Protokoll der Sitzung vom 22.06.2017

Jean Asselborn hat es so formuliert: Nicht die Abschaffung von Schengen und die Rückkehr zu nationalen Grenzkontrollen innerhalb des Schengenraums bietet die Lösung, sondern eine stärkere, effizientere Zusammenarbeit, welche grundsätzliche Fragen des Datenschutzes beachtet, aber auch ein vernetztes Datensystem einsetzt, das die Sicherheit unserer Bürger gewährleistet. –

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die EU muss auf diese Tendenzen reagieren. Sie muss sich verändern und weiterentwickeln, damit die Krisen überwunden werden können.

Ich bin der Überzeugung, dass mit dem Weißbuch der Zukunft Europas der richtige Schritt gemacht wurde. Es wird jetzt zu einer vertiefenden Debatte in einzelnen Bereichen kommen. So wird zum Beispiel ein Reflexionspapier zur sozialen Dimension Europas erarbeitet. Ziel ist ein soziales Europa der Bürgerinnen und Bürger.

Wir müssen uns für eine europaweit einheitliche Flüchtlingspolitik einsetzen. Ich bin der festen Überzeugung, dass die EU am Ende aus diesem Prozesses gestärkt hervorgehen wird.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr richtig!)

Doch dafür müssen die Menschen und muss insbesondere die Jugend mitgenommen werden. Es müssen ihnen die Chancen aufgezeigt werden, die ein friedliches, geeintes, soziales, ökologisches und wirtschaftlich starkes Europa bietet.

Die Bewegung wie „Pulse of Europe“ oder die Ergebnisse von Umfragen, die feststellen, dass die Mehrheit der Menschen positiv zur EU steht, lassen erkennen, dass wir uns in die richtige Richtung bewegen.

Dies müssen wir vonseiten der Politik unterstützen. Ein gutes Zeichen hinsichtlich der Wichtigkeit des Themas wäre daher auch ein gemeinsamer Antrag mit der CDU gewesen. Herr Seekatz, Sie haben das vorhin etwas sehr einseitig dargestellt, vielleicht war das auch Ihre Sichtweise,

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Unterschiedliche Wahrnehmung!)

aber bedauerlicherweise sind wir mit Ihnen noch nicht einmal in eine Diskussion über einzelne Punkte gekommen.

(Glocke der Präsidentin)

Das bedaure ich doch sehr.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die AfD-Fraktion spricht Herr Kollege Lohr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Beginnen wir mit den positiven Anmerkungen zu diesem CDU-Antrag. Mit diesen werde ich sehr schnell fertig sein.

(Zurufe von der CDU)

Selbstverständlich stimmen wir dem zutreffend dargestellten Eindruck einer europäischen Überregulierung und Bürokratisierung und dem daraus abgeleiteten Plädoyer für das Subsidiaritätsprinzip zu.

Auch gegen die Bürgerfreizügigkeit wäre nichts einzuwenden. Diese setzt jedoch voraus, dass die Außengrenzen der EU vernünftig geschützt werden. Dies ist zur Zeit leider nicht der Fall.

(Beifall der AfD)

Bemerkenswert bei diesem Antrag ist, die CDU bringt auf Landesebene einen Antrag ein und stellt Forderungen zu Problemen, die sie auf Bundesebene selbst verursacht hat. Wenden Sie sich doch direkt an die Hauptverantwortliche, Ihre Kanzlerin Merkel.

(Beifall der AfD)

Als AfD hätten wir die begrüßenswerte Forderung nach größtmöglicher Sicherung der europäischen Außengrenzen mit temporären nationalen Grenzkontrollen verknüpft.

Den drei abschließenden Forderungen des CDUEuropaantrags an den Landtag kann die Alternative für Deutschland zustimmen.

Doch kommen wir nun zum vermeintlichen EU-unkritischen Rest.

