Lage zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) in Rheinland-Pfalz Regierungserklärung von Ministerpräsidentin Malu Dreyer
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Herren und Damen Abgeordnete, sehr verehrte Gäste! Danke für Ihre klaren Worte, sehr geehrter Herr Landtagspräsident. Sie haben an das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte erinnert. Dafür bin ich Ihnen und den vielen Zehntausenden Menschen, die auch an diesem 9. November wieder der Reichspogromnacht und ihrer Opfer gedacht haben, dankbar.
Corona hat sie nicht davon abgehalten, auch wenn das Gedenken in diesem Jahr anders sein musste. Das gilt für so vieles im Jahr 2020.
Heute ist der 11.11. Heute stünde Mainz eigentlich Kopf; denn es beginnt die fünfte Jahreszeit. In dieser Session aber gilt: Schunkeln nur mit Abstand. Es gibt Online- statt Saalfastnacht. Ja, die kommende Fastnacht ist anders, aber wir können auch stolz auf unsere Fastnachter und Fastnachterinnen sein, wie sie sich auf Corona einstellen und wie sie mit vielen kreativen Ideen die Tradition auch in der Pandemie leben.
Die einschneidenden Maßnahmen des Teil-Lockdowns sind am 2. November, also vor anderthalb Wochen, in Kraft getreten. Meine Landesregierung und ich als Ministerpräsidentin tun auch in dieser schwierigen Phase der zweiten Welle der Pandemie alles, um die Gesundheit der Rheinland-Pfälzer und Rheinland-Pfälzerinnen zu schützen und dabei den Schaden für das gesellschaftliche Leben und die Wirtschaft so gering wie möglich zu halten.
Meine sehr verehrten Herren und Damen, in RheinlandPfalz wurden Stand heute 924 Neuinfektionen gemeldet. 13.221 Personen sind derzeit mit dem Coronavirus infiziert. Damit steigt die Zahl der Neuinfektionen weiter. Wenn man jedoch die Zahlen für unser Land im Wochenvergleich
betrachtet, gibt es erste vorsichtige Anzeichen, dass sich die exponenzielle Dynamik des Infektionsgeschehens abschwächt.
Bei all diesen Statistiken ist mir wichtig zu sagen: Bei uns sind bis heute 342 Menschen an und mit COVID-19 gestorben. Auch bei uns trauern Angehörige und Freunde. Es kämpfen Menschen mit den Folgen einer COVID-19Erkrankung. Lassen Sie uns nicht vergessen: Hinter jeder Zahl steht ein Schicksal.
Meine sehr verehrten Kollegen und Kolleginnen, Sie werden die jüngsten Warnungen von Medizinern und Medizinerinnen verfolgt haben, wonach exponentiell steigende Infektionszahlen die Gefahr bedeuten, dass wir mit den Kapazitäten der verfügbaren Intensivbetten an unsere Grenzen kommen.
Das oberste Ziel der gegenwärtigen Maßnahmen ist also – wie schon im März –, dass eine solche Situation in Deutschland nicht eintritt. Deshalb hat meine Landesregierung gemeinsam mit den Verantwortlichen in der Krankenhauslandschaft die Anzahl der Intensivbetten gesteigert, die Anschaffung von Beatmungsgeräten vorangetrieben und zusätzliches Personal qualifiziert.
Mit der bereits Ende März ins Leben gerufenen „Allianz der Krankenhäuser“ wurden regionale Netzwerke mit ausgewählten Maximal- und Schwerpunktversorgern in den fünf Versorgungsgebieten aufgebaut. Diese sind sehr verlässliche Partner und tragende Säulen in der Bekämpfung der Corona-Pandemie. Deshalb sind wir davon überzeugt, dass in Rheinland-Pfalz auch in Zukunft alle an COVID-19 Erkrankten die notwendige medizinische Versorgung erhalten können.
Meine sehr verehrten Herren und Damen, der gegenwärtige Teil-Lockdown hat ein weiteres ganz klares Ziel. Viele Bereiche des öffentlichen Lebens wurden geschlossen, damit Kitas und Schulen geöffnet bleiben können. Natürlich beobachten wir sehr genau, wie die Maßnahmen wirken. Dazu sind wir im engen Austausch unter anderem mit Wissenschaftlern, Medizinern, der Unfallkasse und dem Institut für Lehrergesundheit. Damit der Unterricht sicher ablaufen kann, haben wir ab Klasse 5 eine Maskenpflicht in Rheinland-Pfalz eingeführt und setzen gerade auch in Grundschulen noch stärker als bisher auf feste Lerngruppen.
