Protokoll der Sitzung vom 31.05.2017

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Junge.

Frau Ministerin, ich muss doch noch einmal nachfragen. Wenn jetzt durch Herrn Abgeordneten Frisch und auch durch das Bundesamt für Verwaltung durchschnittliche Kosten von 5.800 Euro angenommen werden, wir aber in Rheinland-Pfalz einmal von 3.500 Euro ausgegangen sind, dann sind das eben doch 10 Millionen im Monat. Damit hätten wir die Mittelrheinbrücke in vier Monaten bezahlt.

(Zurufe von SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber meine eigentliche Frage: Kennen Sie – – –

(Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darf ich meine Frage stellen? – Sie geben die Zahlen – – –

(Unruhe im Hause – Glocke des Präsidenten)

Herr Junge hat das Wort für die Frage. – Bitte, Herr Junge.

Sie sind offensichtlich nicht bereit, die konkreten Zahlen, nämlich das, was das Land Rheinland-Pfalz – – –

Herr Junge, Sie müssen eine Frage formulieren, kein Statement.

Ja. Bitte, wir hätten gern die konkreten Zahlen. Sie müssen das wissen. Sie haben Stichtage gehabt. Sie müssen wissen, was wir für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in diesem Land an Steuergeld ausgeben. Das müssen Sie wissen. Das müssen Sie diesem Parlament auch sagen. Da ist ein Hinweis auf den Ausschuss nicht zielführend.

Die Frage ist, glaube ich, deutlich geworden. – Ja?

Ich denke.

Ja.

Wenn Sie auch beantwortet wird, bin ich zufrieden.

Das wird die Ministerin tun.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Junge, ich hatte bereits mehrfach dargelegt, wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wir im Land Rheinland-Pfalz haben. Ich hatte auf eine Frage des Herrn Abgeordneten Kessel hin dargelegt, wie viel Geld wir dafür im Doppelhaushalt 2017/2018 eingestellt haben.

Ich kann Ihnen sagen, dass zum Stichtag 26. Mai von den vorliegenden Rechnungen noch 14,8 Millionen Euro im Details zu prüfen und auszuzahlen sind und diese Beträge aber nicht nur, da sie im Rahmen des Altverfahrens sind,

das Land Rheinland-Pfalz betreffen, sondern auch andere Bundesländer. Aber ich habe Ihnen die Zahlen, wie viel Geld wir eingestellt haben, wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wir haben und wie viele Kosten wir auch erstattet haben, dargelegt.

Damit ist die Mündliche Anfrage beantwortet. Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Ich rufe die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Joachim Paul (AfD), Stellenwert der Inklusion – Nummer 3 der Drucksache 17/3125 – betreffend, auf.

Bitte, Herr Paul.

Sehr geehrte Frau Ministerin, ich stelle folgende Fragen zum Themenschwerpunkt „Inklusion“:

1. Wie ist die Aussage der Landesregierung vom 31. Januar 2017 – getätigt auf eine Kleine Anfrage der AfDFraktion – „Inklusiver Unterricht mit entsprechendem Qualitätsanspruch gelinge gut“ mit der Kritik des Landesverbandes Bildung und Erziehung (VBE) in der Rheinpfalz vom 2. Mai 2017 – die Inklusion befinde sich in einem „reinen Versuchsstadium“ – vereinbar?

2. Wird an der Aussage vom 31. Januar 2017 – getätigt auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion – festgehalten, die Schulbehörde müsse „auf eine entsprechende Korrektur“ hinwirken, wenn Schwerpunktschulen eine bessere Förderungsmöglichkeit erkennen, indem sie in einigen Fächern alle Förderkinder einer Klassenstufe gemeinsam von einer Förderlehrerin unterrichten, getrennt von den anderen Schülern?

3. Werden die Förderschulen für einen unverzichtbaren Teil des rheinland-pfälzischen Bildungssystems gehalten?

4. Wird die Auffassung vertreten, dass die UNKonvention „Übereinkunft über die Rechte von Menschen mit Behinderung“ den inklusiven Unterricht zwingend vorschreibt und damit implizit der Auffassung widersprochen, dass durch die Förderschulen ein Förderwesen entstanden sei, das weltweit Vorbildfunktion genießt?

Für die Landesregierung antwortet die Bildungsministerin Dr. Hubig.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Joachim Paul beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt:

Die Landesregierung hat ein klares Bekenntnis zur Umsetzung der 2009 in Kraft getretenen UN-Behindertenrechtskonvention abgelegt. Bereits lange vorher wurden in Rheinland-Pfalz neue bildungspolitische Akzente gesetzt, um Schülerinnen und Schülern mit Behinderung gemeinsamen Unterricht mit Gleichaltrigen zu ermöglichen. So wurde das Konzept der Schwerpunktschule bereits Ende der 1990er-Jahre im Anschluss an verschiedene Schulversuche zum gemeinsamen Unterricht entwickelt und mit der Schulgesetznovelle 2014 fest im Schulgesetz verankert. Das Angebot an wohnortnahem gemeinsamem Unterricht wird kontinuierlich und bedarfsgerecht ausgebaut. Derzeit besteht ein Netz von 289 Schwerpunktschulen, die einen wertvollen Beitrag zur erfolgreichen Umsetzung des inklusiven Unterrichts leisten.

