Protokoll der Sitzung vom 18.11.2016

(Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wenn das so wäre!)

Wir brauchen eine sichere Energieversorgung in Rheinland-Pfalz. Das bitte ich Sie anzuerkennen. Nichts anderes habe ich hier gesagt. Wir wollen keine Atomkraft, und wir wollen einen langfristigen Ausstieg aus der Kohleenergie. Fertig.

(Beifall der CDU – Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und keine Windkraft!)

Für die Landesregierung spricht Herr Dr. Griese.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst sagen, dass die Dekarbonisierung die Aufgabe des Klimaschutzes der Zukunft ist. Dazu gehört der Kohleausstieg. Ich freue mich, dass Herr Abgeordneter Wäschenbach gesagt hat, ja, auch die CDU-Fraktion bekennt sich nicht nur zum Atomausstieg, sondern auch zum Kohleausstieg. Dann reden wir ja nur noch über den Zeitpunkt.

Aber zu dem Zeitpunkt muss ich dann einmal sagen, die letzte deutsche Steinkohlenzeche schließt schon übernächstes Jahr, und die meisten Braunkohleabbaugebiete, die wir in Deutschland haben, zum Beispiel im rheinischen Braunkohlerevier, werden bald erschöpft sein. Da gibt es drei. Zwei davon werden im Jahr 2030 – wie die Braunköhler sagen – „ausgekohlt“ sein.

Also machen wir uns doch nichts vor. Wir haben uns darauf einzustellen, dass die Zeitperspektive bis 2030 realistisch ist und wir gut daran tun, rechtzeitig den Ausstieg und den Umstieg vorzunehmen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei SPD und FDP)

Jetzt hat die AfD in ihrem Antrag behauptet, Erdgas würde als Brennstoff und Rohstoff vollständig eliminiert, und es sei doch eine saubere Energie. Also das stimmt natürlich so nicht, in mehrfacher Hinsicht nicht. Erstens ist Erdgas zwar sauberer als Steinkohle oder Braunkohle, weil es nur etwa halb so viel CO2 oder weniger als halb so viel CO2 pro erzeugter Kilowattstunde Strom verursacht als Braunkohle oder Steinkohle, aber das heißt noch nicht, dass es wirklich sauber ist, weil auch Erdgas natürlich zur CO2-Problematik beiträgt.

Jetzt malen Sie das Schreckensszenario an die Wand, dass die Chemieindustrie plötzlich kein Gas mehr zur Verfügung habe, die Verbraucher im Winter im Kalten sitzen und dies das Ergebnis der Dekarbonisierung sei.

Ich will Ihnen sagen, dass ich das Gefühl habe, dass Sie, glaube ich, noch gar nicht verstanden habe, wohin die Energiewende steuert und wie die Energieversorgung der Zukunft aussehen wird. Es geht nicht darum, dass wir die Gasnutzung in dem Sinne abschaffen und auf Dauer aus ihr aussteigen werden und die entsprechende Infrastruktur nicht mehr genutzt wird, sondern es geht darum, dass wir Stück für Stück den Brennstoff, der in Gaskraftwerken eingesetzt wird, ersetzen, und zwar indem wir Gas, das aus der Erde kommt, durch Bioerdgas ersetzen. Das wird die entscheidende Wende sein. Das passiert schon. Das heißt, mit Power-to-Gas-Anlagen, mit Biogasanlagen aus Klärschlamm, mit Biogasanlagen aus Bioabfall, mit landwirtschaftlichen Biogasanlagen aus Gülle, mit Biogasanlagen aus nachwachsenden Rohstoffen werden wir Stück für Stück das Erdgas durch Bioerdgas ersetzen.

Jetzt behaupten Sie – das steht auch in Ihrem Antrag –

dieses sogenannte – Sie nennen es – Ersatzerdgas sei unzuverlässig, weil die Wind- und Sonnenenergie schwanke, und deswegen sei die Produktion von Ersatzerdgas unzuverlässig. Das ist völlig falsch, und zwar deshalb, weil wir natürlich für diese Bioerdgasproduktion die vorhandene Infrastruktur, die Erdgasinfrastruktur, nutzen werden.

