Protokoll der Sitzung vom 17.09.2020

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Nächster Redner ist der Abgeordnete Köbler für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen notwendigen Einschränkungen haben viele Unternehmen und Selbstständige sehr, sehr hart getroffen. Monate wegbrechender Umsätze sind für viele Unternehmen eine große Herausforderung, um die Liquidität aufrechtzuerhalten und laufende Rechnungen zu bezahlen. Machen wir uns nichts vor, auch wenn sich Dinge in der Wirtschaft erholt haben, stehen noch schwierige Monate bevor, gerade mit Blick auf die Gastronomie und den bevorstehenden Winter. Es ist also noch lange nicht vorbei.

Die Hilfspakete von Bund, Land und einigen Kommunen haben zumindest kurzfristig vielen Unternehmen Liquidität beschafft und geholfen, bisher wirtschaftlich über diese Krise zu kommen. Ein Baustein war das schon angesprochene Bundessteuergesetz, in dem möglich gemacht wurde, die Steuervorauszahlung aus dem Jahr 2019 mit den Verlusten des Jahres 2020 verrechenbar zu machen.

Jetzt greift Herr Baldauf den Vorschlag auf, das auf vier

Jahre zu verlängern. Das wird Sie jetzt vielleicht überraschen, aber ich finde, das ist ein guter Vorschlag. Nur, Herr Baldauf, dieser Vorschlag war im Bundestag schon Gegenstand der Debatte. In der Bundestagsdrucksache 19/19134 vom 12. Mai dieses Jahres hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN genau das beantragt.

(Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU)

Meine Damen und Herren, es war die CDU, die diesen Antrag im Bundestag abgelehnt hat. Jetzt kommen Sie daher und fordern heute von der Landesregierung, einen Antrag in den Bundesrat einzubringen, den Ihre eigene Bundestagsfraktion und die Mehrheit des Deutschen Bundestags bereits abgelehnt haben. Ich finde, das ist keine verantwortungsvolle Politik, sondern maximal schlechte Show.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, des Abg. Sven Teuber, SPD, und der Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP)

Bei der zweiten Forderung wird es richtig wild. Es ist nicht mehr als ein ideologischer Satz, wenn Sie schreiben: Bund und Länder sollen sich verpflichten, staatliche Beteiligungen an Unternehmen auf das absolut Nötigste zu reduzieren. – Mir ist aktuell keine größere staatliche Übernahme des Landes Rheinland-Pfalz bei einem privatwirtschaftlichen Unternehmen bekannt. Also können Sie nur den Bund meinen.

Was macht der Bund? Ich finde, das kann man diskutieren. Ich will das gar nicht bewerten. Der Bund steigt unter Führung der CDU mit 9 Milliarden Euro zu 25 % bei der Lufthansa ein. Der Bund steigt unter Führung der CDU mit 3 Milliarden Euro zu 9 % bei der TUI ein. Sie haben es selbst angesprochen: 2008 unter Führung und Zustimmung der CDU der Einstieg bei der Commerzbank mit 3,2 Milliarden Euro für erst 25 % und jetzt noch 15 % Staatsbeteiligung. Das ist heute schon ein bezifferbarer Verlust für den deutschen Steuerzahler von 1,8 Milliarden Euro bis möglicherweise 2,5 Milliarden Euro. Das ist die Staatsbeteiligungspolitik der CDU auf Bundesebene, die Sie hier in Ihrem Antrag nicht möchten.

Also liebe CDU, dann klären Sie doch erst einmal Ihr eigenes wirtschaftspolitisches Konzept. Es kann nicht sein, dass Sie im Land das eine sagen, im Bund das Gegenteil und dann die Landesregierung quasi auffordern, mit Bundesratsinitiativen die Wirtschaftspolitik der CDU im Bund zu korrigieren.

