Wir haben mit diesem Gesetzentwurf auch weitgehend die Haltung der von Frau Schellhammer so wortreich verteidigten Enquete-Kommission berücksichtigt. Voraussetzung dafür müssen aber gesetzliche Bedingungen sein, die der Souverän, das Volk, auch realistisch erfüllen kann. Das ist derzeit in Rheinland-Pfalz nach unserem Dafürhalten nicht der Fall. Wenn 300.000 Unterschriften in acht Wochen für ein Volksbegehren eingebracht werden müssen, dann ist das schlicht unmöglich und damit die indirekte Verhinderung des genannten Verfassungsauftrags.
Wir wollen beide Werte halbieren, damit der Bürgerwille eine realistische Chance bekommt. Aus unserer Sicht ist es auch legitim, sich an anderen Ländern zu orientieren, in denen ein solches Regelwerk bereits besteht, wie zum
Anhand der dort gemachten Erfahrungen kann man sehr wohl differenzieren und sinnvoll ableiten. Darüber hinaus werden Sie bemerken, dass wir die sogenannte Finanzfrage in Artikel 108 Landesverfassung durch den Begriff „Haushaltsrecht“ ersetzt haben. Damit soll gewährleistet werden, dass das Parlament in seinem uneingeschränkten Budgetrecht nicht beeinträchtigt wird.
Meine Damen und Herren, auch die fakultativen Volksabstimmungen, die gerade jetzt auf Antrag der CDU-Fraktion in Thüringen eingeführt werden sollen und den Bürger zum Beispiel an der Gebietsreform beteiligen, üben eine Kontrollfunktion gegenüber der Regierung aus.
Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksabstimmungen bewegen die Parlamente, sich mit unbequemen Themen beschäftigen zu müssen.
Aus den Reihen der Skeptiker sind immer wieder folgende Bedenken zu hören und jetzt wieder zu erwarten, deshalb greife ich sie vorab einmal auf, dann können Sie Ihre Redetexte etwas kürzen. Bei den Volksabstimmungen sind komplexe Themen nicht einfach mit Ja oder Nein zu beantworten – ein Argument. Es können keine Kompromisse im Verfahren ausgehandelt werden. Die Interessen von Minderheiten könnten vernachlässigt werden, und diejenigen, die am lautesten schreien, gewinnen die Abstimmung.
Diese Befürchtungen passen aber nicht in unsere moderne Gesellschaft. Das hohe Bildungsniveau der Bürger lässt selbstständiges Denken durchaus zu. Unsere pluralistische Medienlandschaft bietet differenzierte Bewertungen an, und auch die viel gescholtenen sozialen Netzwerke fördern den Austausch von Meinungen.
Die Möglichkeiten, Kompromisse zu erzielen, sind im Rahmen dieser verdichteten Kommunikationsphase durchaus möglich. Genauso werden auch die Interessen der Minderheiten diskutiert werden.
Dass nur diejenigen eine Volksabstimmung gewinnen, die am lautesten schreien, hat der Streit um Stuttgart 21 eindrucksvoll widerlegt. Die Gegner des Projekts Stuttgart 21 waren diejenigen, die am lautesten geschrien und demonstriert und dennoch die Volksabstimmung verloren haben.
Volksabstimmungen können also auch friedensstiftend wirken; denn danach waren alle Demonstrationen gegen Stuttgart 21 und auch die Gewalttätigkeiten beendet.
Gegner sagen, dass an den Abstimmungen eventuell zu wenige teilnehmen und dann eine Minderheit über die Mehrheit bestimmen würde. Dazu Folgendes: Im Wahljahr 2006 erreichte die SPD in Rheinland-Pfalz einen Stimmenanteil von 45,6 % der abgegebenen Stimmen – lang ist es her. Die Wahlbeteiligung lag allerdings nur bei 58,2 % und damit bei einer Zustimmung für die SPD von nur 26,5 %
Dem Bürger werden aber Bedingungen diktiert und überhöhte Grenzen auferlegt, die man für den eigenen Wahlerfolg besser nicht haben möchte. Deshalb sollte es auch kein Quorum für die Teilnahme an Volksabstimmungen geben,
sehr wohl aber bei der Sammlung der Unterschriften für die Stufe Volksabstimmung, Volksinitiative und Volksbegehren, um auch die Ernsthaftigkeit und die Basisunterstützung der Bürger nachzuweisen.
Meine Damen und Herren, 78 % der Bürger unseres Landes wollen realistische Regelungen zu mehr und besserer direkter Demokratie. Wir finden auch, dass dieses Thema zu wichtig ist, um es auf dem Altar der parteipolitischen Auseinandersetzungen zu opfern, und sind im Detail kompromissbereit.
