Wenn ich Sie wäre, Frau Kollegin Klöckner, noch Anfang der Woche – ich glaube, dass ich es bei „Hart aber fair“ gesehen habe – war Ihre Position eine andere. Deswegen, glaube ich, muss sich die CDU in Rheinland-Pfalz entscheiden, folgt sie Ihnen oder folgt sie der Kanzlerin am Ende.
Wenn wir uns die Wirkungen anschauen, die ein Burkaverbotsgesetz beispielsweise in Frankreich entfaltet hat – dort gibt es das seit 2010 –, so wissen wir alle, dass es dort de facto keine Veränderung im Bild der Gesellschaft, in der Öffentlich, gegeben hat.
Aber lassen Sie mich zum Ende meiner Ausführung noch verfassungsrechtliche Bedenken und eine Bewertung des allgemeinen Burkaverbots zu sprechen kommen. Denn Verfassungsrechtler – ich zitiere Professor Michael Heimig oder auch Professor Möllers – stufen ein allgemeines Burkaverbot als evident verfassungswidrig ein. Außerdem existieren bereits – die Kanzlerin sprach auch davon – einzelgesetzliche Regelungen zu speziellen Bereichen und Situationen: Nennen wir Schule, Uni, Öffentlicher Dienst, Polizeikontrolle der Bundespolizei etc.
Ein pauschales Burkaverbot greift in den Schutzbereich des Grundrechts der Religionsfreiheit nach Artikel 4 ein. Es verletzt das verankerte Neutralitätsgebot des Staates. Selbst wenn das Tragen der Burka aus vielfältigen und nicht rein religiösen Gründen geschieht, genügt dies nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, um den Schutzbereich des Artikels 4 zu eröffnen.
Sie wissen alle, Religionsfreiheit ist vorbehaltlos. Deshalb muss Ihnen auch bewusst sein, dass ein allgemeines Gesetz als verfassungsrechtliche Rechtfertigung dem nie genügen würde, sondern begrenzt werden kann die Religionsfreiheit lediglich durch Grundrechte Dritter oder sonstiger Rechtsgüter mit Verfassungsrang.
Wenn wir aber in ein Gutachten des Wissenschaftliches Dienstes des Bundestages blicken, so würde ein Burkaverbot sogar gegen Artikel 1, die Menschenwürde, verstoßen und danach selbst bei einer Verfassungsänderung nicht eingeführt werden können.
Meine Damen und Herren von der AfD, als „Strohhalmargument“ für die Rechtfertigung führen Sie die Störung der öffentlichen Ordnung im Ihrem Antrag an. Ich frage Sie ernsthaft: Sehen Sie durch 20 bis 40 Frauen
die öffentliche Ordnung gestört? – Ich finde dabei deutlich, dass Ihre Forderung, die von der AfD, den Gipfel der Absurdität erklimmt. Für die Sozialdemokratie stelle ich noch einmal fest, dass auch wir die Burka für ein rückwärtsgewandtes und auch antiquitiertes Frauenbild halten. Wir halten aber nichts von einem allgemeinen Verbotsgesetz.
Liebe Frau Kollegin Nieland, diese Ausführungen sind Zahlen des rheinland-pfälzischen Ministeriums und wurden auch im entsprechenden Ausschuss genannt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Kollege Ruland, Ihnen ist offensichtlich die Begründung entgangen, dass es nun nicht darauf ankommt, ob es 20 oder 40 sind, wobei wir auch hier bezweifeln, dass es so wenige sind. Da müssen Sie zum Beispiel nach Ludwigshafen oder in andere Großstädte gehen. Erstens das eine.
Das Zweite ist, Sie reden ja selbst immer „Wehret den Anfängen“. Hier wäre einmal der Punkt, den Anfängen zu wehren und zu verhindern, dass es mehr werden, und Ihre Äußerung, den freien Willen der burkatragenden Frauen nicht beschränken zu wollen, die ist ja überaus bizarr. Ja also, da können wir, glaube ich, davon ausgehen, dass wenige Frauen sich freiwillig unter einer Burka verstecken.
