Protokoll der Sitzung vom 30.10.2020

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Ich hör’ doch zu!)

Ich will Ihnen eines sagen: Ich finde es schon bemerkenswert, wie Sie versuchen – obwohl es nicht meine Farbe ist, sage ich es trotzdem –, die rheinland-pfälzische FDP mit einer wirklichen Pirouettendrehung in die Nähe einer rechtsradikalen Partei zu rücken.

(Abg. Monika Becker, FDP: Unglaublich!)

Lieber Herr Baldauf, an der Stelle hätten Sie Gemeinsamkeiten zwischen Demokraten nicht unterpflügen dürfen, wenn Sie sie an anderer Stelle gelobt haben.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will Ihnen auch sagen: An Ihrer Stelle hätte ich mir ein bisschen mehr Zurückhaltung auferlegt, was das Aufzeigen von Diskrepanzen innerhalb der eigenen Parteifarbe zwischen den politischen Ebenen angeht.

(Abg. Monika Becker, FDP: Genau!)

Wir erinnern uns, zumindest in der SPD-Fraktion, sehr gerne an die Kollegin Klöckner. Sie war auch einmal im Landtag. Inzwischen sitzt sie am Kabinettstisch in Berlin. Sie hat natürlich, weil es ein einstimmiger Beschluss über die Maßnahmen war, die wir jetzt in der Ministerpräsidentenkonferenz und mit der Kanzlerin diskutiert und beschlossen haben, unterstützend am Kabinettstisch die Hand gehoben. Ich kritisiere das ausdrücklich nicht. Ich will Ihnen aber auch sagen: Sie hat in einer Zeit und zu einer Stunde die Hand gehoben, in der die Landräte der CDU und Sie selbst noch das Gegenteil dessen erzählt und gefordert haben, was Frau Klöckner mit am Kabinettstisch beschlossen hat.

(Anhaltend Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Martin Haller, SPD: Peinlich!)

Ich finde das auch gar nicht so schwierig, muss ich Ihnen sagen. Ich habe eingangs erzählt, man darf über Dinge diskutieren. Sie haben offensichtlich auch intern noch Diskussionsbedarf gehabt. Auch das ist völlig in Ordnung. Es gehört zu einer Volkspartei dazu, dass man diskutiert. Sehr plötzlich merkt man doch: Frau Klöckner und nicht Herr Baldauf hat recht. Das war das Ergebnis.

(Heiterkeit des Staatsministers Dr. Volker Wissing)

Jetzt ist es so, dass Sie aber genau das anderen vorwerfen.

Ich finde, das gehört dann doch nicht ganz zu dem, was Sie gesagt haben, dass wir als Demokraten in diesen Zeiten versuchen sollten, zumindest stückweise und soweit es uns möglich ist, den Wahlkampf zurückzufahren.

Lieber Herr Baldauf, ich finde, was Sie zur FDP gesagt haben, war sehr viel mehr Wahlkampf, als wir in den letzten Wochen in diesem Haus überhaupt gehört haben.

(Beifall der SPD, der FDP und vereinzelt bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin mir sicher, dass die Menschen, die dieser Debatte vielleicht mit der persönlichen Sorge folgen, was das alles für sie mit Blick auf ihre Gesundheit bedeutet und wie es in ihrem Unternehmen oder ihrer Branche weitergeht, sicherlich vor allem jetzt keine Wahlkampfdebatte hören wollen.

(Zuruf aus dem Hause: So ist es! – Zuruf von der SPD: Richtig!)

Darum sage ich sehr deutlich: Es ist gut, dass die demokratischen Parteien zusammenstehen. Es ist gut, dass wir uns in einer Phase der außerordentlichen Herausforderung, vor der wir stehen, auf das Gemeinsame besinnen und gemeinsam dazu beitragen, dass Akzeptanz dort wächst, wo sie noch nicht groß genug ist, und Unterstützung für diejenigen schnell gewährleistet wird, die sie benötigen.