(Beifall des Abg. Sven Teuber, SPD)

Das ist kein wirtschaftspolitisch durchdachtes Konzept. Das ist noch nicht einmal Wahlkampf.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und bei der SPD – Abg. Sven Teuber, SPD: Das war richtig stark!)

Für die Landesregierung spricht nun Herr Staatssekretär Becht.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, der steuerliche Verlustabzug ist ein wichtiges Instrument, um Unternehmen auch und gerade in Krisenzeiten zu helfen. Wenn Verluste eines Jahres mit den Gewinnen eines anderen Jahres verrechnet werden können, hilft das auch den betroffenen Unternehmen. Die Wirksamkeit des Instruments Verlustabzug steht außer Frage.

Ich freue mich, dass auch die Bundesregierung dies erkannt hat. Mit dem schon mehrfach bezeichneten Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz werden die Höchstbeträge bei dem Verlustrücktrag für die Veranlagungszeiträume 2020 und 2021 von 1 Million Euro auf 5 Millionen Euro bei der Einzelveranlagung bzw. von 2 Millionen auf 10 Millionen Euro bei der Zusammenveranlagung ausgeweitet. Das war und ist ein wichtiger Schritt. Allerdings hat die von der Union geführte Bundesregierung den Rücktragzeitraum unverändert bei einem Jahr belassen.

Ich freue mich ebenfalls, dass auch die Landtagsfraktion der CDU erkennt, der Verlustrücktrag ist ein wichtiges Hilfsinstrument, das zudem Staatsbeteiligungen vorzuziehen ist. Ich freue mich auch über das Lob im Antrag für die Wirtschaftspolitik der 90er-Jahre – das ist angeklungen –, die hier im Land konsequent staatliche Unternehmensbeteiligungen zurückgeführt hat.

Ebenfalls freue ich mich über die klaren Worte, die der Antrag generell zu staatlichen Beteiligungen findet. Auch die Landesregierung sieht übrigens die von Bundeswirtschaftsminister Altmaier – in Klammern, CDU – propagierte staatliche Beteiligungspolitik kritisch. Zur Erinnerung: Schon im Rahmen seiner Industriestrategie 2030 wollte der Bundeswirtschaftsminister den direkten und indirekten staatlichen Einfluss auf Unternehmen massiv ausweiten. Jetzt nutzt er die Corona-Krise, um diese Idee weiter voranzutreiben.

Daher kommt unwillkürlich der Gedanke an Harry Potter und seinen Zauberlehrer auf, der sagte: Es gehört Mut dazu, sich seinen Feinden entgegenzustellen. Aber noch mehr Mut gehört dazu, sich seinen Freunden entgegenzustemmen. –

(Heiterkeit der Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD)

Deswegen gilt der CDU ein herzlicher Dank für diesen Mut, sich so eindeutig gegen den eigenen Bundeswirtschaftsminister von der CDU positioniert zu haben.

(Beifall der FDP, der SPD und der Abg. Pia Schellhammer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist auch gut zu hören – ich habe mir sagen lassen, dass

es Ihnen vorhin beim Nachtragshaushalt nicht genug Subventionen hat geben können, Herr Baldauf –, dass nun Subventionen doch so etwas ordnungspolitisch Verfemtes wären.

Es steht in diesem Antrag aber auch – und es ist richtig, wenn man die Begründung hört – wirtschaftspolitisch Vernünftiges drin. Das ist keine Zauberei, um im Bild zu bleiben; denn das, was im Antrag steht, ist nicht neu, sondern wurde schon vom designierten Generalsekretär der FDP und von der FDP-Bundestagsfraktion vorgetragen. In dem Antrag – Steven Wink hat es verdeutlicht – zum eben erwähnten Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz hat die FDPBundestagsfraktion es bereits im Juni des Jahres wie folgt formuliert – ich zitiere mit Ihrer Zustimmung –: Wir führen „eine befristete, einmalige ,Negative Gewinnsteuer‘ mit einer deutlichen Erweiterung der steuerlichen Verlustverrechnung“ ein, wie nämlich von den Wirtschaftsweisen angeregt.