Und da dann jetzt wiederum mit dem Grundsatz der Menschenwürde anzufangen, der es gebieten würde, das ist eine genauso bizarre Begründung wie die, die wir gestern für das Ausländerwahlrecht hören mussten, dass es abzuleiten sei von Grundsatzartikel 1/1 der Menschenwürde. Das ist also eine vollkommene Überdehnung und nicht zweckmäßig.
Ich habe nur einen Vergleich angestellt. Das ist also nicht zweckmäßig und aus unserer Sicht nicht zielführend, unsinnig.
Herr Ruland, möchten Sie erwidern? – Gibt es Wortmeldungen bei der CDU? Ansonsten würde ich jetzt Frau Lerch das Wort erteilen. – Ah, Frau Klöckner von der CDUFraktion hat das Wort.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Gesellschaft lebt vom Miteinander. Sie lebt vom Austausch auf Augenhöhe, Gestik, Mimik des Gegenübers. Wir sind auf Kommunikation angewiesen, und der Blick auf die Identität des anderen macht unsere freie und offene Gesellschaft aus.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Vollverschleierung geht es doch um drei Ebenen. Es geht um die Frau als Trägerin. Es geht um die Tatsache der Integrationshemmnisse, aber es geht auch um das Gegenüber, nämlich die Gesellschaft, die mit dieser Vollverschleierung auch konfrontiert wird.
Dieser differenzierte Umgang ist wichtig, wenn man das Ganze ernst meint. Wenn wir uns die Frauen anschauen, die unter einem Schleier versteckt werden, dann ist eines festzuhalten, dass es immer nur um Frauen geht. Diese Frage will ich hier wirklich stellen. Dazu habe ich jetzt zu wenig auch von der SPD gehört. Warum soll eine Frau sich beschämend verdecken? Warum soll just das Haar, das Gesicht, der Frauenkörper so anstößig sein in der Öffentlichkeit, dass eine Frau sich verstecken soll, die Identität verschwindet, damit am Ende der Mann vor den Reizen einer Frau geschützt werden muss? Dieses Denken gehört nicht in unsere Gesellschaft. Über dieses Denken müssen wir reden.
die Vollverschleierung, die Vollverhüllung ist eine extreme Form der Frauenverachtung und eine zutiefst unmenschliche Art, mit einem Geschlecht umzugehen. Deshalb ist es wichtig, dass man dazu eine Haltung hat und nicht sofort andere beschimpft, dass sie angeblich nicht verfassungsrechtlich argumentieren würden. Wir hatten das vorhin von Herrn Hartloff gehört: mehrere Juristen, nur eine Meinung. – Das war ironisch gemeint. Ja, es gibt Verfassungsrechtler, die Bedenken haben. Solche Bedenken muss man ernst nehmen.
Aber wir haben auch Verfassungsrechtler – übrigens Ihnen nicht unbekannte Verfassungsrechtler – aus RheinlandPfalz, aus Mainz, Herr Professor Hufen, oder Herr Di Fabio
ist auch kein ganz Unbekannter Verfassungsrechtler. Sie sagen umgekehrt, dass es nahezu ein Gebot des Rechtsstaates gebe aufgrund des ersten Satzes unserer Verfassung „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, auch der Frau,
nämlich die Rechte der Frau dann auch letztlich hochzuhalten. Eines ist doch klar – und noch einmal, es sind Frauen –, ich bin immer erstaunt, wie schnell sich deren Männer hier aber integrieren können, auch optischer Art mit Bermudas und Badelatschen, wenn es ziemlich heiß ist. Aber warum sollen die Frauen just dieses mittelalterliche oder vormittelalterliche Bild weiter hochhalten? Letztlich ist es ein Ausdruck, eine extreme Form und Absage an unsere offene Gesellschaft. Das ist ein Symbol für einen fundamentalen Islam, und in keinem Koranvers wird gefordert, dass sich Frauen verhüllen sollen. Das ist von Männern gemacht. Und letztlich sage ich, dann können wir eine Haltung dazu haben und es auch so in Frage stellen, ob es der Würde der Frau entspricht. Ich bin der Meinung, es entspricht nicht der Würde der Frau, und Verfassungsrechtler sind auch dieser Meinung, und diese politische Haltung, das ist Frage eines Parlamentes.