In jedem Fall wird dieses elementare Thema auch im Bundestagswahlkampf für uns eine wichtige Rolle spielen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Erneut beantragt die AfD-Fraktion eine Absenkung der Quoren für Volksbegehren und Volksentscheide, erneut erleben wir das Copy-and-paste der AfD-Fraktion wie bereits bei Plenaranträgen so auch bei dieser Initiative, die erst abgeschrieben wurde.
Nun bringen Sie erneut eine Kopie der Kopie mit kleinen inhaltlichen Änderungen ein, aber bereits Ihr erster Versuch, die Verfassung zu ändern, hat jedwede Ernsthaftigkeit vermissen lassen.
Dass Sie gestern Ihre Änderung zum Landeswahlgesetz zurückgezogen haben, belegt nur weiter, wie wenig überlegt Sie in dieser Angelegenheit agieren.
(Abg. Martin Haller, SPD: Einerseits konsequent! – Zurufe von der AfD – Abg. Uwe Junge, AfD: Es kommt auf den Inhalt an! – Zuruf des Abg. Joachim Paul, AfD)
Das zeigt nur eines: die mangelnde Ernsthaftigkeit, mit der die AfD tatsächlich die direkte Demokratie hier erkämpfen möchte. Es bestätigt unsere Vermutung, die wir bereits in der ersten parlamentarischen Beratung Ihrer Gesetze geäußert haben.
Ihnen geht es nur darum, die berechtigte Forderung nach mehr direkter Demokratie gegen die demokratischen Parteien in diesem Land und in diesem Landtag zu instrumentalisieren. Damit lassen wir Sie auch bei diesem erneuten Versuch nicht durchkommen.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Abg. Martin Haller, SPD: So ist es! – Zurufe von der AfD)
Ich erinnere Sie gern an die bereits erfolgte Debatte. Inhaltlich haben wir als Koalitionsfraktion kritisiert, dass Ihre vorgeschlagene Verfassungsänderung zu kurz greift. Zwar haben Sie unsere Kritik zum Ausschluss von Finanzfragen aufgenommen, aber weitere wesentliche Punkte der vorherigen Debatte haben Sie weiterhin wissentlich ignoriert.
Die Erweiterung des Wahlrechts auf Menschen unter 18 Jahren oder auf Mitbürgerinnen und Mitbürger der EUMitgliedstaaten bleiben weiterhin außen vor. Auch diese Personen wären bei einer entsprechenden Änderung bei Volksentscheiden stimmberechtigt, nicht nur bei Landtagswahlen. Automatisch wären auch diese Menschen in unserer Demokratie beteiligt.
Letztendlich geht es in der Demokratie doch darum, möglichst viele Menschen bei Entscheidungen zu beteiligen, von denen sie betroffen sind. Dadurch erhalten diese Entscheidungen eine breite Legitimation und Akzeptanz.
(Abg. Martin Haller, SPD: Aber es gibt das Volk und das Volk! Das ist ganz wichtig, das eigene Volk!)
Uns als Koalitionsfraktionen geht es weiterhin darum, die Beteiligung aller Menschen in Rheinland-Pfalz voranzubringen. Das ist unser Ansatz. Dabei soll niemand ausgegrenzt werden. Diese Koalition steht für eine lebendige Demokratie, die alle mitnimmt.
Sie machen weiterhin einen entscheidenden Denkfehler. Demokratiereformen müssen immer im Gesamtzusammenhang gesehen werden. Einen Punkt alleine, die Absenkung der Hürden für eine politische Ebene herauszunehmen, reicht nicht aus. Deshalb haben wir in der letzten Legislaturperiode hier mit dem Landesgesetz zur Verbesserung direktdemokratischer Beteiligung auf kommunaler Ebene, zur Erleichterung von Volksbegehren auf Landesebene und dem Landestransparenzgesetz ein Demokratiepaket auf den Weg gebracht. Das und weitere wichtige Maßnahmen sind im Koalitionsvertrag festgehalten, und diese Maßnahmen werden wir gemeinsam auf den Weg bringen und dieses Land und die Demokratie voranbringen.
Einen weiteren Punkt, den wir auch schon in der vorangegangenen Debatte vorgebracht haben, ignorieren Sie. Eine Verfassungsänderung braucht immer eine Zweidrittelmehrheit. Das ist gut so; denn unsere Verfassung ist ein hohes Gut. Nur nach reiflicher Überlegung und auf einer breiten Legitimationsbasis sollte sie geändert werden.
Für uns als Koalitionsfraktionen kann es deshalb nur gemeinsam mit der CDU eine Änderung der Verfassung geben. Gespräche und Einigungen über Änderungen der Verfassung kann es nur unter demokratischen Parteien geben. Daher ist die CDU unser Adressat.