Protokoll der Sitzung vom 17.09.2020

Die Sicherheit kann heute ohne Diskriminierung realisiert werden. Ein Risiko ist von Vorerkrankungen und vom individuellen Verhalten abhängig und nichts anderes. Da ist man vor allem auf die wahrheitsgemäße Auskunft der Spender und die modernen Testverfahren angewiesen. Das gilt für alle Personengruppen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, lassen Sie uns als demokratische Fraktionen heute gemeinsam einen richtigen und wichtigen Schritt nach vorne gehen. Lassen Sie uns die grundgesetzund europarechtswidrigen Regelungen für die Menschen, die darauf angewiesen sind, dass es möglichst viele Spenderinnen und Spender für unsere Gesellschaft gibt, in der wir keine Diskriminierung zulassen, beenden.

Wir bitten daher um Zustimmung zu unserem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des Abg. Andreas Hartenfels, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr gut!)

Nächster Redner ist für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Wäschenbach.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Diskussionen über die Kriterien des Ausschlusses von der Blutspende von Männern, die mit Männern Sex haben, sind schon über 20 Jahre alt und werden bestimmt nie enden. Die Auswahl spendewilliger Personen für die Blutspende erfolgt risikobasiert und nicht diskriminierend.

Nach der Richtlinie Hämotherapie der Bundesärztekammer, die den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen feststellt, erfolgt allgemein eine zeitliche Rückstellung für zwölf Monate von der Blutspende für Personen, deren Sexualverhalten ein gegenüber der Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhtes Übertragungsrisiko zugrunde legt.

Meine Damen und Herren, es gibt im Bundesgesundheitsministerium bereits Überlegungen, die deutlich konkreter sind als der heutige Antrag der Koalitionsfraktionen.

(Beifall bei der CDU)

Dazu liegt mir eine schriftliche Antwort von Staatssekretär Dr. Thomas Gebhart vom 31. August aus dem Bundestag vor.

(Zurufe von der SPD: Hey!)

Danach soll die bisherige Sperrfrist von zwölf Monaten auf

vier Monate verkürzt werden.

(Zuruf des Abg. Martin Haller, SPD)

Für Männer, die als Risikogruppe ausdrücklich in der Richtlinie aufgeführt sind und von der Blutspende für zwölf Monate seit dem letzten Sexualverkehr zurückgestellt werden, wird diese Rückstellung einer Neubewertung unterzogen.

(Zuruf der Abg. Kathrin Anklam Trapp, SPD)

Die gemeinsame Arbeitsgruppe des Arbeitskreises Blut, bestehend aus Vertretern des Paul-Ehrlich-Instituts, des Robert Koch-Instituts, der Bundesärztekammer und des Gesundheitsministeriums, wird anhand der aktuellen Datenlage eine Verkürzung der Rückstellfrist – jetzt hören Sie zu – von zwölf auf vier Monate prüfen.

Die erste vorbereitende Sitzung hierzu ist auf den 3. November dieses Jahres terminiert.

(Abg. Martin Haller, SPD: Also zu spät!)

Der Staatssekretär führt weiter aus, das Bundesministerium für Gesundheit werde anregen, dass in den zuständigen Gremien auch diskutiert wird, dass Personen mit diversem Geschlechtseintrag in der Richtlinie ausdrücklich Erwähnung finden, um künftig Unsicherheiten über die Möglichkeiten der Blutspende zu vermeiden.

Meine Damen und Herren, in der Debatte im Bundestag am 27. Mai dieses Jahres wurde die Änderung im Bund auf den Weg gebracht, und in dieser Debatte gab es einen entscheidenden Satz, der auch für uns in der CDU richtungsleitend ist: „Blut ist nicht schwul oder hetero; denn nicht die sexuelle Identität, sondern das persönliche Risikoverhalten eines Menschen ist für uns entscheidend.“

(Beifall der CDU – Abg. Martin Haller, SPD: So steht es in unserem Antrag!)

