(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe der Abg. Dr. Jan Bollinger und Joachim Paul, AfD)
Es wurde ausführlich gesagt, unter welch engen Kriterien eine Ortsabwesenheit zulässig ist und welche Folgen es hat, wenn diese Kriterien nicht vorliegen. Sie nutzen wieder dieses Chimären-Thema. Wir wollen hier ernsthaft arbeiten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Dass es in Berliner Arbeitsagenturen Fälle gibt oder geben soll, bei denen anerkannte Asylbewerber, die arbeitslos gemeldet sind, angeblich zum Urlaub in ihre Heimatländer reisen und anschließend wieder nach Deutschland kommen, erfüllt uns mit Sorge. Sorge zum einen, weil zu befürchten steht, dass es derartige Fälle auch in anderen Regionen Deutschlands geben könnte, Sorge zum anderen, weil solche Fälle für Unmut in der Bevölkerung sorgen, Ressentiments fördern und Wasser auf die Mühlen derer sind, die auf Kosten der Flüchtlinge Politik machen.
Aber vor allem deswegen, weil solche Fälle nicht dazu beitragen, die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise zu befördern.
Die Politik und die zuständigen Behörden, allen voran die Bundesagentur für Arbeit und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge müssen deshalb schnell reagieren, aufklären und handeln.
Bevor nicht alle Fakten auf dem Tisch liegen, möchten wir uns mit einem abschließenden Urteil zum jetzigen Zeitpunkt zurückhalten. Nur so viel, worüber die Zeitung DIE WELT berichtet, ist die absurde Situation, dass anerkannte Flüchtlinge aus Deutschland, angeblich um Urlaub zu machen, in ihrer Heimat reisen, aus der sie wegen Gewalt und Tod geflohen sind.
Das wirft die Frage auf, ob die vorgebrachten Schutzgründe, derentwegen Flüchtlinge laut Artikel 16 a Grundgesetz ein Recht auf Asyl geltend machen, überhaupt noch stichhaltig sein können;
(Vereinzelt Beifall bei der AfD – Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wiederum wiederholen Sie angeblich!)
denn der angebliche Urlaub im vermeintlichen Verfolgerstaat wäre ein Indiz dafür, dass bei dem Flüchtling keine Furcht vor Verfolgung vorliegt. Ist ein anerkannter Asylbewerber wirklich verfolgt, wenn er am Ort der Verfolgung angeblich Urlaub macht?
Nach geltendem EU-Recht können Reisen in den sogenannten Verfolgerstaat nach einer Einzelfallprüfung zum Absenken des Schutzstatus führen, wenn dem anerkannten Asylbewerber nachgewiesen wird, dass er sich dort längere Zeit aufhält. Wie soll man also mit diesem brisanten Thema umgehen? Ich denke, vor dieser Frage stehen wir.
Aufklärung tut not; denn schon kursieren in den sozialen Netzwerken allerlei Verschwörungstheorien, die das politische Klima weiter vergiften. Auch die Landesregierung sollte ein begründetes Interesse daran haben, Auskunft darüber zu geben, wie viele Fälle es in Rheinland-Pfalz gibt und welche rechtlichen Konsequenzen dies nach sich ziehen soll.
Sich auf die altbewährte Position zurückzuziehen – das haben wir heute früh gehört –, dass es hierzu keine statistischen Erhebungen gibt, ist der falsche Weg;
denn es ist ein Eingeständnis von Unkenntnis oder noch schlimmer von Desinteresse an einem Thema, das einem vielleicht aus ideologischen Gründen nicht in den Kram passt. Es wäre ein fatales Zeichen an eine zunehmend verunsicherte Bevölkerung, die von der Politik erwartet, dass sie ihre Sorgen und Ängste ernst nimmt.
Deshalb unsere Forderung: Maximale Transparenz statt maximale Verdrängung bei diesem hochsensiblen Thema.
