Protokoll der Sitzung vom 11.11.2020

(Zuruf des Abg. Martin Haller, SPD – Abg. Gabriel Bublies-Leifert, fraktionslos: Herr Haller offenbart Ihr Demokratieverständnis! – Weitere Zurufe von der SPD)

Für die Landesregierung erteile ich Staatssekretärin Steingaß das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Veränderungen am Wahlrecht dürfen nie leichtfertig vorgenommen werden. Sie müssen gut begründet, wohldurchdacht und gut abgewogen sein. Da wirklich niemand voraussehen kann, wie sich die Pandemie bis in den nächsten März und darüber hinaus entwickeln wird, hält die Landesregierung es für sehr sinnvoll, sich für den Notfall zu rüsten.

Einerseits schafft dieser Gesetzentwurf die rechtliche Möglichkeit zur Anordnung einer regionalen Briefwahl. So wird sichergestellt, dass alle Bürgerinnen und Bürger ihr Wahlrecht tatsächlich ausüben können und die Landtagswahl, wie auch einige Kommunalwahlen, trotz einer eventuellen Verschärfung der Pandemiesituation am 14. März tatsächlich stattfinden kann.

Die Einbindung des Landeswahlleiters und des Innenministeriums stellt sicher, dass es im Fall der Fälle zu einer einheitlichen Handhabung kommen wird. Auch die Absenkung der Anzahl der notwendigen Unterschriften für Wahlvorschläge ist in diesen Zeiten aus Sicht der Landesregierung richtig, um Chancengleichheit zu wahren.

Andererseits wurde zur Vorbereitung der Landtagswahl auch umfangreiche organisatorische Vorsorge getroffen, indem für jede Wahlberechtigte und für jeden Wahlberechtigten unabhängig von einer regionalen Anordnung Briefwahlunterlagen vorgehalten werden. Somit sehe ich Rheinland-Pfalz für die Landtagswahl 2021 sehr gut gerüstet.

Ich danke den Fraktionen für die Einbringung dieses Gesetzentwurfs.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind am Ende dieser Debatte. Es gibt keine weiteren

Wortmeldungen mehr. Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD, der CDU, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/13562 – an den Innenausschuss – federführend – und an den Rechtsausschuss zu überweisen. Besteht Einverständnis? – Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe den nächsten Tagesordnungspunkt, Punkt 16 der Tagesordnung, auf:

Landesgesetz zur Änderung des Landesgesetzes über lokale Entwicklungs- und Aufwertungsprojekte (LEAPG) Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/13548 – Erste Beratung

Die Fraktionen haben eine Grundredezeit von 3 Minuten vereinbart.

Zunächst bitte ich um Begründung. Für die SPD-Fraktion spricht Abgeordnete Dr. Köbberling.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der vorliegenden Gesetzesänderung soll eine gute Idee von etwas Ballast befreit werden, damit sie endlich fliegen kann.

Worum geht es? Leider ist die Begrifflichkeit nicht unbedingt eingängig, weder auf Deutsch noch auf Englisch. Auf Englisch heißt es „Bussiness Improvement Districts“ (BID) und auf Deutsch ein bisschen sperrig „Lokale Entwicklungsund Aufwertungsprojekte“, kurz LEAPs. Gemeint sind räumlich begrenzte Stadtentwicklungs- oder Stadtverschönerungsprojekte, die mit privatem Kapital durchgeführt werden und deren Sinn und Zweck es ist, dem lokalen Handel oder dem Dienstleistungsgewerbe etwas Gutes zu tun.

Grob gesagt, Dienstleister oder Händler einer Region, einer Straße tun sich zusammen und führen Maßnahmen zur Stadtbildverschönerung durch, zum Beispiel durch die Anschaffung von bestimmtem Straßenmobiliar, Sitzgelegenheiten, Blumenkübeln, etwas Farbe, Kunst oder vielleicht sogar Spielgeräten, um damit den Gesamteindruck dieser Gegend zu verbessern und etwas für ihr Umfeld zu tun.