Zu Frage 1: Die Aussage der Landesregierung beruht auf den Ergebnissen der Universität Koblenz-Landau zum Forschungsprojekt „Gelingensbedingungen des gemeinsamen Unterrichts an Schwerpunktschulen in RheinlandPfalz“, kurz „GeSchwind-Studie“ genannt. Es handelt sich hierbei um eine unabhängige Studie. Der Erhebungszeitraum der Studie erstreckte sich von März 2012 bis Januar 2014. Im ersten Teil der Erhebung wurden Experteninterviews mit Referentinnen und Referenten der Schulbehörde, Beraterinnen und Beratern für Inklusion sowie Schulleitungsmitgliedern und Lehrkräften an Schwerpunktschulen geführt.

Im zweiten Teil wurde eine umfangreiche Onlinebefragung mittels Fragebogen durchgeführt, an der sich 79 Schwerpunktgrundschulen und 68 weiterführende Schwerpunktschulen beteiligten. Dies entspricht einer Beteiligungsquote von 70,5 %.

Die Projektverantwortlichen fassen ihre Forschungsergebnisse wie folgt zusammen – ich zitiere –: „Schwerpunktschulen nehmen ihren erweiterten Auftrag ernst. Sie entwickeln kreative Lösungen für die gemeinsame Unterrichtung“. Dabei zeigt sich – das Zitat geht weiter –, „dass individualisierte, differenzierte Arbeitsmaterialien und Aufgabenstellungen sowie schülerorientierte Bearbeitungszeiten bereits am Anfang der Schwerpunktschulentwicklung eine entscheidende Bedeutung bei der Unterrichtskonzeption einer Schwerpunktschule haben“. Zitat Ende.

So werden aus Sicht der Mehrzahl der Lehrkräfte Schwerpunktschulen allen Schülerinnen und Schülern besser gerecht. Inklusion stellte also einen entscheidenden Impuls für die befragten Schwerpunktschulen dar, Unterricht im Hinblick auf die verschiedenen Lernbedürfnisse aller Schülerinnen und Schüler methodisch weiterzuentwickeln. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse der „GeSchwind-Studie“ und des langen Entwicklungszeitraums des inklusiven Unterrichts in Rheinland-Pfalz kann von einem Versuchsstadium definitiv nicht die Rede sein.

Zu Frage 2: Nach § 14 a Abs. 1 Schulgesetz ist inklusiver Unterricht gemeinsamer Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderung. Er wird vorrangig von Schwerpunktschulen organisiert. Diese gewährleisten gemeinsames Leben und Lernen und ermöglichen allen Schülerinnen und Schülern individuelle Entwicklungsprozesse. In der GeSchwind-Studie wird von Schwerpunkt

schulen berichtet, die zeitweise Fördergruppen bilden. Solche Organisationsformen sind grundsätzlich zulässig. Die dauerhafte Trennung der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf von den anderen Kindern entspricht dagegen den grundlegenden Prinzipien des inklusiven Unterrichts gerade nicht. Sie ist nicht mit der Regelung in § 14 a Abs. 1 Schulgesetz vereinbar. Soweit es zu einer dauerhaft getrennten Unterrichtung von Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf kommt, stellt die Schulaufsicht gemäß ihrem schulgesetzlichen Auftrag sicher, dass inklusiver Unterricht nach den im Schulgesetz formulierten Bedingungen organisiert wird.

Zu Frage 3: In Rheinland-Pfalz gibt es 131 Förderschulen und 289 Schwerpunktschulen. An beiden Förderorten bringen Förderschullehrkräfte und pädagogische Fachkräfte ihr Fachwissen im Unterricht ein. Seit 2014 ist das Wahlrecht der Eltern im rheinland-pfälzischen Schulgesetz verankert. Eltern haben die Möglichkeit, für ihr Kind den inklusiven Unterricht oder den Besuch einer Förderschule zu wählen. Sie sind Experten für ihr Kind und treffen ihre Entscheidung wohlüberlegt. Bei ihrer Entscheidung werden sie außerdem durch ein umfängliches Informations- und Beratungsangebot unterstützt.