(Beifall der CDU und bei der AfD – Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ausgewogen? Unterirdisch?)
(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es geht nicht um Recht, sondern um Stimmungsmache!)
Als ich den Titel der Anfrage in der Aktuellen Debatte und den Begriff Heimaturlaub las, erschrak ich zunächst einmal; denn dieser Begriff setzt Assoziationen frei, die wir alle kennen, mit einem Unterschied, damals reiste man aus einem Kriegsgebiet in die Heimat, wo oft noch Frieden herrschte.
Wir diskutieren hier über die Begrifflichkeit Ortsabwesenheit und Heimaturlaub. Ich denke, es ist wichtig, dass wir darüber diskutieren und wir die Unterschiede erkennen.
Wenn hier einige Medien zitiert werden – Sie haben DIE WELT zitiert –, so möchte ich doch darauf aufmerksam machen, dass in den Medien zumindest wenn der Begriff gebraucht wird, noch Anführungszeichen gebraucht werden, die wir hier in der gesprochenen Rede nicht vernehmen können. Ich glaube, die Medien machen sich schon Gedanken darüber, wenn sie diesen Begriff verwenden.
Meine Damen und Herren, Asylsuchende genießen Asyl als politisch Verfolgte auf der Grundlage von Artikel 16a Abs. 1 unseres Grundgesetzes. Wer eine Rückkehrreise unternimmt, muss bestimmte Kriterien erfüllen. Es gibt schwerwiegende Gründe wie der Todesfall oder die Krankheit in einer Familie. Jede Rückreise in ein Kriegsgebiet ist mit erheblichen persönlichen Risiken verbunden; denn wer auf der Grundlage unserer Verfassung politisch verfolgt ist, riskiert Leib und Leben.
(Beifall der FDP, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD: Wohl wahr!)
Wer freiwillig in ein Kriegsgebiet zurückfährt, tut dies nicht aus touristischen Gründen, der Begriff fiel vorhin, meine Damen und Herren. Wir sehen jeden Abend Bilder von zerbombten Städten und Krankenhäusern, die nicht mehr in der Lage sind, ihre Arbeit zu leisten, weil alles Notwendige fehlt. Wir sehen jeden Abend auch die Hilfsorganisationen, die an Ort und Stelle und verzweifelt sind, weil sie nicht
mehr wissen, wie sie den Menschen dort helfen sollen. Wir sehen Kinder, die orientierungslos in den Kriegsgebieten umherirren, ihre Familie und jede Werteorientierung auch für ihre Zukunft verloren haben. Meine Damen und Herren, hier werden mit der Begrifflichkeit und mit den Inhalten Aversionen und Ängste in unserer Bevölkerung geschürt.
Ich appelliere deshalb an alle hier in diesem Haus, besonders an diejenigen, die diese Idee eingebracht haben,
Verehrte Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist vorhin ausgeführt worden, der Begriff des Heimaturlaubs bezeichnet die Erholung eines Soldaten vom Fronteinsatz in seiner Heimat zur Regeneration.
Ich denke, das ist möglicherweise eine Begrifflichkeit, die die AfD-Fraktion als militärischen Jargon versteht, aber was heißt das übersetzt? Was heißt das übersetzt, wenn die AfD-Fraktion ihre Mündliche Anfrage damit einreicht, dass sie wissen will, wie viele Flüchtlinge, die hier anerkannt sind, einen Aufenthalt in ihrer Heimat haben? Die AfD-Fraktion sagt, dass sich diese Flüchtlinge dort von einem Frontaufenthalt, von einem Krieg erholen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD-Fraktion, man gewinnt den Eindruck, Sie haben den Flüchtlingen, die hier bei uns Schutz suchen, den Krieg erklärt; denn genau das ist die Semantik, die Sie hier an den Tag legen.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und bei der FDP – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Sehr geistreich! – Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD: Wes Geistes Kind!)