Protokoll der Sitzung vom 08.10.2020

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen des Landtags! Zwischenzeitlich hatte man eben den Eindruck, es gibt gute Nachrichten: Ganz fällt die Karnevalssaison dieses Jahr nicht aus.

(Beifall und Heiterkeit der SPD und Beifall bei der FDP)

Frau Finanzministerin Doris Ahnen hat gestern in ihrer Einbringungsrede einen Satz geprägt, den ich gerne aufneh

men möchte: „Haushalte sind in Zahlen gegossene Politik.“

Ja, so ist es. Wir haben in den letzten Monaten recht viele Zahlen in Politik gegossen. Wir leben in besonderen Zeiten. Wir spüren es. Wenn wir uns heute die Nachrichtenlage anschauen – auch die Entwicklung der Infektionszahlen in Deutschland –, dann wissen wir, dass wir nicht auf eine Corona-Pandemie zurückblicken können, sondern uns mittendrin befinden.

Alles, was wir in diesen Tagen tun, was wir mit dem Haushaltsgesetz beschließen, was wir als Fraktion einbringen und wie wir uns mit welchem Anspruch an die eigene Seriosität äußern, lieber Herr Baldauf, muss diesen Zeiten gerecht werden.

Meine Damen und Herren, deshalb bin ich sehr, sehr froh, dass die Ampelregierung unter Malu Dreyer gestern einen Haushalt vorgelegt hat, der darauf Rücksicht nimmt, dass wir den Menschen in Rheinland-Pfalz gegenüber erneut Schutz und Chancen geben müssen. Zudem müssen wir deutlich machen, dass es nicht darum geht, spektakuläre Einzelpunkte zu setzen, sondern es geht um Verlässlichkeit, Zuverlässigkeit und die Bereitschaft der Menschen, sich in Rheinland-Pfalz weiterhin so zu engagieren, wie sie das tun, und somit das Beste in ihnen zu wecken.

(Beifall der SPD und bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mir ist in den letzten Tagen ein Essay von Nils Minkmar in die Hände gefallen, der auf SPIEGEL ONLINE geschrieben hat – ich zitiere ihn –: „Corona ist ein Test für Gemeinschaften (...) Zusammenarbeit, Verantwortungsgefühl und Zuverlässigkeit in der Gesellschaft machen dem Virus das Leben schwer.“

Ja, so ist es. Darum ist es völlig richtig, wenn wir nur vermeintlich profan erneut darauf hinweisen und die Gelegenheit nutzen, um zu sagen: Wir befinden uns alle zusammen in der Corona-Pandemie, und jeder und jede kann etwas tun.

Tatsächlich sind es die klassischen Regeln: Abstand, Hygiene, Alltagsmasken. Das darf man nie vergessen; denn das ist wichtig. Es geht darum, dass wir Rücksicht und Nachsicht üben. Es geht zudem darum, dass wir uns auch in der Landespolitik weiterhin an der Trias „Zusammenarbeit, Verantwortung und Zuverlässigkeit“ orientieren.

Zur Zusammenarbeit: Ich glaube, nie waren der Dialog zwischen den einzelnen staatlichen Ebenen mit Blick auf den föderalen Staatsaufbau und der Dialog zwischen dem Land und den Kommunen intensiver als in diesen Wochen und Monaten. Ich sage das immer wieder, weil es so wichtig ist, auch über parteipolitische Grenzen hinweg. Ich finde, das kann man einmal hervorheben.

Viele Persönlichkeiten aus unterschiedlichen politischen Richtungen haben ihr Verantwortungsgefühl in ihre alltägliche Arbeit einfließen lassen und gesagt: Ich will das zusammen mit dem Land hinbekommen. – Das Land hat

gesagt: Ich will das zusammen mit den Nachbarländern und dem Bund hinbekommen. –

Wir haben doch ein Interesse daran – insbesondere da wir in diesen Tagen viele erleben, die die Politik, aber auch die Demokratie selbst hinterfragen –, deutlich zu machen, dass dieses Staatswesen und diese Demokratie funktionieren und handlungsfähig sind. Meine Damen und Herren, wir können stolz darauf sein, dass wir uns das in diesen Tagen und Wochen bewahrt haben.

