Meine Damen und Herren, leider kommt auch der größte Schlechtredner aus Rheinland-Pfalz, aus Frankenthal. Das ist das Problem.
Ohne dass wir uns selbst überfordern, muss die Frage doch nicht sein, ob BioNTech aus Zufall hier ist, sondern ob es uns – auch im Bereich der Start-ups und der Forschung – gelingt, die Grundlagen zu schaffen, damit die nächsten BioNTechs in einem vielleicht ganz anderen Bereich entstehen. Das ist doch unsere Aufgabe. Darüber müssen wir noch nachdenken.
Lieber Herr Baldauf, da ringe ich gern mit Ihnen um neue Ideen. Die Voraussetzung dafür, dass man über Ideen für die Zukunft nachdenkt, ist aber, dass man das zur Kenntnis nimmt und anerkennt, was im Hier und Jetzt geschieht, damit man eine gemeinsame Diskussionsgrundlage hat.
Herr Baldauf, ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, wenn Sie in Ihrer bildungspolitischen Vorstellung sagen, die Kinder der Zukunft müssten auch mit Fake News gut umgehen, dann heißt das nicht, dass man in derselben Rede Fake News produzieren soll, sondern dass man sie dabei unterstützen soll, Fake News zu erkennen.
Ich will Ihnen sagen, wir stützen und unterstützen die Wirtschaft auch durch das, was wir im Bereich der kommunalen Finanzen gemacht haben. Warum? Weil ich genau sehe und durch die Haushaltsberatungen, an denen ich selbst und die Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion teilnehmen und von denen sie berichten, weiß, dass die 100 Millionen Euro Soforthilfe, die wir mit dem ersten Nachtrag auf den Weg gebracht haben, ganz klar auch der mittelständischen Wirtschaft vor Ort in den Landkreisen und Städten zur Verfügung gestellt wurden und übrigens auch den Kommunen zur Verfügung standen, ebenso wie die Kompensation der Gewerbesteuermindereinnahmen, die Land und Bund den Kommunen gemeinsam zur Verfügung stellen.
Warum hat das auch einen wirtschaftspolitischen Aspekt? Weil dies dafür sorgt, dass Investitionen nicht gecancelt werden und Anschaffungen, Neuanschaffungen und Investitionen im baulichen oder im IT-Bereich, die man auf den Weg gebracht hat, stattfinden können. Wer hat das gemacht, meine Damen und Herren? Doris Ahnen und Olaf Scholz haben das gemacht. Sie haben zusammen mit Malu Dreyer dafür gesorgt, dass wir diese Kompensation hinbekommen.
Wenn ich mir die Haushaltsberatungen anschaue, sehe ich, dass in einem der schwierigsten haushaltspolitischen Jahre – einem schwierigen Jahr mit Blick auf die öffentlichen Haushalte – viele Kommunen auch wegen der Schlüsselzuweisung und der Gewerbesteuerkompensation einen ausgeglichenen Haushalt verzeichnen können. Das sind die Realitäten in Rheinland-Pfalz, meine Damen und Herren. Wir sollten sie zumindest zur gemeinsamen Grundlage unserer Anschauung der Politik machen.
Dazu gehört auch, dass man die Dinge in einen passenden Zusammenhang bringt. Sie haben ein Bild von RheinlandPfalz gezeichnet, das die allermeisten wahrscheinlich nicht erkannt haben: Die Wirtschaft ist am Boden, die Menschen sind schlecht drauf, nichts funktioniert, überall sind Aufstände.
5,7 % haben Sie als Minus, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, genannt, das die deutsche Wirtschaft verzeichnet. Ich weiß nicht, ob die 5,7 % eintreffen werden. Ich weiß nur, sie sind verdammt nah an der Realität. Bei den Einschränkungen und Grundrechtseinschränkungen, die jetzt wieder gelten, aber vor allem bei den wirtschaftlichen Betätigungseinschränkungen, die die Politik den Unternehmen in Rheinland-Pfalz und Deutschland zumutet, ist das Minuswachstum von 5,7 % leider realistisch.
Jetzt frage ich mich aber – Sie müssen und können mir dabei helfen –, wie diese Grundlage dazu führt, dass dieses
Wünsch-Dir-Was, das Sie definiert haben, mit steigenden Steuereinnahmen im Jahr 2021 finanziert wird.