Sollte sich zeigen, dass es dennoch künftig zu verstärkten Infektionsgeschehen in den Schulen kommt, so werden wir den Schulen die Möglichkeit geben, mit den älteren Schülerinnen und Schülern zeitlich befristet in Wechselmodelle zu gehen. Wenn ein besonderes Infektionsgeschehen in einzelnen Schulen vorliegt, entscheiden schon jetzt Gesundheitsamt und Schulträger vor Ort über Schulschließungen oder Teilschließungen.
Wir wollen nicht nur einen sicheren Unterricht, sondern auch einen sicheren Schulweg. Das Land ist eines von drei Bundesländern, das die Kommunen bei der Bereitstellung zusätzlicher Schulbusse unterstützt.
Weitere 70 Busse stehen bereit und können von den Kommunen jederzeit angefordert werden. Die Landesregierung tut alles, um Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte zu schützen und zugleich den Präsenzunterricht zu ermöglichen. Wir können stolz auf unsere Schülerschaft sein, wie sie mit den momentanen Bedingungen umgeht. Über 40.000 engagierte Pädagogen und Pädagoginnen tun jeden Tag ihren Dienst. Für den Bereich der Kita gilt das ganz genauso. Jedem und jeder Einzelnen danke ich dafür sehr, sehr herzlich.
Sehr verehrte Kollegen und Kolleginnen, ein wichtiger Beitrag, um die Ausbreitung von Infektionen schon im Ansatz zu verhindern, sind gezielte Antigen-Schnelltests. Sie dienen schon jetzt dem Einsatz in Krankenhäusern und Altenund Pflegeheimen, auch damit die Bürger und Bürgerinnen ihre schwer kranken und gefährdeten Angehörigen weiter besuchen können.
Zum Glück geht auch die Entwicklung eines Impfstoffs mit Hochdruck voran. Die rheinland-pfälzische Firma BioNTech AG aus Mainz wird weltweit das erste Unternehmen sein, das in der kommenden Woche einen Antrag auf Zulassung stellen wird. Das ist eine sehr, sehr gute Nachricht, die vielen Menschen Hoffnung gibt. Wir verdanken sie der hervorragenden Arbeit der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen.
(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Hedi Thelen, CDU, und Dr. Timo Böhme, AfD)
Ich bin doppelt stolz. Die im Jahr 2008 gegründete BioNTech AG basiert auf einer erfolgreichen Forschungs- und Entwicklungsgeschichte am Wissenschaftsstandort Mainz.
Die wissenschaftlichen Wurzeln dieses Erfolgs liegen auch in den langjährigen, vom Land unterstützten Forschungsarbeiten der Universitätsmedizin.
Verteilt werden die Impfdosen nach einer Zulassung gemäß einem gesamteuropäischen Verfahren. Wir arbeiten gerade mit aller Kraft daran, die Verteilung für Rheinland-Pfalz vorzubereiten. Es wird in jeder kreisfreien Stadt und in jedem Landkreis ein Impfzentrum geben. Daneben werden auch mobile Teams eingesetzt, die beispielsweise Altenund Pflegeheime aufsuchen werden.
Viele stellen sich jetzt natürlich die Frage: Wer bekommt eigentlich den Impfstoff zuerst? Hierzu gibt es Empfehlungen der Ständigen Impfkommission, des Deutschen Ethikrats sowie der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.
Die mit der Verteilung verbundenen ethischen Fragen sind von einer solch hohen Bedeutung, dass ich davon ausgehe, dass sich damit auch der Deutsche Bundestag befassen wird. Klar ist jedenfalls, dass es eine einheitliche nationale Impfstrategie geben wird. Für Rheinland-Pfalz würde ich mich über eine Orientierungsdebatte des Landtags freuen, die die ethischen Fragen umfassend erörtert.
Dass der Grund für die weltweite Hoffnung auf ein Ende der Pandemie aus Rheinland-Pfalz kommt, macht mich als Ministerpräsidentin besonders froh. Lassen Sie uns aber bei aller Freude auch realistisch bleiben. Bis zu einem globalen Impfschutz wird noch viel Zeit ins Land gehen. Wir werden also die Schutzmaßnahmen wie das Maskentragen noch lange beibehalten müssen.
Meine sehr verehrten Herren und Damen, Dreh- und Angelpunkt des gegenwärtigen Teil-Lockdowns sind die Novemberhilfen des Bundes für unsere Unternehmen, Betriebe, Selbstständigen, Vereine und Einrichtungen, die von den Schließungsmaßnahmen besonders betroffen sind. Sie erhalten bis zu 75 % des durchschnittlichen Umsatzes im November 2019. Ich habe mich auf Bundesebene besonders dafür eingesetzt, dass auch Soloselbstständige, vor allem die Kulturschaffenden, zum Kreis derer gehören, die die Nothilfen in Anspruch nehmen können.
