Protokoll der Sitzung vom 06.10.2016

Ich komme sehr schnell zum Ende jetzt, sonst werde ich hier ausgeläutet.

Auch eine Jungfernrede hat einmal ein Ende.

Zur Freude der Regierungskoalition kann ich nur noch einmal sagen: Stützt die Roten, und stützt die Genossen.

(Heiterkeit und Beifall der CDU und bei SPD und AfD)

Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Dr. Alt.

(Abg. Gerd Schreiner, CDU: Du kannst jetzt nichts mehr darauf sagen!)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Man fühlt sich richtig willkommen, das muss man schon sagen. Nach dieser Vorrede geht man umso lieber ans Pult.

(Heiterkeit des Abg. Martin Brandl, CDU: So sind wir halt!)

Jetzt habe ich die CDU gelobt, jetzt lobe ich auch noch die FDP, weil sie nämlich zu dieser Aktuellen Debatte ein total relevantes Thema hier angemeldet hat. Die Bedeutung der Kreditwirtschaft reicht wirklich über den Sektor an sich weit hinaus. Deswegen ist es eine ganz wichtige Frage. Das ist übrigens auch der Grund dafür, dass sie besonderen Regulierungen unterliegt, dazu später mehr.

Wir wissen, ohne Finanzintermediation, ohne Bankensystem gibt es auch in der Realwirtschaft keine oder kaum Investitionen; denn die Finanzüberschüsse der Sparer finden nicht von selbst den Weg in die Investitionsprojekte. Alternative Finanzierungsformen, wie etwa Anleihen, sind bei uns in Deutschland traditionell weniger verbreitet. Also sind wir auf ein funktionierendes Bankensystem angewiesen, und zwar entweder als Unternehmer, aber auch als Sparer, die eine sichere Vermögensanlage wollen, die gemessen am jeweiligen Kapitalmarktzinsniveau auch attraktiv sein soll.

Ohne Zweifel steht die Kreditwirtschaft in Rheinland-Pfalz und in ganz Europa vor besonderen Herausforderungen. Unsere regionalen Kreditinstitute – Sparkassen und Genossenschaftsbanken, also auch die Roten –, sind sehr gut aufgestellt, mit Eigenkapital ausgestattet, solide. Aber das Geschäft ist natürlich schwieriger geworden, wie es uns allenthalben berichtet wird, und zwar vor allem aus zwei Gründen.

Erstens, bei niedrigen Zinsen sinkt der Zinsertrag als klassisches Margengeschäft merklich ab. Das Provisionsgeschäft kann diese Lücke immer nur teilweise schließen,

was auch mit der Skepsis vieler Bürger gegenüber Wertanlagen zusammenhängt.

Zweitens, und nach meinem Eindruck noch stärker, macht die Regulatorik den Regionalbanken stark zu schaffen. Es war und ist zwar die richtige Antwort auf die Finanzkrise, stärkere Anforderungen an den Bankensektor zu stellen, dabei stellt sich aber die Frage, inwiefern diese Anforderungen ausreichend nach der Größe eines Instituts unterscheiden. Unsere regionalen Banken haben hohe Rücklagen, haben ein relativ risikoarmes Geschäftsmodell und sind deswegen robust gegenüber konjunkturellen Schwankungen und dem Ausfall eines Teils ihrer Aktiva.

Eine gute Regulatorik muss also diese Größe berücksichtigen, aber auch die Risikoneigung der Geschäfte. Hier besteht offenbar ein gewisser Nachholbedarf.

Heute haben kleine Sparkassen und Genossenschaftsbanken einen überproportional hohen Anteil ihrer Mitarbeiter dafür einzusetzen, die Anforderungen der Aufsichtsbehörden zu erfüllen. Wir können, auch in diesem Parlament als Rheinland-Pfälzer, nicht akzeptieren, dass über die Hintertür solcher negativer Skaleneffekte, also besondere Kosten der Kleinheit, eine starke Konzentration in unserem Bankensystem herbeigeführt wird; denn die wohnortnahe Versorgung mit Zahlungsdiensten, mit Anlage- und Finanzierungsmöglichkeiten durch unser dreigliedriges Bankensystem ist für uns ein wichtiges Anliegen.

