfassende und wissenschaftliche Erkenntnisse können zu Änderungen in der Einschätzung des Risikos und damit einer möglichen weiteren Liberalisierung führen, oder eben auch nicht. Das entscheiden die an der Konzeption der Blutspenderichtlinien beteiligten Experten. Die Antragsteller entscheiden

es ganz sicher nicht.

Einfach an den derzeit aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen vorbei mal eben das Transfusionsgesetz ändern zu wollen, halten wir für einen nicht gangbaren Weg und können Ihrem Antrag daher leider nicht zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Ich erteile nun dem Abgeordneten Wink für die Fraktion der FDP das Wort.

Verehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir Freien Demokraten denken unsere Politik immer ausgehend vom einzelnen Menschen und nicht vom Kollektiv. Deshalb wird es Sie auch nicht verwundern, dass wir auch im Bereich der Blutspende immer von der einzelnen Person ausgehen, sei sie Empfänger oder Spender.

Wir haben es bereits gehört: Die Hämotherapie-Richtlinie enthält diskriminierende Regelungen. Ja, wir sehen das so.

(Zuruf der Abg. Dr. Sylvia Groß, AfD)

Kollektiv werden Männer, die in den zurückliegenden zwölf Monaten mit anderen Männern Sex hatten, bei einer Blutspende abgelehnt. De facto kommt das einem Ausschluss aller homosexuellen und bisexuellen Männer gleich.

Für uns – das habe ich bereits erwähnt – steht das Individuum im Vordergrund, nicht das Kollektiv. Deshalb beurteilen wir Freien Demokraten ein Risiko auch immer im individuellen Fall.

Ein Mann, der seit Jahren in einer glücklichen monogamen Beziehung mit einem anderen Mann lebt und sich auf sexuell übertragbare Krankheiten hat testen lassen, ist nach der aktuellen Regelung von einer Blutspende ausgeschlossen. Ein Mann, der seit vier Monaten mit einer Frau in einer Beziehung lebt und vorher stetig wechselnde Sexualpartner hatte – nicht nur homosexuelle Menschen experimentieren im Schlafzimmer, da gibt es auch heterosexuelle Menschen –

(Beifall der Abg. Marco Weber und Thomas Roth, FDP – Vereinzelt Heiterkeit im Hause – Zurufe aus dem Hause: Oh! Oh!)

und sich nicht auf sexuell übertragbare Krankheiten hat testen lassen, darf nach den aktuellen Regelungen Blut spenden. In welchem Fall das Risiko einer übertragbaren Krankheit jetzt größer wäre, kann jeder für sich selbst nachvollziehen. Es ist Zeit, dass wir diese Diskriminierung beenden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ellen Demuth, CDU)

Der Kollege Wäschenbach hat es angesprochen. Dieses Thema wurde auch im Bundestag diskutiert. Dort hat sich Herr Spangenberg als Abgeordneter geäußert und gesagt: Nicht spenden zu dürfen, ist keine Diskriminierung. – Wir sehen es anders. Doch, wir sehen es als Diskriminierung.

In der Umsetzung der Richtlinie Hämotherapie werden Männer de facto wegen ihrer homo-, bi- oder transsexuellen Identität ausgeschlossen. Anhand der sexuellen Identität wird eine Unterscheidung getroffen, insbesondere auch bei transsexuellen Menschen, und das ist in der heutigen Zeit so nicht mehr hinnehmbar.

Wir können uns diese Diskriminierung auch aus anderem Grund nicht erlauben. In einer sehr angespannten Phase während der Corona-Pandemie sind die Vorräte an Blutprodukten auf ein besorgniserregendes Maß geschrumpft. Allein dieser Umstand zeigt, wie vorsichtig der Gesetzgeber oder die Institutionen, die die Richtlinien zum Ausschluss von der Blutspende erarbeiten, mit den Kriterien umgehen müssen. Wir sind auf genügend Blutspenden angewiesen.

Einerseits – das ist wohl der wichtigste Punkt – muss bei einer Blutspende die Gesundheit der Spendenden und der Empfangenden an erster Stelle stehen. Andererseits darf kein Mensch in eine lebensbedrohliche Situation geraten, weil wir zu viele Menschen pauschal von einer Spende ausschließen. Deshalb ist es dringend geboten, die aktuellen Regelungen zu überprüfen.

Wir plädieren deshalb dafür, dass sich die Landesregierung auf Bundesebene weiter in diesem Thema engagiert, weiterhin Gespräche führt. Die Neuregelung, die kommen soll, ist noch nicht da, aber wir wollen eine diskriminierungsfreie Regelung in der Richtlinie Hämotherapie und dazu eine kritische Prüfung der aktuell vorliegenden Version.

Auch auf Landesebene bitten wir um weitere Gespräche, zum Beispiel mit der Ärztekammer, um einen Weg zu finden, der den De-facto-Ausschluss von Männern mit homo-, bioder transsexueller Identität beendet.

Vielen Dank.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Abgeordneten Binz das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zu einem der vermutlich letzten Parlamentarischen Abende dieses Jahres lud der Blutspendedienst des Deutschen Roten Kreuzes im Februar ein. Dort hat uns das

DRK noch einmal eindringlich darauf aufmerksam gemacht, welche die Herausforderungen für die Verfügbarkeit von Blutkonserven und Arzneimitteln aus Blutprodukten in der nächsten Zeit sind.