Unternehmen und Soloselbstständige können ihre Anträge in Kürze über das Antragsportal des Bundes in elektronischer Form stellen. Die letzten Fragen der konkreten Antragstellung werden in diesen Tagen geklärt. Ziel ist es, dass noch diese Woche die Vollzugshinweise und die Verwaltungsvereinbarung durch den Bundeswirtschaftsminister formuliert werden.
Der Bundeswirtschaftsminister hat uns zugesagt, dass bei der direkten Antragstellung durch Soloselbstständige eine automatisierte Authentifizierung der Antragsteller über das ELSTER-Verfahren der Finanzverwaltung erfolgt. Wir erwarten ein unbürokratisches und schnelles Verfahren. Der Bundeswirtschaftsminister hat uns versichert, dass er mit
Hochdruck daran arbeitet, damit wir Länder dann schnell mit dem Auszahlungsverfahren starten können.
Wir wissen, in welcher angespannten Lage die Restaurantbesitzer und Hoteliers sind. Meiner Landesregierung war es besonders wichtig, dass die Restaurants und Beherbergungsbetriebe Hilfen erhalten und gleichzeitig den AußerHaus-Verkauf anbieten können. Uns ist bewusst, die Wirtschaft ist in einer sehr schwierigen Situation, aber wir lassen sie nicht allein. Die Politik setzt Milliarden an Steuergeldern ein. Wir tun dies im Interesse der Unternehmer und Unternehmerinnen. Wir tun dies zugleich für die vielen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen.
Sehr verehrte Herren und Damen, liebe Zuhörer und Zuhörerinnen, was sind die nächsten Schritte? Der 16. November mit dem Treffen der Bundeskanzlerin ist eine wichtige Zwischenetappe, bei der Bund und Länder ein erstes Fazit der Maßnahmen ziehen werden. Für mich ist klar, wir sind gemeinsam in den Teil-Lockdown gegangen, und wir müssen gemeinsam auch die nächsten Schritte beschließen.
Ich werde mich auch am 16. November wieder für ein weiteres gemeinsames Vorgehen einsetzen. Ich werde mich bei den Regierungschefs und -chefinnen der Länder und dem Bund für diejenigen starkmachen, die als Veranstalter und Künstler jetzt kaum Einnahmemöglichkeiten haben, damit sie auch über den November hinaus zielgenaue Hilfen erhalten;
denn Kultur ist keine Branche wie jede andere. Ihre Beiträge zur kritischen Debatte und ihre Ermutigungen, die Dinge anders zu sehen, gehören zum Wesen unserer demokratischen Öffentlichkeit. Kunst von der Jugendband bis hin zum Staatstheater hilft uns auch zu verstehen und zu verarbeiten, was Corona mit uns macht. Deshalb ist es so wichtig, dass wir unsere Künstler und Künstlerinnen und die Veranstalter und Veranstalterinnen in der Pandemie und darüber hinaus unterstützen.
Wir bringen an ganz vielen Stellen die Dinge auf den Weg, die notwendig sind, damit wir die Folgen der Pandemie abmildern, die Menschen schützen und unser Land so aufstellen, dass wir stark aus der Krise kommen.
Meine sehr geehrten Herren und Damen, der 11.11. ist nicht nur der Tag, an dem die neue Fastnacht beginnt. Es ist auch Sankt-Martins-Tag. Die traditionellen Laternenumzüge unserer Kinder können in diesem Jahr ebenfalls nicht stattfinden, aber die Geschichte vom heiligen Martin hat auch für die Corona-Zeit eine sehr starke Botschaft: Achtsamkeit für die anderen und Solidarität. Das ist auch die wichtigste Antwort auf die gegenwärtige Phase der Pandemie.
schen auf Demonstrationen die Gesundheit vieler gefährden. Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind ein hohes Gut. Natürlich hat jeder und jede das Recht, die eigene Position auf die Straße zu tragen, aber nur gewaltlos, nur unter Einhaltung der Schutzvorschriften und Auflagen. Wer sich nicht daran hält, wer Vertreter der Presse attackiert, wer Polizeibeamte angreift, der missbraucht das Recht auf Demonstrationsfreiheit.
Wer Seite an Seite mit gewaltbereiten Neonazis marschiert, der macht sich unter dem Deckmantel der Corona-Kritik mit Antidemokraten und Antisemiten gemein. Auch bei uns in Rheinland-Pfalz nimmt leider die Gewalt zu. Gestern wurde in Worms ein Polizeibeamter durch Faustschläge verletzt, als er die Einhaltung der Maskenpflicht einforderte. Ich verurteile solche Vorfälle auf das Allerschärfste.