Wenn man dann bei den Wirtschaftsweisen, also dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, nachschlägt, findet sich dort genau diese Idee, nämlich den Verlustrücktrag, was die Höchstbeträge angeht, ebenso auszuweiten wie – was dazukommen muss – die Anzahl der möglichen Rücktragsjahre.

Minister Dr. Wissing hat ebenfalls erst kürzlich in einem Interview mit der Rhein-Zeitung nochmals auf die Vorzüge einer negativen Gewinnsteuer hingewiesen, bei der Verluste heute mit den Gewinnen vergangener Jahre verrechnet werden dürfen. Also fangen Sie sich hier ein weiteres Kompliment ein. Der vorliegende Antrag zeugt tatsächlich von abartig großer Wirtschaftskompetenz,

(Heiterkeit der Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP)

aber es ist halt eine Idee von Wissing und anderen. Damit zeugt er nicht von Ihrer Wirtschaftskompetenz, sondern von der meines Chefs.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Ganz schön arrogant!)

Meine Damen und Herren, ich könnte an dieser Stelle enden, aber die schmerzhafte Erzählung geht noch ein Stück weiter. Über den Antrag der FDP-Bundestagsfraktion ist nämlich abgestimmt worden. Es wurde erwähnt; die CDU hat den Antrag abgelehnt. Wir haben es also erneut mit einem Thema zu tun, bei dem die CDU im Land etwas fordert, das die CDU im Bund bereits abgelehnt hat. Das kann drei Gründe haben.

Erstens: Die CDU-Fraktion hier im Land bekommt nicht mit, was im Bund passiert.

Zweitens: Die rheinland-pfälzische CDU hat keinen Einfluss im Bund.

Drittens: Es geht hier lediglich um politische Agitation.

Der rheinland-pfälzische Landtag ist aber nicht der Reparaturbetrieb Ihrer Wirtschaftspolitik im Bund.

(Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU)

Sie wissen doch sehr genau, was passiert, wenn die Landesregierung eine Bundesratsinitiative starten würde. Es wäre doch die CDU, an der diese Initiative im Bund scheitern würde.

Sehr geehrte Abgeordnete, entscheiden Sie selbst, welche der drei Varianten den Motiven für diesen Antrag zugrunde liegen mag. Das Ganze hört sich nicht an wie Harry Potters Zauberlehrer, sondern man denkt eher an den goetheschen Zauberlehrling, der alle möglichen Geister gerufen, alle möglichen Widersprüchlichkeiten verursacht hat und am Schluss vor den Brocken seines eigenen Wirkens steht.

Vielen lieben Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und des Abg. Andreas Hartenfels, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht mehr vor.

Wir kommen damit zur Abstimmung über den Antrag. Wer dem Antrag der Fraktion der CDU seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke schön. Gegenstimmen? – Vielen Dank. Ich stelle fest, dass der Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 17/13002 – mit den Stimmen der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU und der AfD abgelehnt wurde.

Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf:

Geschichte als Argument – Wissen nachhaltig vermitteln Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 17/13003 –

Die Fraktionen haben eine Grundredezeit von 5 Minuten vereinbart. Ich darf zunächst einem Vertreter der antragstellenden Fraktion der CDU das Wort erteilen. Der Abgeordnete Dr. Weiland hat das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Titel seines in den 1950er-Jahren erschienenen Buchs „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ prägte Karl Popper das Motto, das die Entwicklung und das Selbstverständnis moderner repräsentativ-parlamentarischer Demokratien bis heute prägt.

Offene Gesellschaften zeichnen sich durch die Fähigkeit und die Bereitschaft zu gewaltloser Veränderung aus. Das setzt faktenbasierte Meinungs- und Diskussionsfreiheit, die Anerkennung der Kraft des besseren Arguments und