Der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfachs (DVGW) schätzt die Speicherkapazität der Gasleitungen und der Gasspeicher in Deutschland auf rund 230 Terawattstunden. Nun kann man nicht alles für Stromspeicherung nehmen, aber zumindest die Hälfte. Das heißt, man ist in der Lage, über das deutsche Erdgasnetz und die Speicher rund 120 Terawattstunden, und das ist ein Fünftel des Stromverbrauchs in Deutschland, zu speichern. Das heißt nichts anderes, als dass man den Wind- und den Sonnenstrom in den Zeiten, in denen er ausreichend und vielfältig zur Verfügung steht, in Power-to Gas-Anlagen zu Bioerdgas umwandelt, dieses Bioerdgas in das Speichersystem einspeist und dann wieder nutzt, wenn man es braucht. Die Speicherkapazität, um das einmal festzuhalten, des deutschen Erdgasnetzes reicht für zweieinhalb Monate Stromverbrauch in Deutschland.

(Zuruf des Abg. Joachim Paul, AfD)

Deswegen brauchen wir auch die entsprechende Kraftwerks- und Speicherinfrastruktur nach wie vor.

Es geht – wie gesagt – nur darum, dass wir nach und nach den Brennstoff ersetzen. Das ist nicht etwa Zukunftsmusik, sondern das passiert schon. Wir haben die ersten BiogasPower-to-Gas-Anlagen in Rheinland-Pfalz. In Mainz steht eine, in Pirmasens steht eine. Wir haben die Kläranlagen, die sich inzwischen am Regelenergiemarkt beteiligen, in Trier, in Koblenz, in Kaiserslautern, die nichts anderes machen, als aus dem Klärschlamm Bioerdgas zu produzieren, dies zu speichern und dann auch auf dem Regelenergiemarkt einzusetzen und zu verkaufen, um es dann nutzbar zu machen, wenn der entsprechende Bedarf da ist.

(Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU – Zuruf des Abg. Joachim Paul, AfD)

Der Strompreis: Wenn Sie den Strompreis hier anführen, dann muss man klar sagen, der entscheidende Parameter für die Belastung der Verbraucher ist die Summe aus dem Beschaffungspreis und der EEG-Umlage, und die ist seit vier Jahren nicht gestiegen, sondern gesunken.

(Zuruf von der AfD)

Die EEG-Umlage ist gestiegen, der Beschaffungspreis ist gesunken, und die Summe aus beiden ist ebenfalls gesunken. Das sind die Fakten, und damit müssen Sie sich auseinandersetzen.

(Zuruf des Abg. Joachim Paul, AfD)

Ich möchte hier auch einmal fragen, was eigentlich bei dem, was Sie ausgeführt haben, die Alternative für Deutschland ist. Was ist die Alternative? Wer natürlich ein unkritisches Verhältnis zu Präsident Putin hat und an dessen unverbrüchliche Vertrags- und Rechtstreue glaubt, der hat vielleicht kein Problem damit, aber verantwortliche

Problemlösung, meine Damen und Herren, sieht anders aus. Verantwortliche Problemlösung sieht so aus, dass wir uns von dieser Importabhängigkeit gerade gegenüber russischem Erdgas Stück für Stück befreien, statt die Alternative darin zu sehen, weiter darin zu verharren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei SPD und FDP)

Übrigens ist das auch ökonomisch sinnvoll. Sie haben über Strompreise geredet. Ist das auch ökonomisch vernünftig? Schon die bisherigen Anstrengungen, auf erneuerbare Energien umzustellen und den Import von fossilen Energiequellen Kohle und Gas zu reduzieren, haben dazu geführt, dass die deutsche Volkswirtschaft rund 10 Milliarden Euro pro Jahr weniger als in früheren Zeiten für Energieimporte ausgibt, und das kommt bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern an.

Dann haben Sie noch das Argument angeführt, dass, wenn man entsprechend den Energiewendevorstellungen der Landesregierung vorgeht, man sich in eine verstärkte Abhängigkeit von Stromimporten begeben würde. Da haben Sie, glaube ich, die Umkehrung der tatsächlichen Verhältnisse auch nicht mitbekommen.

Deutschland war einmal ein Land, das Strom importiert hat, und Frankreich war einmal ein Land, das Strom exportiert hat. Die Verhältnisse haben sich radikal umgekehrt. Deutschland ist inzwischen ein Exportland bei Strom und Frankreich ein Importland, was auch daran liegt, dass im Moment gerade 15 Atomkraftwerke in Frankreich wegen technischer Probleme und Inspektion stillliegen.