175 Millionen Euro steigenden Steuereinnahmen. Ich bekomme es nicht zusammen. Entweder stimmt Ihr Szenario nicht, dass es der Wirtschaft nicht gut geht – ich glaube aber mit Blick auf die Zahlen, die Entwicklung und die Gespräche, die man führt, muss man davon ausgehen, dass es großen Teilen der Wirtschaft nicht gut geht –, oder Ihre Prognose stimmt nicht.
Ich glaube, dass Sie zur Finanzierung Ihrer Wünsche – zumindest zur teilweisen Finanzierung Ihrer Wünsche – die Steuermehreinnahmen ganz nach oben, in einen rosaroten Himmel gehoben haben. Wir wissen ganz genau, dass Sie diesen Haushalt nicht in Politik umsetzen werden müssen. Wir könnten dem nie zustimmen, weil es unseriös finanziert wäre.
Was passt denn jetzt? Wirtschaft runter, Steuereinnahmen hoch? Oder irgendetwas dazwischen, Herr Baldauf? Das müssen Sie beantworten; denn wenn Sie das nicht beantworten, dann gibt es keinen Zusammenhang. Dann ist es Voodoo-Haushaltspolitik und nichts Seriöses, Herr Baldauf.
All diese Punkte führen aus meiner Sicht dazu, dass ich in der Abwägung, welchem Haushalt man heute zustimmen sollte, natürlich nicht zögerlich geworden bin. Die Regierung hat – ergänzt durch gute Vorschläge der Koalitionsfraktionen, Frau Finanzministerin – einen Haushalt vorgelegt, der die richtigen Antworten in der richtigen Zeit gibt, weit in die Zukunft blickt, seriös finanziert ist und nicht die Kräfte dieser Gesellschaft gegeneinanderstellt.
Das ist eine Antwort in diesen Zeiten, in denen sich Menschen fragen, was denn politisch passieren soll. Man kann sie geben, weil sie seriös und verlässlich ist. Um diese Verlässlichkeit geht es, meine Damen und Herren. Zumindest wir, die Ampel, stehen für eine verlässliche Politik.
Ich will zu guter Letzt ein paar Bemerkungen zur Frage des Zusammenhalts in diesem Land mit Blick auf die Rolle der Politik machen. Ich habe das schon ein- oder zweimal gestreift. Herr Baldauf, ich finde, das, was Sie zur Rolle des Staates und der Politik gesagt haben, war absolut berechtigt. Ich glaube, das zu beleuchten, wird uns natürlich auch nach Corona – in diesen Nach-Corona-Zeiten, von denen wir noch nicht wissen, wie sie aussehen werden – beschäftigen. Wir müssen zunächst davon ausgehen, dass wir noch eine ganze Weile in der Situation sind, in der wir uns heute befinden.
Wir alle haben uns in unserer Kommunikation in den vergangenen Monaten vielleicht manchmal selbst hoffnungsfroh geredet. Auch wir. Auch ein Bundesgesundheitsminister, der noch vor wenigen Wochen gesagt hat, er könne sich
als deutscher Gesundheitsminister – gar nicht vorstellen, dass in anderen Ländern mit einem deutschen Impfstoff geimpft werde, bevor wir selbst impfen könnten, muss sich jetzt korrigieren lassen. Herr Spahn hatte aber völlig recht, als er gesagt hat, wahrscheinlich müssen wir uns am Ende von Corona gegenseitig viel verzeihen.
Ich glaube, wir sollten mit Blick auf die politische Rhetorik und Kommunikation aufpassen. Ich kann nicht sagen, wann die Situation besser sein wird. Ich hoffe – mehr kann ich nicht sagen –, dass die Maßnahmen, so einschneidend sie sind, zu einer tatsächlichen Reduktion der Kontakte in der Gestalt führen, dass wir am Ende weniger Infizierte, weniger Menschen in Krankenhäusern und weniger Tote haben, meine Damen und Herren. Das ist die Hoffnung, die ich habe.
Wir werden die Situation zu Beginn des kommenden Jahres erneut gemeinsam beleuchten müssen. Weil ich vorsichtig geworden bin, will ich auch nicht sagen, es hört am 15. Januar auf und alles ist wieder gut. Ich vermute, dass wir noch das ganze Jahr 2021 in der einen oder anderen Weise und in der einen oder anderen dringlichen Präsenz mit Corona zu tun haben werden.