In erster Linie ist hier die sinkende Spendebereitschaft zu nennen. Immer weniger Menschen, vor allem immer weniger junge Menschen, sind bereit, Blut zu spenden.

Die Gründe dafür sind vielfältig, aber diese Tatsache sollte für uns alle Anlass dazu sein, für die Blutspende zu werben, gleichzeitig aber auch zu überlegen, was wir vonseiten der Politik tun können, um die Bereitschaft zu steigern.

Wenn die Bereitschaft zur Spende schon zurückgeht, dann ist es umso wichtiger, den Zugang zur Blutspende diskriminierungsfrei und an wissenschaftlichen Standards orientiert zu gestalten. Insbesondere unter jungen Menschen finden solche Diskriminierungen wie die, über die wir heute sprechen, immer weniger Akzeptanz. Dies könnte dazu führen, dass die Blutspendebereitschaft noch weiter abnimmt. Nicht selten liest man auch in den sozialen Medien zu diesem Thema Äußerungen wie: Solange mein schwuler Freund nicht spenden darf, gehe ich auch nicht hin. –

Es betrifft also vielleicht konkret nur eine kleine Gruppe, aber es hat Auswirkungen weit über diese Gruppe hinaus, und diese Auswirkungen sind nicht gut.

Ich möchte an dieser Stelle für meine Fraktion ganz klar festhalten: Unser Anliegen mit diesem Antrag ist es nicht, die sehr wichtige, sehr gute Arbeit der Blutspendedienste in Abrede zu stellen. Hier arbeiten viele Menschen hauptamtlich, aber auch ehrenamtlich jeden Tag dafür, dass wir alle uns darauf verlassen können, im Falle des Falles mit Blutkonserven oder den notwendigen Medikamenten versorgt werden zu können, und dafür sind wir ihnen sehr dankbar.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und vereinzelt bei der SPD)

An Blutspenden sind völlig zu Recht hohe Ansprüche zu stellen, und es ist auch richtig, dass wir großzügig Ausnahmen formulieren, wer aufgrund welcher gesundheitlichen Situation oder aufgrund welches persönlichen Verhaltens nicht als Blutspender oder Blutspenderin geeignet ist. Sicherheit ist da auch für uns oberstes Gebot.

Aber wir denken eben auch, es ist Zeit, den pauschalen Ausschluss von einer bestimmten Gruppe, den sogenannten MSM, also von Männern, die mit Männern Sex haben, zu überdenken und neue Wege auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse zu gehen.

Die Vorstellung, dass Männer, die Sex mit Männern haben, grundsätzlich ein riskantes Sexualverhalten pflegen, hält einer Überprüfung an der Realität nicht stand. Auch die Argumentation, die das RKI zur Begründung hervorbringt, nämlich, dass ja auch bei verheirateten oder in festen Partnerschaften lebenden Männern nicht unbedingt gewährleistet sei, dass beide immer treu sind, ist eine dis

kriminierende Argumentation; denn sie müsste natürlich für heterosexuelle Paare genauso gelten. Rein statistisch dürfte es viel mehr Menschen geben, die in heterosexuellen Partnerschaften nicht monogam leben und nebenher ein riskantes Sexualverhalten pflegen.

(Abg. Dr. Sylvia Groß, AfD: Das habe ich doch gesagt! Die sind doch auch betroffen!)

Richtiger wäre es, auch Männer, die mit Männern Sex haben, nach ihrem tatsächlichen Sexualverhalten zu befragen und danach zu entscheiden, ob sie als Blutspender infrage kommen oder nicht. Genau das wird mit dem Einheitlichen Fragebogen zur Blut- und Plasmaspende des Paul-EhrlichInstituts bei heterosexuellen Spenderinnen und Spendern gemacht. Wenn man diesen die Beantwortung von Fragen wie, „Hatten Sie in den letzten zwölf Monaten Sexualverkehr mit mindestens drei Partnern?“ oder aber „Hatten Sie in den letzten vier Monaten Sexualverkehr außerhalb einer festen Partnerschaft?“ zumuten kann, dann kann man das sicher auch homosexuellen Männern zumuten.

Wir reihen uns mit diesem Beschluss heute in eine Reihe von Länderparlamenten ein, die bereits ähnliche Beschlüsse gefasst haben, und ich freue mich sehr, dass Sie, Herr Wäschenbach, die Zustimmung der CDU angekündigt haben. Wir versprechen uns damit, eine entsprechende Bewegung in die Diskussion auf Bundesebene zu bekommen und den Gesundheitsminister dabei zu unterstützen, der ein Vorhaben in diese Richtung bereits angekündigt hat.

Klar ist für uns aber auch: Eine Verkürzung der pauschalen Ausschlussfrist von zwölf auf vier Monate, wie sie gerade in der Diskussion ist, ist nur eine kosmetische Veränderung; denn in der Praxis wären davon ja genauso insbesondere wieder die schwulen Männer, die in festen monogamen Partnerschaften leben, weiterhin unnötig ausgeschlossen.

Einen Ausschluss sollte es aus unserer Sicht nur aufgrund eines individuellen riskanten Sexualverhaltens geben. Das ist richtig, und das ist auch notwendig; es sollte aber für alle gleichermaßen gelten.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Nun hat die fraktionslose Abgeordnete Bublies-Leifert das Wort.