Protokoll der Sitzung vom 07.10.2020

dass die Handelsausschüsse der IHK den klaren Wunsch geäußert haben, dass es künftig rechtssichere verkaufsoffene Sonntage geben soll, und zwar maximal vier; keine zehn, keine 20, und schon gar nicht jeden Sonntag.

Weil unser Antrag sogar nur für zwei Sonntage im Jahr etwas an der bestehenden Rechtslage ändern würde, greifen auch die Bedenken der Angehörten aus den Bereichen der Kirchen und der Gewerkschaften gar nicht durch. Die haben nämlich mit den Folgen einer regelmäßigen Sonntagsöffnung und Sonntagsarbeit argumentiert. Letztlich haben die drei also am Thema vorbei argumentiert.

(Beifall der CDU – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Oh, oh, oh!)

Das muss man so hart sagen, auch wenn es mir leid tut; denn wir als CDU stehen zum starken Sonntagsschutz. Da sind wir eigentlich ganz auf der Seite der Kirchen.

(Zurufe von der SPD)

Ich freue mich, dass jetzt auch die Letzten wach werden.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Ich bin froh, dass der Heiner Geißler das nicht mehr mitbekommt!)

Zur Ehrlichkeit – gerade die Kirchen sollten ehrlich argumentieren –,

(Abg. Kathrin Anklam-Trapp: Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen! – Weitere Zurufe von der SPD – Glocke der Präsidentin)

gehört eben auch, dass der Buchladen des Klosters Maria Laach auf der Homepage damit wirbt, regelmäßig sonntags geöffnet zu haben.

(Abg. Martin Haller, SPD: Jeder blamiert sich so gut, wie er kann! – Weitere Zurufe von der SPD)

Es gibt also keine grundlegende Unvereinbarkeit von Glauben, Kirchen und angemessener Sonntagsöffnung.

(Beifall der CDU)

Ebenfalls zur Ehrlichkeit gehört, dass man bei einem anlassunabhängig geöffneten Sonntag pro Halbjahr die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht überfordert – die bekommen einen Zeitausgleich –, und auch deren Familien müssen nicht über Gebühr leiden.

Die Gegenargumentation geht völlig an den Realitäten vorbei; denn eigentlich sprechen wir nur von einem Sonntagnachmittag pro Halbjahr, weil die Öffnung überhaupt erst nach Ende der üblichen Gottesdienstzeiten zulässig wäre.

Meine Damen und Herren, was dabei völlig außen vor bleibt, ist: Wirklich belastend für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und für deren Familien ist die Angst um den Arbeitsplatz.

(Beifall der CDU)

Das ist wirklich belastend, meine Damen und Herren, und diese Angst wird dadurch gesteigert, dass die Ampel zusieht, wie der Handel in die Pleite geht und die Innenstädte weiter veröden.

(Beifall bei der CDU)

Daher war es erfreulich, dass der FDP-Vertreter die Richtigkeit unseres Ansatzes öffentlich bestätigt hat. Schade nur, dass er im Ausschuss offensichtlich nicht so abstimmen durfte.

Meine Damen und Herren, wenn jemand vor der Kreuzung blinkt und dann doch geradeaus fährt, dann kommt nichts Gutes dabei heraus. Das gilt im Straßenverkehr, und das gilt auch in der Politik.

Bemerkenswert ist auch, dass bisher kein einziges rechtliches Argument gegen unseren Vorschlag kam.

(Heiterkeit und Zuruf des Abg. Joachim Paul, AfD: Gar nicht!)

Allenfalls wird auf die gar nicht einschlägige Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte verwiesen. Die gehen aber – auch das wurde durch den Sachverständigen Scherer in

der Anhörung sehr deutlich – über die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinaus. Natürlich gibt es auch Gutachten, die den Anlassbezug als nicht zwingend identifizieren.

Jetzt meinen SPD und Grüne, man könnte auch bei der derzeitigen Rechtslage verkaufsoffene Sonntage organisieren.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja! – Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ist ja auch schon passiert!)

Dahinter steht die Überlegung – das klang in der Aussprache zur Anhörung deutlich an –, die Verwaltung müsse nur etwas kreativ sein, dann könne man schon Anlässe kreieren. Das ist aber ein Irrtum, zumindest wenn man es rechtssicher machen will.