So etwas kostet natürlich viel Geld, meistens mehr, als man bei der ursprünglichen Planung denkt. Damit das finanzierbar bleibt, ist es wichtig, es auf alle Schultern umzulegen, und zwar auch auf diejenigen, die sich vielleicht gern einen schlanken Fuß machen möchten. Es ist natürlich ein Eingriff in das Eigentumsrecht, und dafür ist ein Gesetz notwendig.

LEAPs sind aber wirklich eine sinnvolle Sache; denn sie fördern den Umsatz, und das ist natürlich gerade in CoronaZeiten etwas, was wir zusätzlich im Blick haben müssen. Sie verschönern das Stadtbild, schaffen eine Wohlfühlatmosphäre und führen auch zu einer verstärkten lokalen Identität. Sie steigern das Einkaufserlebnis, ziehen die Menschen

in die Innenstädte, und dass sie auch den gewünschten Erfolg bringen, ist nachgewiesen. Es gibt LEAP-Gesetze allein in zehn anderen Bundesländern. In der Stadt Hamburg gibt es 23 durchgeführte BIDs und auch ein Forschungsprojekt dazu.

Leider haben wir in Rheinland-Pfalz noch keinen BID, obwohl wir das Gesetz bereits seit fünf Jahren haben. Der Hintergrund ist, dass der damalige Gesetzgeber es etwas zu kompliziert gemacht hat. Das Ziel war, den privaten Wohnraum davon auszunehmen und auch dafür zu sorgen, dass keine Belastung der Mieten stattfindet. Das ist aber in der Praxis kaum durchführbar, weil die meisten Immobilien nun einmal einer Mischnutzung unterliegen, zum Beispiel unten Handel und darüber Wohnen.

Wir möchten nun die Verpflichtung, den Wohnraum herauszurechnen, in eine Kann-Bestimmung überführen und es in die Hand der Kommunen geben, die sich sowieso vor Ort am besten auskennen und einfach am besten wissen, wie die Situation ist. Wir wollen zusätzlich die Möglichkeit einer Ausnahme schaffen, sodass niemand bei einer bestimmten Härte überfordert werden kann.

(Glocke der Präsidentin)

Wichtig ist mir zu betonen, das Wort „leap“ bedeutet auf Deutsch Sprung, Satz oder auch Absprung, und diesen Sprung nach vorne wollen wir jetzt ermöglichen.

Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Dr. Martin.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde eben zutreffend gesagt: Seit fünf Jahren gibt es das Gesetz, aber kein einziges Projekt konnte in RheinlandPfalz seitdem realisiert werden. Das Gesetz hat nämlich verschiedene Schwierigkeiten, und die sollen jetzt mit diesem Entwurf beseitigt werden.

Ich finde allein schon die Frage ganz interessant, wann dieser Entwurf von der Ampel kommt; denn es fällt doch auf, als die Innenstädte und auch der Einzelhandel durch Corona noch einmal massiv unter Stress gerieten und wir als CDU-Fraktion uns dieses Themas angenommen haben

(Beifall bei der CDU)

und unter anderem bei den Nachtragsberatungen ein Förderprogramm „Attraktive Innenstädte“ ausdrücklich mit fünf Pilotprojekten für die LEAPs vorgeschlagen haben, hat das die Ampel noch abgelehnt. Ein paar Wochen später kommt nun dieser aus dem Hut gezauberte Gesetzentwurf.

(Abg. Hedi Thelen, CDU: Wir haben sie aufgeweckt!)

Er hat manches Richtige, und im Ziel sind wir uns auch einig.

Soeben wurde von der Kollegin Köbberling schon angesprochen, das größte Problem war die Frage: Müssen die Wohnflächen bei der Abgabenberechnung mit eingebunden werden?

(Zuruf aus dem Hause: Genau!)

Ich fand es ganz spannend, dass im Jahr 2018, als zu diesem Thema im Plenum schon einmal intensiv diskutiert wurde, der Wirtschaftsminister ausführlich und eindrücklich geschildert hat, wie kompliziert diese Frage ist. Diese Frage, so Minister Wissing damals, könne nur geklärt werden, wenn Finanzministerium, Innenministerium und Wirtschaftsministerium, die geballte Kompetenz von drei Landesministerien, zusammenwirken würden.