Wir wollen diese Regionalität im Interesse der kleinen und mittleren Unternehmen und auch im Interesse der Sparer erhalten.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich habe mich jetzt auf die Rolle der Aufsichtsbehörden beschränkt und noch wenig zur EZB gesagt, obwohl natürlich deren Geldpolitik auch starke Auswirkungen auf die Kreditinstitute in Rheinland-Pfalz hat und noch zu thematisieren wäre.

Die Geldpolitik stand in den letzten Jahren aber auch vor einer extrem schwierigen Aufgabe. Sie hat maßgeblich mit dazu beigetragen, dass aus der Finanzkrise der Jahre 2009 fortfolgende keine zweite große Depression im Stil der 30er-Jahre des letzten Jahrhunderts wurde. Bei aller Kritik an der Geldpolitik, die heute zu hören ist, denke ich, dass wir auch dies nicht aus dem Auge verlieren dürfen. Vielleicht gibt es nachher noch Anlass, darauf näher einzugehen.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die AfD-Fraktion spricht Herr Dr. Bollinger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und

Herren, liebe Kollegen, liebe Gäste! Wie die Vorredner zu Recht angemerkt haben, wird die aktuelle Situation der Kreditwirtschaft in Rheinland-Pfalz von der EZBNiedrigzinspolitik überschattet. Die AfD thematisiert die Niedrig- und Negativzinsen und ihre Verbindung mit der Euro-Rettungspolitik von EU und Bundesregierung seit der Gründung der AfD im Jahr 2013.

Als AfD-Fraktion im Landtag Rheinland-Pfalz haben wir bereits am 8. Juli 2016 einen Antrag eingebracht „Sparer und Kreditinstitute schützen, Niedrigzinspolitik korrigieren“. Dieser Antrag wurde übrigens von allen anderen Fraktionen abgelehnt.

Erst jüngst im September haben wir die Auswirkungen der Niedrigzinspolitik der EZB auf Sparer und Kreditinstitute in Rheinland-Pfalz im Wirtschaftsausschuss zur Diskussion gestellt. Daran, dass die FDP nun diese Thematik aufgreift, sehen wir wieder einmal, dass AfD wirkt.

(Beifall der AfD – Heiterkeit bei der FDP)

In der Tat sind die Probleme, die Mario Draghi der heimischen Kreditwirtschaft bereitet, immer noch nicht gelöst. Zu den Fakten: Die EZB hat im März 2016 ihren Leitzins auf 0 % und den Zinssatz für Geldanlagen von Banken auf minus 0,4 % gesenkt. Ein Ende dieser Negativzinsphase ist bis auf Weiteres nicht absehbar, eine weitere Absenkung der Einlagezinsen nicht ausgeschlossen.

Besonders problematisch kommt für Banken hinzu, dass die Zinssätze für längerfristige Kredite sich den kurzfristigen Zinssätzen weitgehend angenähert haben. So vergibt die EZB im Rahmen der gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte zu einem Zins von 0,1 % Kredite mit einer Laufzeit von bis zu vier Jahren und kauft auch längerfristige Anleihen. Das macht beides zusammen die normale Zinsstrukturkurve am Markt kaputt. Das heißt, dass Banken und Sparkassen nichts mehr an der Fristentransformation verdienen, die darin besteht, kurzfristig Geld zu leihen und langfristig zu höheren Zinssätzen wieder zu verleihen.

Unter den Negativzinsen und Niedrigzinsen leiden insbesondere Sparkassen und Genossenschaftsbanken, weil sie in besonderem Maße vom Zinsüberschuss abhängig sind.

Ihren Einlagenüberhang müssen Sie bei der EZB respektive der DZ-Bank einlagern und Strafzinsen zahlen, wenn sie nicht auf riskante Anlageformen ausweichen möchten, die ihnen aufgrund ihres Auftrags nicht in dem Maße zugänglich sind.

Ich möchte beispielhaft für viele andere Regionalbanken den Vorstand der Volksbank Hunsrück-Nahe zitieren, der in diesem Jahr drei Filialen schließen will. Die Geschäftspolitik der EZB mit anhaltenden Niedrigzinsen gefährdet mittelund langfristig das Geschäftsmodell der Volksbanken und Raiffeisenbanken. Damit gilt das auch für die Sparkassen, deren Geschäftsmodell vergleichbar ist.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Ein Skandal ist das!)