Der Sachverständige Scherer sagte in der Anhörung, dass derzeit ca. 90 % der durchgeführten verkaufsoffenen Sonntage zumindest angreifbar sind. Die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) hat deshalb extra die Konsequenzen der Rechtsprechung zusammengefasst, und das müssen wir uns nochmals vergegenwärtigen.

Eine Veranstaltung ist danach nur dann ein tauglicher Anlass, wenn die Veranstaltung allein mehr Besucher anzieht als eine alleinige Ladenöffnung.

(Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Skandal!)

Ein solcher prognostischer Vergleich ist aber sehr komplex und endet eher selten mit einer rechtssicheren Eindeutigkeit.

Als weitere Anforderung, sagt die ADD, muss das räumliche Umfeld der Veranstaltung so begrenzt sein, dass ihr Bezug zur Veranstaltung erkennbar bleibt.

(Glocke der Präsidentin)

Mit anderen Worten, es darf nur dicht um die Veranstaltung herum geöffnet werden.

Seien wir also nicht so arrogant zu glauben, die Verantwortlichen in den Städten, in denen die verkaufsoffenen Sonntage untersagt wurden, hätten sich einfach ungeschickt angestellt. Lassen Sie uns als Gesetzgeber die sichere Umsetzbarkeit unseres bestehenden Gesetzes durch Nachjustierung sicherstellen.

(Glocke der Präsidentin)

Dafür bitte ich um die Zustimmung.

(Beifall der CDU – Abg. Michael Frisch, AfD: Wo bleibt das C? – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Jetzt gab es ja doch noch einen kirchlichen Martinsempfang!)

Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Sven Teuber.

16 Stunden pro Tag, sechs Tage die Woche. Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen, das ist nicht die Arbeitszeit von unseren gut entlohnten Abgeordneten, sondern das ist der zulässige Öffnungszeitraum in unserem Ladenöffnungsgesetz. 6 bis 22 Uhr, und das jeden Tag außer sonntags.

Alltagsheldinnen und -helden meistern diesen Alltag jeden Tag. Dazu sind es mehr als zwei Drittel Frauen. Dass die CDU diese Perspektive von Frauen nicht ganz so besonders wertschätzt, sieht man auch am Samstag mit ihrer Listenaufstellung, und vielleicht sollten Sie in dem Zusammenhang mehr auf Frauen wie die von mir geschätzte Kollegin Demuth hören,

(Abg. Joachim Paul, AfD: Frauen wie Frau Giffey, oder was?)

die in dem Zusammenhang Gleichstellung immer wieder zu Recht herausstellt.

(Beifall der SPD – Abg. Martin Haller, SPD: Da kann man mal klatschen!)

Vereinbarkeit von Familie und Beruf – das hat nicht erst Corona gezeigt – hängt aber immer noch zu stark an Frauen, und wenn die in dem Zusammenhang 16 Stunden pro Tag, aber tatsächlich auch in einem Zeitraum von 6 bis 22 Uhr dem Handel dienen müssen, dann erklären Sie mir mal, wie das auch noch anlasslos an Sonntagen, und das vielleicht auch noch nach Ihrer Vorstellung an mehr als vier Sonntagen, möglich sein soll.

Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin: „Wir sind einsamer denn je in dieser durch Vermassung gekennzeichneten Welt, welche die Einzelinteressen bevorzugt und die gemeinschaftliche Dimension der Existenz schwächt. Es gibt vor allem mehr Märkte, wo die Menschen die Rolle von Verbrauchern oder Zuschauern zukommt. (...) Es gibt wirtschaftliche Regeln, die sich als wirksam für das Wachstum, aber nicht gleicherweise für die Gesamtentwicklung des Menschen erweisen.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das können wir ganz aktuell der neuen Enzyklika des Papstes entnehmen, und ich empfehle gerade dem Kollegen Martin mit seiner Kirchenschelte, dass er sich diese Enzyklika noch einmal besonders vornimmt.

(Beifall der SPD und des Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Sonntagsschutz ist in unserer Verfassung seit der Weimarer Republik erkämpft durch Kirchen und Sozialdemokratie und konsequenterweise durch Kirchen und Sozialdemokratie auch im Grundgesetz in Artikel 140 noch heute geregelt.