Ich schlage uns allen vor, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten, aber zumindest in diesen Wochen bis Ende November in dieser besonderen Phase dazu beitragen, unsere Möglichkeiten im Land, vor Ort in den Kommunen und in Berlin zu nutzen, dass wir gut durch diese Phase des Lockdowns kommen und, wo möglich, die Verlangsamung der dynamischen Entwicklung erreichen, damit Menschen nicht gesundheitlich beeinträchtigt werden oder sterben müssen, und wir dann mit dieser gemeinsamen Erfahrung in die nächsten Monate gehen.

Wenn wir dann vielleicht in der Wahlkampfauseinandersetzung sind, sollten wir das, was wir jetzt vielleicht gemeinsam erreichen können und uns jetzt ausmacht und prägt, beibehalten. Ich würde mir das wünschen, weil ich glaube, in diesen Zeiten geht es darum, Kraft für unser Land und die Menschen in unserem Land zu finden, die jetzt wirklich darauf hoffen, dass Politik verantwortungsvolle Entscheidungen trifft und sie dabei mitnimmt.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Anhaltend starker Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Frisch das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Bereits am Mittwoch um 15.10 Uhr hat die AfD-Fraktion in einer Pressemitteilung eine Sondersitzung des Landtags gefordert. Nur 30 Minuten später bat die Staatskanzlei darum, eine solche Sitzung anzuberaumen.

(Zuruf aus dem Hause: Ja, ja!)

War es die Einsicht in die Notwendigkeiten der außergewöhnlichen Situation oder der reflexartige Wunsch, der Opposition den Wind aus den Segeln zu nehmen?

(Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Ne!)

Fakt ist: Auch die Landesregierung verschließt sich nicht länger der fundamentalen Kritik, die in den letzten Wochen am Corona-Management der Politik laut geworden ist; denn es ist nicht das Recht der Bundeskanzlerin, von Berlin aus ex cathedra über die Geschicke unseres Landes in dieser existenziellen Krise zu bestimmen.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Ich kann es echt nicht mehr hören!)

Es fällt nicht in die Zuständigkeit des Gesundheitsministers, per Verordnung einschneidende Auflagen für unsere Wirtschaft zu erlassen und bürgerliche Freiheitsrechte dauerhaft einzuschränken. Es ist auch nicht die Sache eines in der Verfassung nicht vorgesehenen Gremiums namens „Kanzlerin mit Ministerpräsidenten“ darüber zu befinden, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um den aktuellen Herausforderungen angemessen und im Rahmen unserer Rechtsordnung zu begegnen.

(Beifall der AfD)

Meine Damen und Herren, nein, dies alles zu tun, ist in unserem demokratischen Staat ganz allein Aufgabe der Parlamente. Es ist die Aufgabe des Deutschen Bundestags und der Länderparlamente, darüber zu entscheiden, welche potenziellen Gefahren unter welchen genauen Umständen welche staatlich verhängten Einschränkungen rechtfertigen. Dass dies in den ersten Wochen der Pandemie unterblieben ist, leuchtet ein. Spontane Notsituationen erfordern ein schnelles Handeln, und hier ist in der Tat die Exekutive gefordert.

Dass aber inzwischen über viele Monate hinweg schwerwiegende Maßnahmen bis hin zu massiven Eingriffen in die Grundrechte unserer Bürger an den Parlamenten vorbei beschlossen wurden, ist mehr als eine demokratische Zumutung. Meine Damen und Herren, das ist vielmehr ein verfassungsrechtlicher Skandal, den es umgehend zu beenden gilt.

(Beifall der AfD)

Wichtige Entscheidungen müssen in einer funktionierenden Demokratie von denjenigen getroffen werden, die vom Volk dafür legitimiert sind. Sie brauchen eine von den Parlamenten gelegte gesetzliche Grundlage, die permanent überprüft und notfalls korrigiert werden muss. Es ist außerordentlich bedenklich, dass wir die Regierenden nach

dem Jahr 2015 erneut an diese fundamentale Gegebenheit unserer Verfassung erinnern müssen.