Wir lernen jedoch, dass wir die Schwächsten schützen müssen. Dazu hat die Ministerpräsidentin etwas gesagt. Wir müssen unser Gesundheitssystem aus- und aufbauen und mit den Möglichkeiten des Staates weit in die Zukunft tragen. Wir müssen das öffentliche Gesundheitssystem stützen und mit Blick auf datenschutzrechtliche Fragen zulassen, mehr von uns preiszugeben, um damit den Schutz der gesamten Gesellschaft und von uns selbst als Teil der Gesellschaft zu erreichen.
Wir müssen damit leben, dass nicht jeder, der von sich behauptet, ein Querdenker zu sein, überhaupt ein Denker ist, meine Damen und Herren. Wir müssen überlegen, ob wir vielen von diesen überhaupt noch nachlaufen oder nicht sagen: Ihr habt in einem Staat und einer Gesellschaft, die darauf angewiesen sind, dass man einander – natürlich coronatauglich – unterhakt und schützt, nicht das Recht, Euch und andere zu gefährden.
Wir müssen uns darauf gefasst machen, noch eine ganze Weile die Möglichkeiten des Staates und der Politik zu nutzen, um Probleme zu lösen, die der Markt aufgeworfen hat, die aber mit den Möglichkeiten des Marktes nicht mehr zu lösen sind.
Marcel Fratzscher hat dieser Tage ein Buch, „Die neue Aufklärung“, herausgebracht. Darin schreibt er mit Blick auf Corona: Wir merken doch gerade, dass das Modell, das in der Lage ist, die Marktwirtschaft mit einem starken Staat, einem handlungsfähigen Staat zu flankieren, durchsetzungsfähiger und stärker ist als andere Modelle.
Wir sehen doch, dass es dort, wo die Politik auf allen Ebenen – von der Kommune über die Länder bis zum Bund – imstande ist, Maßnahmen zu ergreifen und staatlich zu flankieren, leichter fällt, die Zahl der Kranken im Zaum
zu halten. Wir merken, dass dominante Staaten wie die USA eine entsprechende Infektionsentwicklung und entsprechende Todeszahlen aufweisen. Übrigens hat sich der Staat dort nicht zurückgezogen – diese Schimäre bilden wir uns manchmal im europäischen Diskurs ein –, sondern es gibt auch dort den Staat, die Kommunen und einen Föderalismus. Die Marktdominanz in den USA ist aber nicht vergleichbar mit der in Deutschland. In den USA sehen wir eine Infektionsentwicklung und Todeszahlen, die dem entsprechen.
Was bedeutet das? Als Sozialdemokrat sage ich, dass wir nie wieder denen auf den Leim gehen dürfen, die behaupten, der Staat müsse sich zurückziehen und klein werden, damit sich der Markt durchsetzen könne. Nie wieder dürfen wir das zulassen.
Für mich bedeutet das auch, dass wir die Diskurse der Zukunft führen müssen. Können wir in Zukunft noch sagen, Kinderarmut sei eine betrübliche Folgeerscheinung unseres Wohlstandsmodells? Können wir das noch akzeptieren? Ich finde, wir können das nicht mehr akzeptieren, wenn wir die Möglichkeiten des Staates kennen.
Wenn wir wissen, wie wichtig es ist, dass die Unternehmen in Deutschland und in Rheinland-Pfalz die Zukunft erreichen, dann ist es die Aufgabe des Staates, mit ihnen gemeinsam die Wertschöpfungsmodelle der Zukunft zu entwickeln. Ein kompletter Ressourcenverbrauch zulasten der nächsten Generation ist kein Geschäftsmodell der Zukunft. Ich finde, der Staat darf sich erlauben zu äußern, dass es Dinge gibt, die wir in Deutschland und Europa nicht mehr an der Tagesordnung haben wollen.
Das ist der vielgeschmähte Verbotsstaat. Ja, mein Gott! Das ist dann eben so. Wir müssen damit leben, dass wir auch über Auflagen dafür sorgen müssen, dass Unternehmen, die sich in Zukunft betätigen wollen, Klarheit haben. Wenn sie in einen Bereich der CO2-Freiheit oder der CO2Reduktion gehen und gut ausgebildete sowie gut bezahlte Menschen beschäftigen, die sich auf Zukunftsmärkten bewegen, dann verfügen sie über ein besseres Geschäftsmodell, als wenn sie das nicht täten.
