Wenn aber Menschen anderer Kulturkreise hier in Deutschland nicht nur zur Fastnacht, sondern ständig ihr Gesicht verhüllen, uns also nicht mit offenem Blick entgegentreten, müssen wir eine Grenzziehung vornehmen.
Wie wenig weit die Gleichberechtigung von Mann und Frau noch in den Jugendjahren der Bundesrepublik entwickelt war, ist inzwischen fast vergessen. Noch 1958 konnte ein Ehemann das Dienstverhältnis seiner Frau kündigen, und bis 1956 mussten Frauen, die heirateten, aus dem badenwürttembergischen Staatsdienst ausscheiden.
Heute am 15. September 2016 diskutieren wir in diesem Hohen Hause darüber, ob Frauen per Gesetz von dem scheinbar religiös motivierten Zwang befreit werden können, sich unter einer Rüstung aus Stoff verstecken zu müssen. Man könnte denken, es wäre nun ein September vor vielen Jahrhunderten, in dem wir uns mit diesem Thema befassen müssen. Dermaßen antiquiert und rückständig kommt mir das Bild einer vollverschleierten Frau vor, das nun viel zu oft als scheinbares Zeichen von Offenheit und Toleranz vorgeführt wird,
Etliche Jahrzehnte haben die Frauen des Abendlandes einen Zehnkampf um Gleichberechtigung geführt. Heute argumentieren Frauen wie Frau Roth von den Grünen, eine Vollverschleierung bei 34 Grad Außentemperatur zu tragen, sei die Offenheit, die zu einer offenen Gesellschaft gehöre. Welch ein Anachronismus.
Entsprechend der Auffassung der AfD-Landtagsfraktion wird eine demokratische Gesellschaft nicht bunter, wenn Frauen von ihrem Ehemann oder einer anderen Instanz dazu gezwungen werden, sich nur in einer schwarzen Vollverschleierung auf die Straße begeben zu dürfen. Und von solchen Strukturen des Zwangs muss ausgegangen werden.
Wir sind dazu verpflichtet, uns für die Rechte dieser Frauen einzusetzen. Um Freiheitsrechte zu garantieren, kann es auch einmal notwendig sein, Verbote zu erlassen. Dabei ist es vollkommen unwichtig, wie groß die Anzahl derjenigen Frauen ist, die unter Burka, Niqab oder sonst was an vollständigen Verhüllungen leiden müssen.
Weswegen verweigern sich die Kolleginnen und Kollegen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so standhaft nicht nur allem, was deutsche und abendländische Kultur ausmacht, sondern auch den einst selbst propagierten Zielen?
Einst sollten die Talare gelüftet werden und die Röcke immer kürzer ausfallen, Frauen sollten zu Recht frei sein. Jetzt betreiben Sie den doppelten Salto rückwärts. Aus
den Talaren werden Burka und Nikab, die kaum mehr erkennen lassen, ob es sich bei der Person unter den Stoffen um eine Frau oder einen Mann handelt.
Vielfalt und Toleranz einer Gesellschaft werden nicht größer, je länger das Gewand ist, unter dem sich die Frauen entsprechend dem Willen ihrer Männer verstecken müssen, im Gegenteil.
Die Frauen unter dem schwarzen Stoff können sich in der patriarchalisch geprägten Gesellschaftsstruktur, in der sie gefangen sind, nur selten selbst befreien. Viel zu oft müssen wir erschrocken zur Kenntnis nehmen, dass Brüder ihre Schwester töten, Eltern ihren Kindern den Tod gewünscht haben, weil diese sich ihre Freiheit nach unseren westlichen Maßstäben erträumten.
Wir leben Tür an Tür, doch zwischen den gesellschaftlichen Strukturen liegen Welten, und es ist doch für jeden, der sehen und hören kann, offensichtlich, dass es zumeist keine der westlichen Demokratie positiv gesonnenen Menschen sind, die die Welt durch die Stoffgitter vor den Augen der Frauen betrachten wollen.
Können oder wollen Sie nicht verstehen, dass die Verfechter solcher überalterter Anschauungen gar keine Integration in unser Wertesystem anstreben?
