Protokoll der Sitzung vom 15.02.2017

Die enge Verbindung und Verzahnung mit projektübergreifenden Lern- und Lebensbereichen – die Demokratieerziehung hat Frau Ministerin Hubig genannt – ist für mich essenziell. Ich halte das, was aus den beiden Kirchen zur digitalen Bildung gekommen ist, für wichtig, nämlich den Aspekt, dass nicht nur das Strafrecht on- und offline gilt, sondern dass auch unsere ethisch-moralischen Grundsätze und Werte auch im Netz nicht außer Kraft gesetzt sind, sondern dass wir sie dort auch leben müssen, dass sie dort genauso selbstverständlich sein müssen wie in der realen Welt.

Wenn das Smartphone heute ganz oben auf der Wunschliste für die heilige Kommunion steht, dann muss es darum gehen, Elternarbeit zu machen, und zwar so früh wie möglich. Eltern muss man einbeziehen, sie auf dem Weg mitnehmen, sich mit einem gesellschaftlichen Umbruch zu befassen. Das ist eine Chance, gemeinsam mit ihren Kindern diesen Weg zu gehen.

Ich glaube auch, dass es wichtig ist, Medienkompetenz zur lebenslangen digitalen Hausaufgabe für alle Menschen zu machen, auch für uns Erwachsene. Die Volksschulen haben das angesprochen. Ich glaube, da gibt es viele gute Ansätze. Konrad Wolf hat letztes Jahr einen Preis an eine Kooperation von Erwachsenenbildung, Landessportbund und medien+bildung.com verliehen. Wir haben da viele Möglichkeiten.

Meine Damen und Herren, abschließend glaube ich, wir haben eine gesamtstaatliche Aufgabe vor uns. Das können wir nur geschlossen und zusammen angehen, und zwar in großer Einigkeit am gleichen Strang zu ziehen. Wir müssen die Urteilskraft und die Kritikfähigkeit aller Menschen, aber vor allen Dingen der jungen Menschen im Umgang mit sozialen Netzwerken fördern

(Glocke des Präsidenten)

und damit gleichzeitig auch unsere demokratische und freie Gesellschaft stärken.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD, der FDP, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU)

Für die CDU-Fraktion hat Frau Abgeordnete Demuth das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer schreiben will, der muss das Alphabet lernen. Genauso wichtig ist es heute, die Grundregeln des Internets zu kennen; denn die digitale Kommunikation ist längst ein zentraler Teil unseres Lebens geworden.

Die sozialen Netzwerke und das offene mobile Internet verändern unsere Gesellschaft tiefgreifend. Handy und Laptop – Frau Kollegin sprach es an – gehören zur alltäglichen Lebenswelten unserer Kinder und Jugendlichen. 96 % der unter 14-Jährigen sind bereits online. Der Erstkontakt beginnt oft schon im Grundschulalter. Das sind Tatsachen, mit deren gesellschaftlichen Folgen und Entwicklungen wir uns viel intensiver auseinandersetzen müssen als bisher geschehen. Interneterziehung ist zu einer zentralen gesamtgesellschaftlichen Aufgabe geworden.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dies ist umso mehr so, weil die klassischen Medien bei jungen Leuten ihre Rolle als Nachrichtenquellen zunehmend verlieren. Besonders junge Menschen nutzen die sozialen Medien primär als Informationsquelle, manche sogar ausschließlich. Wir müssen deshalb den verantwortungsvollen Umgang mit den sozialen Medien stärken.

Eine absolute Sicherheit vor dem Missbrauch des Internets zur Äußerung von strafbaren Kommentaren oder Beeinflussungen von Meinungen mit „Social Bots“ oder „Fake News“ wird es trotz gesetzlicher Regelungen leider wohl nicht geben. Der Versuch, sie zu schaffen, mutet eher wie der Wettlauf zwischen Hase und Igel an. Die Regulierer hinken fast immer hinterher und finden kaum zeitgemäße rechtliche Rahmenbedingungen, die die aktuellen Gegebenheiten angemessen regulieren. Bis Gesetze in Kraft sind, haben sie oft neue Tatsachen überholt.

Meine Damen und Herren, weil dies oft so ist, ist es besonders wichtig, unsere Gesellschaft, Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene, frühzeitig im Umgang mit diesem Phänomen zu schulen.