Offensichtlich sind die drei Ministerien aber nicht zu Potte gekommen, und was macht die Ampel jetzt? Sie macht ein Gesetz und sagt, wir delegieren das nach unten. Soll doch die Kommune in der Satzung entscheiden, wie dieses Problem zu lösen ist. – Ob das wirklich klug ist, werden wir bei der weiteren Befassung in den Ausschüssen erleben, und ob es wirklich hilft, dass die Kommunen sich jetzt trauen, diese wichtigen LEAP-Satzungen zu machen, auch das werden wir in den Ausschussberatungen vertiefen. Insofern kündige ich konstruktive Begleitung dieses Projekts an; denn vom Ziel her sind wir uns einig. Ob das aber der Weisheit letzter Schluss ist, werden wir dann – wie gesagt – bei der intensiveren Befassung erleben.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Dr. Bollinger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der stationäre Einzelhandel befindet sich in der Krise. Während der Internet- und Versandhandel boomt, steht es um große, wenn auch nicht alle Teile des stationären Handels schlecht. Besonders betroffen sind der Handel mit Textilien und Lederwaren sowie die Kaufhäuser. Das sind allerdings gerade die Teile des Handels, die für die Belebung der Innenstädte sorgen.

Dabei war die Corona-Krise nicht Auslöser der negativen Entwicklung. Sie beschleunigt nur rasant die Tendenzen, die wir bereits die letzten Jahre beobachten konnten und die – davon müssen wir ausgehen – auch nach einem hoffentlich baldigen Ende der Corona-Krise weiterlaufen werden.

Der stationäre Einzelhandel ist der Entwicklung aber nicht hilflos ausgeliefert. Nicht der einzige, aber ein wichtiger Weg für mehr Umsatz führt über Konzepte, die den Einkaufsbummel zu einem attraktiven Erlebnis machen. Es gibt viele Einzelhändler im Land, die bereit sind, zu diesem Zweck zu investieren. Unsere Aufgabe als Politiker ist es, für sie attraktive Rahmenbedingungen zu schaffen. Ein Gesetz, das lokale Entwicklungs- und Aufwertungsprojekte fördert, gehört unbedingt dazu.

Zahlreiche Beispiele für florierende LEAPs bzw. Business Improvement Districts im In- und Ausland zeigen das. Leider haben Landesregierung und Mehrheitsparteien hier jahrelang versagt. Wir haben zwar bereits ein LEAP-Gesetz seit 2015, doch bisher kein einziges LEAP in RheinlandPfalz. Das Gesetz scheiterte hauptsächlich wegen der unpraktikablen Vorschriften für die Umlage der LEAP-Kosten, und in einer von uns initiierten aktuellen Debatte im Juni 2018 erklärte Minister Wissing, dass er auch keinen Weg wisse, wie man das LEAP-Gesetz nachbessern könne. Man hatte den Eindruck, die LEAP-Idee sollte beerdigt werden.

Das lag auch daran, dass die Landesregierung unbedingt Nebenkostenerhöhungen für Wohnungsmieter in LEAPZonen unterbinden wollte. Wer sich um Mieterhöhungen sorgt, sollte aber nach Meinung der AfD besser gute Wohnungsbaupolitik machen und für den Bau von mehr Sozialwohnungen eintreten, anstatt LEAPs zu verhindern.

(Beifall der AfD)

Jetzt plötzlich doch dieser Gesetzentwurf! Hat Corona zum Sinneswandel beigetragen, oder war es doch so, dass man zum Wahlkampf hin diese offene Flanke schließen wollte?

Auf jeden Fall freuen wir uns, über die Neubelebung der LEAP-Idee im Parlament diskutieren zu dürfen. Ob der neue Gesetzentwurf hält, was er verspricht, und ob er vor allem rechtssichere Regeln für die Umlage der LEAP-Kosten bietet, darüber müssen wir im Ausschuss diskutieren. Nach den negativen Erfahrungen mit dem alten LEAP-Gesetz schlage ich dringend vor, dabei die Praktiker, die das Gesetz anwenden sollen und die es betrifft, also die Kommunen, die Hauseigentümer und die Einzelhändler, einzubeziehen und eine Anhörung im Ausschuss anzusetzen. Diese werden wir natürlich konstruktiv begleiten.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Für die FDP-Fraktion spricht der Abgeordnete Steven Wink.