Damit sind die finanzielle Infrastruktur, ein einziger Erfolgsfaktor unserer regionalen Wirtschaft, und Tausende von Arbeitsplätzen bedroht.

Kurz erwähnen möchte ich auch die kalte Enteignung der deutschen Sparer durch die niedrigen Zinsen, die dadurch dem Risiko der Altersarmut ausgesetzt werden.

Erwähnt wurde ebenfalls zu Recht die seit März 2016 gültige EU-Immobilienkreditrichtlinie, die zu einem deutlichen Rückgang des Immobilienkreditgeschäfts geführt hat und dadurch zu einem weiteren Gewinnrückgang gerade bei den Regionalbanken. Belastet werden gerade Sparkassen und Genossenschaftsbanken durch die Haftungsunion der europäischen Banken. In dieser Haftungsunion müssen beide beträchtliche Summen einzahlen, obwohl sie sehr wirkungsvolle eigene Sicherungssysteme besitzen. Sie müssen also dafür bezahlen, ihren eigenen Wettbewerbsvorteil der besonders guten Absicherung abzubauen. Das nenne ich verkehrte Welt, liebe Kollegen.

(Beifall der AfD)

Auf die Ursachen können wir tatsächlich in der zweiten Runde gern noch eingehen. Zunächst fordern wir die Landesregierung vor diesem Hintergrund erneut auf, sich für die Interessen der heimischen Kreditwirtschaft, der heimischen Sparer, für ein Ende des EZB-Niedrigzinses und der Bankenhaftungsunion einzusetzen.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Herr Kollege Köbler.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch wir wollen, dass die Roten und Genossen wieder schwarze Zahlen schreiben und alle Ampeln auf Grün stehen. Da sind wir durchaus liberal.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Die Bankenkrise, die Finanzkrise und die Staatsschuldenkrise haben Europa, uns und das Land Rheinland-Pfalz vor große Herausforderungen gestellt. Um das klar zu sagen, die Intensivierung der Bankenregulierung ist die richtige Antwort auf das Gezocke an internationalen Finanzmärkten auch durch verantwortungslose Investmentbanker, wo letztlich die großen Banken von Steuergeldern und vom Staat gerettet sind.

Ich sage auch klar, die Geldpolitik der EZB war die richtige Antwort auf die mangelnde politische Kraft Europas, eine gemeinsame Antwort auf Banken- und Eurokrise zu finden. Ohne die Geldpolitik der EZB wären nicht nur die Haushalte der südeuropäischen Staaten sozusagen noch weiter in den Abgrund gegangen, ohne die Niedrigzinspolitik der EZB wären auch Investitionen nicht ermöglicht

worden, und zwar nicht nur Investitionen in Südeuropa, sondern durchaus auch Investitionen hier bei uns, die zum Teil helfen, dem Investitionsstau, den wir vor Ort in den Kommunen haben, den wir im Land haben, ein Stück weit zu begegnen. Glauben Sie mir, als Mainzer weiß ich, was es heißt, wenn vor Ort investiert wird. Das hat manchmal etwas mit Baustellen zu tun. Ich glaube, es ist gut und richtig, dass der Investitionsstau, den wir auch seitens der öffentlichen Hand haben, aufgelöst wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Meine Damen und Herren, eines kommt hinzu. Das dreigliedrige Bankensystem in Deutschland hat sich bewährt. Es ist sehr erfolgreich. Nicht nur Privatbanken, es ist gesagt worden, auch Genossenschaftsbanken und Sparkassen leisten einen wesentlichen Beitrag zur Kredit- und Finanzmittelversorgung. Das gilt für Sparkassen und Genossenschaftsbanken, in besonderer Weise für die Bürgerinnen und Bürger als Sparerinnen und Sparer, aber auch für die Kommunen oder – das ist gesagt worden – für die kleinen und mittelständischen Unternehmen insbesondere in Rheinland-Pfalz.

Es ist ganz wichtig, dass die stabilitätsorientierte Finanzierung vor Ort gerade von mittelständischen Unternehmen nicht durch weitere und überbordende Regulierungsvorhaben beschränkt wird und dann die Investitionen, die wir auf der einen Seite wollen, auf der anderen Seite erschwert und abgewürgt werden.