(Beifall der CDU)

Es muss uns gelingen, ein gesellschaftliches Bewusstsein dafür zu schaffen, dass auch in den sozialen Medien Respekt, würdevoller Umgang miteinander sowie Respekt vor den Rechten der Persönlichkeiten anderer unverzichtbar sind. Für den einzelnen Nutzer ist es nicht immer leicht, fundierte Informationen von Ressentiments, echte Diskussionsteilnehmer von „Social Bots“ sowie echte Nachrichten von bewussten „Fake News“ zu unterscheiden. Deshalb ist Medienkompetenz enorm wichtig, nicht nur für uns, sondern besonders für unsere Kinder.

Ziel muss es sein, zum einen die technischen Grundlagen und die Algorithmen zu verstehen, zum anderen bedarf es der Fähigkeit, Informationen und Nachrichten einordnen zu können sowie vertrauenswürdige von zwielichtigen Quellen zu unterscheiden. Entsprechende Programme wie die der Verbraucherschutzzentralen, der Landesmedienanstalten und des Landesdatenschutzbeauftragten sind zu stärken, Programme für die Erwachsenenbildung weiter auszubauen.

(Beifall der CDU)

Meine Damen und Herren, es ist wichtig, dass unsere Kinder lernen, welche Chancen und welche Risiken im Netz lauern. Wir müssen Mechanismen und Echokammern of

fenlegen und zeigen, mit welchen Mitteln populistische Wahrheitsverdreher arbeiten, wie man Fakten auf Stimmigkeit prüft und Wahrheit und Lüge unterscheiden kann. „Hate Speech“ wird oft unter dem Deckmantel von Ironie und Meinungsfreiheit veröffentlicht. Es gilt, unseren Kindern den Unterschied zu vermitteln.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, unsere Kinder müssen verstehen, dass Worte genauso verletzen können wie körperliche Gewalt – im Internet wie im realen Leben. Der Ort, an dem dies geschehen muss, ist die Schule. Ja, wir tun schon einiges, aber wir brauchen noch mehr Maßnahmen. Da stimme ich Frau Kollegin Schmitt zu. Wir brauchen noch mehr Medienpädagogen, die sich selbst im Netz und in den sozialen Medien gut auskennen. Wir brauchen auch Platz in den Lehrplänen, sehr richtig.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Dazu gehört auch, dass wir überlegen, ob wir den Fächern wie Geschichte, Sozialkunde und Politik wieder mehr Platz auf dem Stundenplan geben und ob wir mit der politischen Bildung bereits in der Grundschule beginnen. Beide Initiativen unterstütze ich.

Staatsbürgerliche Bildung, Informations- und Kommunikationsvermögen sowie Empathiebildung sollten ganz zentrale Aufgaben unserer Bildungspolitik sein, um Hass, Hetze und Cybermobbing im Netz entgegenzutreten.

Meine Damen und Herren, rund um Medienbildung und -erziehung gibt es viele Möglichkeiten und Wege für uns anzusetzen. Darüber sollten wir hier in Zukunft intensiv sprechen, beispielsweise auf einem Bildungsgipfel gemeinsam mit den Vertretern von Verbänden, Einrichtungen und Medien. Unsere Kinder brauchen mehr denn je ein sicheres Fundament in der digitalen Welt; denn sie tragen die Verantwortung in unserer Gesellschaft von morgen.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die AfD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Paul das Wort.

Sehr geehrter Präsident, liebe Kollegen! „Fake News“ werden unheimlich mächtig, weil sich Institutionen, Parteien und insbesondere die Leitmedien in einer fundamentalen Glaubwürdigkeitskrise befinden. Der öffentlich-rechtliche Staatsfunk befindet sich in eben dieser Glaubwürdigkeitskrise und ringt um Ansehen.

(Zuruf von der SPD: AfD TV!)

Die Berichterstattung bzw. berüchtigte Nichtberichterstattung über die systematischen Übergriffe auf Frauen und Mädchen in der Kölner Silvesternacht, den Raketen- und Böllerbeschuss des Doms, beantwortet die Frage nach dem Warum beispielhaft.

Beim WDR fiel die Berichterstattung für 48 Stunden komplett aus. Das ZDF bewegte sich erst auf Druck, der gerade in den sozialen Medien aufgebaut wurde. Quälend lange wurden wesentliche Fakten unterschlagen. Die Bürger hatten in der Folge den Eindruck, die Kölner Ereignisse sollten offiziell wegmoderiert werden.