Manche dieser Menschen, die zu uns gekommen sind, weil sie Schutz vor Verfolgung oder Gewalt suchen vorzugeben, sind nicht bereit, sich unseren grundlegendsten gesellschaftlichen Gepflogenheiten anzupassen.
Es gehört seit vielen tausend Jahren zu unserer europäischen Kultur, wenn man sich mit seinem Gegenüber unterhält, dass man auch in sein Gesicht schauen kann. Man möchte nicht nur wissen, mit wem man spricht.
Wir ziehen wichtige kommunikative Informationen aus der Mimik unseres Gesprächspartners. Nicht grundlos ziehen sich Menschen, die ihre Identität verstecken wollen, Strümpfe über den Kopf. Ohne die Möglichkeit, die Mimik erkennen zu können, steht zwischen den Menschen eine Mauer der Anonymität.
Ich möchte nicht, dass zwischen mir und den Menschen mir gegenüber eine solche Mauer steht, eine solche Mauer, die nicht aus Stein besteht, sondern aus Stofflagen über dem Gesicht einer Frau.
Die CDU hat einen ähnlichen Antrag gestellt, aber bei uns ist dazu auch der feste politische Wille zur Umsetzung vorhanden.
Sie haben gesagt, wir würden uns der abendländischen Kultur verweigern. Ich finde es schon, dass es ein starkes Stück ist, es in diesem Haus hier so anderen Kolleginnen und Kollegen vorzuhalten. Das ist einfach nicht einem Niveau in diesem Hause angepasst. Das stelle ich an dieser Stelle ganz deutlich am Anfang meiner Rede fest.
(Beifall der SPD, der CDU, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)
Wenn man versucht, Ihrer Argumentation zu folgen, so nimmt man auch den frauenpolitischen Duktus, den Ihre Rede hatte, nicht ab. Schaut man in Ihren Antrag einmal hinein und fragt einfach einmal nach, warum die AfD diesen Antrag will, was sie eigentlich dazu motiviert, so darf ich zitieren: „Im Zuge der erheblichen Einwanderungsbewegung haben sich insbesondere in verschiedenen deutschen Großstädten islamisch geprägte Parallelgesellschaften entwickelt.“
Genau das entlarvt Sie; denn es geht Ihnen gar nicht in erster Linie um den Schutz der vollverschleierten muslimischen Frau, wie es im CDU-Antrag beispielsweise noch heißt. Darum geht es Ihnen nicht. Ihnen geht es um populistische Stimmungsmache, um das Anstimmen Ihrer alten Leier von Überfremdung und auch darum, Ängste hier zu schüren, meine Damen und Herren.
Herr Bollinger, wissen Sie eigentlich, wie viele Muslime in Rheinland-Pfalz leben und wie viele hier eine Burka tragen? Ich möchte die Zahl einmal sagen. Es sind 160.000 Muslime und Muslima, und davon tragen 20 bis 40 eine Burka oder einen Niqab. 20 bis 40 tragen eine Ganzkörperverschleierung,
und Sie sprechen davon, dass sich hier unsere Großstädte zu islamisch geprägten Parallelgesellschaften entwickeln. Das ist einfach fern jeder Realität in diesem Land, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Auch wir sehen – das sage ich ganz deutlich an dieser Stelle – Vollverschleierung als Ausdruck eines überholten patriarchalischen Frauenbildes an. Ganz klar. Doch braucht es andere wirkungsvolle alternative Ansätze, stärkere Integrationsbemühungen, um Frauen zu einem größeren Maße zur Selbstbestimmung zu verhelfen.
Es ist ein fataler Irrglaube, mit einem allgemeinen Verbotsgesetz die freie Entscheidung einer Muslima in einer Weise befördern zu wollen. Unsere Antwort hingegen ist, Integration muss da ansetzen, was in den Köpfen ist, und nicht da, was vor den Köpfen ist, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wenn ich mir einmal die Kolleginnen und Kollegen der CDU anschaue, so haben die für unsere Position, die Position von FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD, eine prominente Unterstützerin aus Ihren Reihen. Gestern bei einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung hat Ihre Parteivorsitzende und Bundeskanzlerin einem allgemeinen Burkaverbot eine ganz klare Absage erteilt.