(Beifall der AfD)

Deshalb ist es gut und notwendig, dass wir heute hier zusammengekommen sind, um über die Dinge zu debattieren, die jetzt auf den Weg gebracht werden sollen. Es genügt aber nicht, darüber zu reden. Es genügt auch nicht, sich damit auseinanderzusetzen, wie es der Präsident eingangs formuliert hat, oder das Parlament einzubeziehen, ohne es darüber abstimmen zu lassen, wie es die Ministerpräsidentin vorhin gesagt hat.

Auch der Wissenschaftliche Dienst des Landtags kommt in seinem gestern veröffentlichten Gutachten zu dem Schluss, es falle in die Zuständigkeit des Parlaments, grundrechtebeschränkende Verordnungen der Landesregierung in Umfang und Wirkungsdauer zu kontrollieren und gegebenenfalls einzugreifen.

Folgerichtig haben wir einen Antrag eingebracht, der Landtag möge auf Grundlage von Artikel 80 Abs. 4 Grundgesetz beschließen, die Entscheidung über zu treffende CoronaMaßnahmen und Auflagen an sich zu ziehen. Wir werden eine namentliche Abstimmung über diese Vorlage beantragen; denn damit kommt es zum Schwur.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Ach Gott! Jo!)

Meine Damen und Herren, Sie alle können und müssen dann zeigen, ob es Ihnen mit Ihrer Kritik an der mangelnden Beteiligung der Legislative und Ihren Bekenntnissen zur Demokratie und zur Rolle des Parlaments ernst ist, die Sie in diesem Hause immer wieder abgelegt haben.

(Zuruf des Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU)

Ich bin mir sicher, die Bürger unseres Landes werden genau hinschauen, wer sich gegen diesen Vorschlag stellt, der nichts anderes als eine Selbstverständlichkeit unserer parlamentarischen Demokratie einfordert.

(Beifall der AfD)

Meine Damen und Herren, die gestern beschlossenen Verschärfungen des Ausnahmezustands werden gravierende Auswirkungen auf unsere Wirtschaft, das soziale und kulturelle Leben und unseren persönlichen Alltag haben.

Allein daraus ergibt sich die Verpflichtung, sorgfältig abzuwägen und die Notwendigkeit dieser Maßnahmen unter Berücksichtigung aller wesentlichen Aspekte zu begründen; und schon hier beginnen unsere Zweifel. Die Anordnung eines neuerlichen, beschönigend als light bezeichneten Lockdowns stützt sich in erster Linie auf die gestiegene Zahl der positiven Testungen.

Dabei wissen wir alle, wie fragwürdig die Resultate eines PCR-Tests sind, der eine nicht unerhebliche Rate von falsch positiven Ergebnissen hat, wie auch Gesundheitsminister

Spahn eingestehen musste; ein Test, der selbst bei korrekter Aussage lediglich einen Kontakt mit dem Virus beweist, aber keineswegs eine Infektion oder gar eine ernsthafte Erkrankung dokumentiert und bei dem die Anzahl der positiven Ausgänge natürlich in Beziehung zu in den letzten Wochen stark gestiegenen Testzahlen gesetzt werden muss, um überhaupt aussagekräftig zu sein.

Vor allem aber dürfen nicht die positiven Testergebnisse das entscheidende Kriterium für die Gefährlichkeit einer Infektion sein, sondern in erster Linie die Auswirkungen, die sie auf die betroffenen Menschen hat. Ernsthafte Erkrankung, Hospitalisierung, Intensivbehandlung oder Tod, das sind die Parameter, die ausschlaggebend dafür sind, wie bedrohlich das Virus wirklich für unsere Bevölkerung ist.