Wir behandeln dieses Thema immer wieder im Gesundheitsausschuss. Ich zitiere unseren ehemaligen Ausschussvorsitzenden Dr. Peter Enders aus dem Protokoll vom 28. September 2017. Er stellte fest: „Es geht nicht um Diskriminierung, sondern im Vordergrund steht immer der Empfängerschutz.“

Die Ausschlussfrist von zwölf Monaten bezeichnete er damals als lebensfremd. Wir haben damals schon zum Handeln gemahnt; offenbar ist seitdem sehr wenig geschehen.

Meine Damen und Herren, Folgendes ist der entscheidende Punkt – ich wiederhole mich –: Nicht die sexuelle Identität, sondern das tatsächliche Risikoverhalten soll den Ausschlag geben und damit den Gesundheitsschutz des Blutempfängers sicher garantieren.

(Beifall der CDU)

In Artikel 11 des Transfusionsgesetzes wurde bereits im Mai

dieses Jahres folgender Satz eingefügt: „Die Bewertung des Risikos, das zu einem Ausschluss oder zu einer Rückstellung von bestimmten Personengruppen von der Spende führt, ist im Fall neuer medizinischer, wissenschaftlicher oder epidemiologischer Erkenntnisse zu aktualisieren und daraufhin zu überprüfen, ob der Ausschluss oder die Rückstellung noch erforderlich ist, um ein höheres Gesundheitsschutzniveau von Empfängerinnen und Empfängern von Blutspenden sicherzustellen.“

Wir sind also in Deutschland seit längerer Zeit auf einem Weg, den Sie heute beschreiben.

Ich möchte an dieser Stelle auch an den Vortrag von Dr. Andreas Opitz, Ärztlicher Geschäftsführer des DRKBlutspendedienstes Rheinland-Pfalz/Saarland, anlässlich des Parlamentarischen Abends am 5. Februar 2020 erinnern. Unter dem Titel „Blut und Bomben“ berichtete er eindrucksvoll von der Bedeutung regelmäßiger Blutspenden für eine stabile Versorgungssituation im Katastrophenfall. Wer hätte im Februar gedacht, dass eine solche Krisensituation so schnell eintritt?

Am 17. März gab es einen Erlass vom Gesundheitsministerium Rheinland-Pfalz zur Sicherstellung von Blutspenden. In der Antwort auf meine Kleine Anfrage zur Blutspendesituation unter Corona-Bedingungen vom 15. Juni 2020 – Drucksache 17/12062 – antwortete die Landesregierung: „Im Zuge der Corona-Pandemie gab es nach der Schließung der Schulen vereinzelt Bedenken, nicht genug geeignete Räumlichkeiten zum Blutspenden zu finden. [Es ist uns] gelungen, dass das DRK in ausreichender Anzahl Räumlichkeiten zur Verfügung hatte, teilweise auch in Fabrikgebäuden. Das DRK wurde zudem durch die Aufrufe der Landesregierung an die Bevölkerung, sich weiter am Blutspenden zu beteiligen, unterstützt. Es gab zu keiner Zeit Engpässe bei Blutkonserven.“ So die Landesregierung. „Im Gegenteil, die Reserven stiegen durch die Absagen elektiver Eingriffe deutlich an.“

Dies, meine Damen und Herren, wird nicht überall in Deutschland so sein; denn es wird oft die Blutknappheit als Parameter für Spendenlockerungen angeführt. Aber das ist nicht der sichere Weg, den wir bevorzugen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ich stelle zum Schluss fest: Die Bundesregierung ist weiter als das Land. Der Antrag heute hätte konkreter sein und das diagnostische Fenster von zwölf auf vier Monate explizit benennen können. Dennoch stimmen wir dem Antrag der Koalitionsfraktionen zu, der den eingeschlagenen Weg in Berlin unterstützt.