Die Verankerung des Wahlrechts hat nicht zu einem Ansturm auf die Schwerpunktschule geführt. Etwa 31 % – das sind rund 6.600 Schülerinnen und Schüler – besuchen im laufenden Schuljahr den inklusiven Unterricht, der andere Teil – rund 14.500 Schülerinnen und Schüler – Förderschulen. Im Schulgesetz ist seit 2014 auch der Auftrag der Förderschulen verankert, sich als Förder- und Beratungszentren weiterzuentwickeln. So stellen wir sicher, dass sonderpädagogische Fachkompetenz verlässlich im Schulsystem verankert und verfügbar ist.

Bereits im Februar 2015 wurden die ersten vier Förderschulen als Förder- und Beratungszentren beauftragt. Mittlerweile gibt es 16 Förder- und Beratungszentren. Weitere Förderschulen werden als Förder- und Beratungszentren entsprechend den Anträgen der Schulträger und der beteiligten Schulen beauftragt.

Zu Frage 4: Der rheinland-pfälzische Landtag hat 2010 und 2015 ein klares Bekenntnis zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention abgelegt. Die Leitlinien und Grundsätze zur Umsetzung einer Politik für Menschen mit Behinderung sind im Landesaktionsplan verankert, der 2015 fortgeschrieben wurde. Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet das Land zur Schaffung eines inklusiven Schulsystems, das Schülerinnen und Schülern mit Behinderung den Zugang zum allgemeinen Schulsystem ermöglicht. Die Abschaffung des Förderschulsystems wird an keiner Stelle der Konvention gefordert. Der inklusive Unterricht und Förderschulen sind für uns als Förderorte gleichwertig. Mit dem uneingeschränkten Wahlrecht der Eltern und dem dichten Netz von Schwerpunktschulen erfüllen wir die Vorgaben der UNBehindertenrechtskonvention.

Vielen Dank.

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Frisch.

Frau Ministerin, ich habe in meiner eigenen Tätigkeit auch Schüler und Schülerinnen gehabt, die im Zuge der Inklusion jetzt in der Regelschule unterrichtet wurden.

(Zuruf von der CDU: Können Sie bitte ins Mikrofon sprechen?)

Mich würde einmal interessieren – weil ich das damals als wenig hilfreich empfunden habe –, wie die Qualifizierung von Lehrkräften an Schwerpunktschulen, aber auch an Regelschulen stattfindet, um dann mit solchen Schülern adäquat im Unterricht auch arbeiten zu können, und ob Sie der Auffassung sind, dass die zurzeit stattfindenden Qualifizierungsmöglichkeiten hierfür ausreichend sind.

Herr Abgeordneter Frisch, wir haben in den Schwerpunktschulen – das wissen Sie – natürlich nicht nur Regelschullehrkräfte, sondern auch Förderschullehrkräfte. Die sind dadurch qualifiziert, dass sie ein entsprechendes Studium und einen Vorbereitungsdienst als Förderschullehrkraft absolviert haben. Soweit Lehrkräfte keine Förderschullehrkräfte sind, haben wir ein umfangreiches Weiterbildungsund Fortbildungsangebot des Pädagogischen Landesinstituts. Wir haben rund 30 Beraterinnen und Berater des Pädagogischen Landesinstituts für den Bereich Inklusion. Ich glaube, davon sind allein 19 Berater für Autismus.

Wir haben für die Schwerpunktschulen, die beginnen, eine jährliche Startveranstaltung, die im Frühjahr des Jahres beginnt, an der im Übrigen auch die anderen Schulen teilnehmen können, wenn sie das möchten, die quasi die Schwerpunktschulen und damit natürlich die Lehrkräfte darauf vorbereitet, was sie erwartet.

Wir haben für die Schwerpunktschulen ein Fortbildungsbudget von 1.500 Euro pro Schwerpunktschule. Das heißt, die Schwerpunktschulen können über das Angebot hinaus, das das Pädagogische Landesinstitut anbietet – dieses Angebot stellt das Pädagogische Landesinstitut zweimal im Jahr in einer Broschüre „Inklusion“ dar –, sich noch einmal eigene Fortbildungsmaßnahmen besorgen.

Wir haben 29 Hospitationsschulen in Rheinland-Pfalz, an die Lehrkräfte gehen können und schauen können, wie inklusiver Unterricht funktioniert. Wir haben 16 Förder- und Beratungszentren, die in erster Linie die Schwerpunktschulen beraten, aber an die sich natürlich auch die Regelschulen wenden können.

Was die erste und zweite Phase der Ausbildung, also Studium und Vorbereitungsdienst, anbelangt, ist es so, dass wir das Curriculum im Studium geändert haben. Wir haben jetzt eine starke Fokussierung auch auf Inklusion in allen Studiengängen, also sozusagen für alle Schularten. Studierende aller Schularten müssen ein verpflichtendes Praktikum an einer Schwerpunktschule machen. Im Vorbereitungsdienst haben wir dafür gesorgt, dass in