(Zuruf des Abg. Matthias Joa, AfD)

Vielleicht, ohne das noch weiter auszuführen, reicht es, darauf zu verweisen, dass gerade in der letzten Woche im SPIEGEL ein Artikel erschienen ist, der das unterstreicht und der mit der Schlagzeile überschrieben war: „Kalte Nächte in Paris“.

Danke.

(Beifall und Heiterkeit bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Zu einer Kurzintervention erteile ich Herrn Dr. Böhme das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Herr Griese, ich will Ihnen ja Ihre Träume nicht nehmen, aber ich bin schon etwas entsetzt. Ich fühle mich irgendwo zurückversetzt in das Jahr 1995, als ich in der Landwirtschaft promoviert habe,

(Abg. Martin Haller, SPD: Das glaube ich sofort!)

wo man uns damals schon erzählen wollte, man könnte mit nachwachsenden Rohstoffen unsere Industrie versorgen.

Ich dachte eigentlich, wir sind ein bisschen erwachsener geworden in der Zwischenzeit. Wir wissen alle, wir haben begrenzte landwirtschaftliche Rohstoffe, wir haben begrenzte landwirtschaftliche Produktionsfläche. Wir können im Durchschnitt maximal 10 Tonnen Trockenmasse vom Hektar ernten.

Woher wollen Sie denn diese ganze Energie nehmen? Sie ist überhaupt nicht produzierbar. Erklären Sie uns, wie Sie die Grundlast in der Stromversorgung sicherstellen wollen. Erklären Sie uns das. Und das geht im Moment nur noch über Gas. Sie haben doch selber ausgeführt, dass die Kohle zu Ende geht. Die fluktuierende Windkraft wird es nicht schaffen, und Ihr Biogaskonzept habe ich eben widerlegt. Es geht gar nicht. Wir haben gar nicht die Fläche dazu.

Wir diskutieren darüber, dass die Biogasanlagen Abwässer produzieren, die wir gar nicht mehr loskriegen, weil wir zu viel Nitratbelastung haben.

Hören Sie doch endlich einmal auf zu träumen, kommen Sie zu den Fakten, erklären Sie uns, woher die Grundlast kommt.

Danke schön.

(Beifall der AfD)

Zu einer weiteren Kurzintervention erteile ich dem Abgeordneten Wäschenbach das Wort.

Herr Staatssekretär, Sie haben die grundlastfähige Biogasenergie erwähnt, was ich sehr begrüße. Allerdings müssen Sie uns auch ehrlicherweise erklären, wie Sie mit der Reglementierung in der Landwirtschaft umgehen, wie Sie die Flächen dafür bewirtschaften wollen, um diese erneuerbare Energie als grundlastfähige Biogasenergie weiterhin in Deutschland auszubauen.

(Beifall bei der CDU)

Durch eine verlängerte Redezeit der Landesregierung stehen den Fraktionen jeweils noch drei Minuten zur Verfügung. Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Wird Ausschussüberweisung beantragt, oder stimmen wir direkt ab?

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Ausschussüberweisung! – Abg. Martin Haller, SPD: Abstimmung!)

Wir stimmen dann zunächst über eine Ausschussüberweisung ab. Wer für eine Ausschussüberweisung stimmt, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer ist dagegen? – Die Ausschussüberweisung ist mit den Stimmen der SPD, der CDU, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der AfD abgelehnt.

Wir kommen dann zur Abstimmung über den Antrag „Si

cherstellung der Erdgasversorgung von Verbrauchern und Wirtschaft in Rheinland-Pfalz“, Antrag der Fraktion der AfD – Drucksache 17/1555 –. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen? – Der Antrag ist mit den Stimmen der SPD, der CDU, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der AfD abgelehnt.

Wir stimmen nun über den Alternativantrag der CDU „Zur Sicherstellung unserer Energieversorgung brauchen wir eine Gesamtstrategie, die auf einen breiten Energiemix setzt“ – Drucksache 17/1608 – ab. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen? – Der Antrag der Fraktion der CDU ist mit den Stimmen der SPD, der AfD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU abgelehnt.