(Abg. Martin Haller, SPD: Das kommt jetzt aber überraschend!)

Dabei geht es nicht um Diskriminierung. Es geht um die Sicherheit der Blutempfänger, und das sieht auch Gesundheitsminister Jens Spahn so,

(Glocke des Präsidenten)

dem es wichtig ist, dass der Schutz von Empfängern an erster Stelle steht und jeder Anschein einer Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität ausgeschlossen werden muss. Deshalb lassen Sie uns gemeinsam für Blutspenden werben!

(Beifall der CDU – Abg. Martin Haller, SPD: Sie könnten einmal etwas Nettes in unsere Richtung sagen!)

Nächste Rednerin ist Frau Dr. Groß für die Fraktion der AfD.

Sehr geehrtes Präsidium, verehrte Kollegen! Nachstehend MSM genannt werden Männer, die Sex mit Männern haben. Die Richtlinie zur Gewinnung und Anwendung von Blut und Blutprodukten, die Hämotherapie-Richtlinie, aufgestellt von der Bundesärztekammer im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut, stellt den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik dar.

Der Arbeitskreis Blut, ein Expertengremium, berät die zuständigen Behörden des Bundes und der Länder in Fragen der Sicherheit bei der Gewinnung und Anwendung von Blut und Blutprodukten und sorgt mit dafür, dass das Transfusionsrisiko minimalisiert wird und Patienten sich in optimaler Sicherheit wähnen können.

Schließlich beginnt die Herstellung eines Blutprodukts mit der sorgfältigen Auswahl der Blutspender. In wiederkehrenden Abständen stellt eine gemeinsame Arbeitsgruppe, bestehend aus vielen Vertretern verschiedenster Fachkreise – Arbeitskreis Blut, Paul-Ehrlich-Institut, Robert KochInstitut, Bundesärztekammer –, Forschungs- und Studienergebnisse zum Thema „Blutspende von Personen mit sexuellem Risikoverhalten – Darstellung des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft“, zuletzt Juli 2016, vor. Hierin heißt es: „Hinsichtlich bestimmter sexueller Praktiken ist das Infektionsrisiko von verschiedenen Faktoren abhängig. Grundsätzlich ist der ungeschützte rezeptive anale Verkehr mit einem sehr hohen Infektionsrisiko assoziiert. MSM praktizieren häufiger analen Verkehr als heterosexuelle Paare. Eine Koinfektion mit anderen sexuell übertragbaren [Erkrankungen oder] Infektionen [, zum Beispiel Syphiliserreger,] erhöht die Wahrscheinlichkeit, bei Sexualkontakten HIV zu erwerben.“

Bezüglich der Transsexualität heißt es: „Inzwischen gelten Transsexuelle [als zur MSM-Gruppe zugehörig] als eine Risikogruppe, die lange Zeit nicht als solche erkannt wurde, obwohl diese Personen im Durchschnitt ein 49-fach höheres Risiko einer HIV-Infektion gegenüber der Allgemeinbevölkerung haben.“

Bezüglich der HIV-Prävalenz in Westeuropa heißt es in die

sem Papier, in der Allgemeinbevölkerung betrage sie 0,44 %. Bei Transgenderfrauen liegt sie um das 47-Fache höher,

(Abg. Marco Weber, FDP: Genau!)

bei MSM um das 14-fache höher im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung, weswegen das Robert Koch-Institut das HIV-Infektionsgeschehen in Deutschland primär durch die Entwicklung unter MSM geprägt sieht.

Diese Erkenntnisse, meine Damen und Herren, finden ihren Niederschlag in den Blutspenderichtlinien, in denen es heißt – noch heißt –: „Zeitlich begrenzt von der [Blut]Spende zurückzustellen sind Personen, deren Sexualverhalten ein gegenüber der Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhtes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten [wie Hepatitiden und HIV darstellt]“, und zwar für zwölf Monate. Noch, also.