Wesentliche Leitmedien opferten die Wahrheit der lautstark ausgerufenen Willkommenskultur. Über Nacht erwiesen sich die sozialen Medien als schneller, glaubwürdiger, unabhängiger.

(Zuruf von der FDP: Unglaublich!)

Über Nacht wurden die Bürger kritischer, vielleicht, weil sie gerade nicht zeitnah und rückhaltlos informiert worden waren.

(Abg. Christine Schneider, CDU: Sagt jemand, der Medien ausschließt!)

Der Verlegersohn Jakob Augstein twitterte von ein paar grabschenden Ausländern. Das Entsetzen der Bürger, der Protest der Frauen wurde als Riss der Zivilisation abgewertet. Weil Rot-Grün unter Journalisten eine absolute Mehrheit hat, wurde die Willkommenskultur zum Dogma. Folgerichtig kritisierten sie in erster Linie die Opposition, nicht die Regierung.

Die Hamburg Media School stellt in einer Studie über die Asylkrise fest, in den etablierten Medien, vorneweg die Tagesschau, fiel die kritische Berichterstattung weitgehend aus. Asylbewerber, besser ausgebildet als Deutsche. Alles gut? – Wir schaffen das!

Nach einer Studie der Johannes Gutenberg-Universität ist das Vertrauen in die Medien erodiert. 2016 gaben 22 % der Befragten an, ihnen nicht zu vertrauen. 2008 waren es 9 %. Schon die Achtundsechziger erkannten, Medien bilden auch politische Machtverhältnisse ab. Wer darüber nicht einmal nachdenken will, der sollte über Ungarn schweigen.

Die Bürger hinterfragen aber stärker als je zuvor, und sie haben ein eigenes Medium, das ihnen zur Seite steht. Die sozialen Medien sind eben nicht die „asozialen“ Medien, sondern längst ein wichtiges Korrektiv. Mittlerweile weiß jeder, dass ein verwackeltes Smartphone-Video die Wirklichkeit vollumfänglicher abbilden kann als die „heute“Sendung.

(Beifall der AfD)

Betrachten wir die sozialen Medien als Bereicherung der Demokratie. Wenn es Ausrutscher gibt, dann sollten sich unabhängige Staatsanwälte darum kümmern, nicht parteipolitisch motivierte Minister.

(Beifall der AfD)

Deshalb müssen uns Bestrebungen alarmieren, die sozialen Medien zu beschneiden, den Meinungs- und Informationsaustausch dort zu beschränken, und das gerade unter der Chiffre „Bekämpfung von ,Fake News‘“. Dabei lehnen wir doch den Begriff „Lügenpresse“ – er wurde übrigens von den Achtundsechzigern geprägt – vehement ab. Beide aber sind letztendlich auch Kampfbegriffe, der eine wie der

(Heiterkeit des Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als am 2. Juni 1967 protestierende Studenten im Rahmen des Schah-Besuchs unter den Augen der Berliner Polizei von persischen Geheimdienstlern zusammengeschlagen wurden und sich ohnmächtig fühlten, erlebten sie das Medienecho als nachträgliche Verhöhnung durch das Establishment.

„Tagesspiegel“ und sogenannte Springer-Presse berichteten von Schah-Anhängern, die sich doch bloß gewehrt hätten. Die „Gammler“ seien schuld, die „Prügelperser“ im Recht. „Fake News“, damals wie heute: Etablierte gegen neue Kräfte.

Die Berichterstattung über die Kölner Silvesternacht ist mit jener über den 2. Juni 1967 vergleichbar. Damals wie heute fürchten Etablierte den Kontrollverlust. Die Gegenwart erinnert an das Aufkommen alternativer Medien in den 60er- und 70er-Jahren und die damit fast zwingend einhergehende Veränderung der politischen Landschaft. So war es nach der Erfindung des Buchdrucks und dem Massendruck der Flugblätter.

Ja, es stimmt. Immer mehr Bürger, die durch die digitalen Medien Verstärkeranlagen zur Verfügung haben, sind dabei, einen Konsens aufzukündigen, der Jahrzehnte Bestand hatte. Er lautete ungefähr so: Wir, die selbsternannte progressive Linke, sagen, wo es gesellschaftlich und kulturell langgeht, was gedacht und geschrieben werden soll und was nicht. Die anderen verhalten sich ruhig, sie dürfen sich wirtschaftlich verwirklichen. Dieser Konsens löst sich gerade auf.