(Beifall der SPD, bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP)

Ich habe die kleine Tradition für mich entwickelt, dass ich jedes Mal, wenn ich hier spreche – ich habe in den letzten Wochen viel über Haushaltspolitik gesprochen –, über die begleitende Enquete-Kommission „Corona-Pandemie“ spreche. Dort ist jüngst wieder festgestellt worden, dass die Zusammenarbeit zwischen dem Land und den Kommunen hervorragend funktioniert.

Das bedeutet aber auch, dass man die kommunale Handlungsfähigkeit stärkt. Das tun wir und haben wir in den letzten Jahren mit Blick auf den Aufwuchs im kommunalen Finanzausgleich getan. Das haben wir bereits im ersten Nachtragshaushalt getan, als wir das erste Land waren, das überhaupt auf die Idee gekommen ist, sehr unmittelbar und ohne große Vorschriften und Standards, die wir in Mainz definieren, den Kommunen das Geld in die Hand zu geben, damit sie unmittelbar reagieren können.

Ich habe von dieser Stelle aus schon einmal deutlich gemacht, wie das mit Blick auf die konkrete Situation – nicht die eingebildete Situation – tatsächlich funktioniert, Herr Baldauf. Wir haben den Kommunen an dieser Stelle eine Unterstützung gegeben, für die sie sehr dankbar sind. Zumindest sagen sie das im internen Kreis, parteipolitisch geprägt und nicht öffentlich. Das kann ich aber übersehen. Sie sagen sehr deutlich: Gut, dass wir in Rheinland-Pfalz diese Unterstützung durch die Landesregierung hatten.

(Beifall der SPD und vereinzelt bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dies hat sich im zweiten Nachtragshaushalt, den wir vor wenigen Tagen auf den Weg gebracht haben, fortgesetzt. Das ist auch das Bild, das dieser Haushalt erneut zeigt. Der kommunale Finanzausgleich hat sich in Rheinland-Pfalz mit Antritt der Regierung unter Malu Dreyer eben einmal um über 1 Milliarde Euro erhöht.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Dass wir – das will ich deutlich sagen – vorankommen, was die kommunalen Finanzen angeht, können Sie sehen, wenn Sie sich die kommunalen Abrechnungen der letzten drei Jahre anschauen: insgesamt über 1 Milliarde Euro positiver Saldo.

Lieber Herr Baldauf, das muss man auch zur Kenntnis

nehmen. Es nutzt nichts, eine parteipolitisch geprägte „Schwellenland-Rhetorik“ an den Tag zu legen.

(Heiterkeit des Abg. Martin Haller, SPD)

Lieber Herr Baldauf, wir sind hier in Rheinland-Pfalz, nicht in Aserbaidschan. Was glauben Sie denn?

(Beifall der SPD und bei der FDP – Unruhe im Hause)

Zu glauben, dass die Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer ihr eigenes Erleben überprüfen, wenn ihnen Christian Baldauf sagt, er lebt in einem Schwellenland, ist naiv. Lieber Herr Baldauf, ich verstehe nicht, warum Sie nicht aus Ihren eigenen Erfahrungen lernen. Seit ich im Landtag bin, versuchen Sie, das Land schlechtzureden, und wundern sich dann immer wieder, dass die Menschen diejenigen nicht wählen, die das Land schlechtreden. Warum hören Sie nicht endlich damit auf?

(Beifall der SPD und der Abg. Monika Becker, FDP – Abg. Martin Haller, SPD: So ist das! – Abg. Hedi Thelen, CDU: Das machen die Statistiker, Herr Schweitzer!)

Wenn Sie das Thema der Altschulden ansprechen: Sie haben schon vorhergesehen, dass gleich jemand aufstehen und Ihnen sagen wird, was Sie dazu beigetragen haben.

(Zuruf von der SPD: Gar nichts!)

Herr Baldauf, ich will Sie nicht enttäuschen. Ich will schon sagen, dass wir sehr weit gekommen sind, was das Thema der Altschulden angeht.

Wir haben in Rheinland-Pfalz gesagt, wir werden einen großen Anteil dazu leisten, dass wir die Kommunen in Rheinland-Pfalz entschulden, und andere Länder wie Nordrhein-Westfalen und das Saarland haben gesagt, sie entschulden ihre Kommunen, wenn der Bund einen Teil dazugibt.

(Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Beim Bund war zumindest der sozialdemokratische Teil der Großen Koalition dazu bereit.

Dann gab es ein paar Bundestagsabgeordnete aus Rheinland-Pfalz, die noch stolz darauf waren, dass sie das hintertrieben haben.

(Abg. Martin Haller, SPD: Politik gegen das eigene Land! – Abg. Michael Hüttner, SPD: Schändlich!)

Jetzt sage ich Ihnen etwas, und zwar ganz bewusst: Ich habe in den letzten Wochen und Monaten selten etwas unpatriotischeres erlebt als die rheinland-pfälzische CDU, die versucht hat, in Berlin den Interessen des Landes RheinlandPfalz zu schaden.

(Anhaltend Beifall der SPD und vereinzelt bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Heiterkeit des Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU)

Sie haben es vorhergesehen. Lieber Herr Baldauf, das werden Sie noch ein paarmal hören bis zu einem Termin im März.

Dieser Haushalt ist ein Haushalt, der in der Zeit der CoronaPandemie entwickelt wurde und die Handschrift der Krisenreaktion und des Vorbereitens auf weitere Herausforderungen trägt, uns aber natürlich auch ein ganzes Stück in andere Themenbereiche führt.

Ich will das Stichwort der Transformation aufnehmen. Es ist ein sehr technokratischer Begriff, der sich jetzt durchgesetzt hat. Ich bin selbst nicht ganz glücklich darüber. Es geht darum, dass wir uns erneut in einer Veränderungsphase befinden, was die Art, wie wir produzieren, Kundenbeziehungen aufbauen und die Arbeit in Betrieben organisieren, angeht.

Rheinland-Pfalz ist erfahren, was diese Veränderungsprozesse angeht. Ich erinnere an die Phase der Konversion. Das war ebenfalls ein Transformationsprozess. Wir können Transformation und Veränderungen.

Wir befinden uns erneut in einer solchen Phase. Die Stichworte sind „Digitalisierung“, „Demografie“ und „Klimawandel“. Es muss völlig klar sein – ich will deutlich sagen, dass das nicht nur die Erkenntnis einer politischen Partei ist –, dass ein Geschäftsmodell, das auch in Zukunft darauf setzt, dass wir die uns zur Verfügung stehenden Ressourcen verbrauchen, ohne sie zu revitalisieren, in Zukunft kein Geschäftsmodell mehr sein kann, egal in welchem Bereich. Die Industrie weiß das und braucht die Unterstützung und Begleitung bei diesem Veränderungsprozess.

Wir wollen mit diesem Haushalt unseren Beitrag dazu leisten, dass dieser Transformationsprozess, dieser Prozess der Veränderung, in Rheinland-Pfalz gelingen kann. Wir brauchen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Unternehmen.

Herr Baldauf, ich fand es interessant, dass die Beschäftigungsperspektive, also das Gros der Menschen in der Wirtschaft, in Ihrer Rede gar keine Rolle gespielt hat.

(Abg. Martin Haller, SPD: Tja!)

Ich fand es auch interessant, dass etwas, das uns in diesem Bereich in den letzten Jahren hervorragend gelungen ist – dass wir es als Land, dem es nicht an der Wiege gesungen war, hinter Baden-Württemberg und Bayern, die offen gesagt eine starke Konkurrenz sind, bei der Arbeitsmarktentwicklung auf Platz 3 geschafft haben –, in Ihrem Ranking der „Schwellenland-Rhetorik“-Beispiele keine Rolle gespielt hat.

Das kann ich parteipolitisch noch nachvollziehen, aber warum sind Sie bereit, diesen Erfolg, den mittelständische industrielle Unternehmen und viele Arbeitgeber mit ihren

Beschäftigten zusammen erreicht haben, so zu negieren? Ich war immer stolz darauf, dass wir in Rheinland-Pfalz mit unserer Wirtschaftspolitik, Arbeitsmarktpolitik, Infrastruktur und Bildungspolitik offensichtlich den Rahmen so gesetzt haben, dass wir bei der Arbeitsmarktentwicklung auf Platz 3 gelandet sind.