In ihrer Rolle haben Politik und Staat mit Blick darauf die klare Aufgabe, dies in der Zukunft nach Corona auf die Tagesordnung zu setzen. Wir haben dann nicht mehr das Recht zu sagen, Corona sei das eine gewesen, und jetzt dürften die Neoliberalen wieder die Agenda bestimmen. Das muss eine der Lehren sein, von denen ich heute schon ausgehen kann, meine Damen und Herren.
Deshalb bin ich an dem Argumentationspunkt, den Sie aufgegriffen haben, hängen geblieben, was es für die nächste Generation bedeutet, wenn sich der Staat kurzzeitig verschuldet, um die Erfüllung von Aufgaben zu gewährleisten.
Lassen Sie uns das einmal alternativ diskutieren. Was würden wir den Kindern, Jugendlichen, jungen Familien, jungen Arbeitnehmern – die übrigens in Ihrer Rede keine einzige Rolle gespielt haben –, jungen Unternehmen und Start-ups hinterlassen, wenn wir sagen würden, jetzt wird es schwierig, jeder schaut auf sich selbst, und der Staat zieht sich zurück?
Ich finde es genau richtig, dass derjenige, der wirklich nachhaltig und generationengerecht tätig sein und eine nachhaltige, generationengerechte Politik machen will, in diesen Tagen die Politik der staatlichen starken Handlungsfähigkeit zum Ausdruck bringen und Realität werden lassen muss und sich nicht schon wieder von neoliberalen Feuilletonisten ins Boxhorn jagen lassen darf. Das ist mir wichtig zu dem Punkt, den Sie aufgemacht haben.
Das, was für künftige Generationen wichtig ist, ist das, was jetzt gemeinsam mit vielen zivilen Akteuren vom Staat auf den Weg gebracht wird: gute Gesundheitsversorgung, gute wirtschaftliche Betätigungsmöglichkeiten, eine gute öffentliche Infrastruktur, eine gute Bildung und eine gute Versorgung in allen Bereichen des täglichen Lebens. Das ist das, was wir den jungen Menschen auf den Weg geben wollen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Kaum ein Begriff findet sich in politischen Reden häufiger als der Begriff „Verantwortung“, aber kaum ein Begriff wird auch so häufig oberflächlich verwendet oder gar missbraucht wie dieser; denn Verantwortung heißt nicht nur, Verpflichtungen zu übernehmen und dafür im Gegenzug mehr oder weniger große Befugnisse zu erhalten, sondern sie impliziert auch die Bereitschaft, für das eigene Handeln geradezustehen und gegebenenfalls Rechenschaft darüber abzulegen.
Wie wenig diese Bereitschaft heutzutage noch in der Politik vorhanden ist, hat sich einmal mehr in der Affäre um Frau Höfken gezeigt, die sich jetzt sogar zu einer Affäre der gesamten Landesregierung auszuweiten scheint. Wenn es erst einen massiven öffentlichen und politischen Druck braucht, damit eine Ministerin freiwillig und halbherzig Konsequenzen aus 100-fachen Rechtsbrüchen in ihrem Zuständigkeitsbereich zieht, dann kann von Verantwortungsbewusstsein keine Rede mehr sein.
Es ist kein Zufall, dass immer mehr Bürger glauben, aus Ministern, die im ursprünglichen Wortsinn Diener dieses Staates sind, seien längst Selbstbediener geworden, die eher für sich und ihre Partei als für das Wohl der Menschen sorgen, deren Geschicke ihnen anvertraut sind.
Verantwortung zu übernehmen, bedeutet aber noch mehr. Es heißt, Antworten auf die Fragen und Probleme zu geben die sich in der jeweiligen Situation stellen. Dabei gilt es, nicht nur die aktuelle Lage in den Blick zu nehmen, sondern bei allen Entscheidungen auch die langfristigen Folgen zu bedenken; denn alles, was wir heute tun, hat Auswirkungen auf künftige Generationen. Nur wenn wir vorausschauend und klug handeln, werden wir unserer Verantwortung gerecht.