(Zuruf des Abg. Adolf Kessel, CDU)

Die Kritik muss bei der von ihr forcierten Gleichsetzung von europäischem Bewusstsein einerseits und der Europäischen Union andererseits beginnen; denn die EU ist nicht mehr als ein vergleichsweise neuer zeitgebundener Organisationsrahmen grenzübergreifender europäischer Zusammenarbeit, der in vielerlei Hinsicht starke Defizite aufweist.

(Beifall der AfD)

Europa gab es lange vor der EU, und es wird selbstverständlich auch nach einem etwaigen Ende der Brüsseler Großexperimente weiterleben.

Die Idee, dass mit einem Scheitern der EU oder des Euro über Krieg oder Frieden auf unserem Heimatkontinent entschieden würde, ist nichts anderes als populistische Angstmacherei, die von Ihnen forciert wird.

(Beifall der AfD – Zurufe von der CDU)

Heute stellt sich nur die Frage, ob die EU scheitert, also jenes System, dessen zentralistische Regelungswut vieles von dem zu zerstören droht, was an wirklicher europäischer Substanz von den verschiedenen, auf diesem Kontinent beheimateten Völkern gemeinsam in die Zukunft getragen werden sollte.

(Zuruf der Abg. Christine Schneider, CDU – Zuruf des Abg. Alexander Fuhr, SPD)

Aus deutscher Sicht ist hinsichtlich der zahllosen zentralistischen Übergriffe auf nationalstaatliche Zuständigkeiten auf die aktuellen Diskussionen um den Meisterbrief hinzuweisen.

(Zuruf des Abg. Marco Weber, FDP)

Sowohl der Bundestag als auch der Bundesrat haben eine mehr als berechtigte Subsidiaritätsrüge in Brüssel eingereicht, mit der eine gravierende Gefährdung eigener nationaler Rechte und sozialer Standards durch das EUDienstleistungspaket gerügt werden soll.

Nicht vergessen sollte man bei der unter europäischen Völkern längst weit verbreiteten EU-Kritik auch andere Großthemen. Hier wäre die unendliche Geschichte des Brüsseler Bürokratieexzesses zu nennen. Man denke hier nur an die 52-seitige Schnullerkettenverordnung

(Vereinzelt Heiterkeit bei der AfD)

oder an die bei EU-Beamten besonders ausgeprägte Selbstbedienungsmentalität.

(Zuruf des Abg. Michael Hüttner, SPD)

So ermittelte beispielsweise Anfang 2013 der damalige Bundestagsabgeordnete der FDP, Frank Schäffler, dass etwa 4.000 von damals 45.000 EU-Beamten netto mehr verdienen als die Bundeskanzlerin.

(Zuruf des Abg. Gordon Schnieder, CDU)

Wir als AfD fordern größtmögliche Dezentralität und demokratische Teilhabe, strikte Rechts- und Vertragstreue und allen voran eine positive Grundeinstellung zur Unterschiedlichkeit von gewachsenen regionalen und nationalen Identitäten auf unserem Kontinent.

(Beifall der AfD)

Die Europäische Union ist in ihrer heutigen Verfassung ein Garant für andauernden Streit zwischen den Völkern, ein Garant für Verluste an Freiheit und demokratischer Selbstbestimmung sowie für einen Wohlstandsschwund, der sich in der Massenarbeitslosigkeit in den südeuropäischen Ländern schonungslos offenbart, sich aber auch in dem immensen Wertverlust deutscher Sparvermögen zeigt.

In Ihrem Antrag sprechen Sie von ermutigenden Zeichen und versuchen, Pseudowahlerfolge als Sieg zu verkaufen. In Österreich wurden bei der vergangenen Präsidentschaftswahl mit letzter Kraft Ihres Establishments der deutlich geeignetere Kandidat der FPÖ, Norbert Hofer, verhindert.

(Beifall der AfD)

In den Niederlanden wurde die Sozialdemokratie marginalisiert, und der Wahlsieger bediente sich programmatisch sehr stark bei der niederländischen Partei für die Freiheit.

Zahlreiche Bürger unserer Nachbarländer haben sich für Kritiker der EU entschieden, und das ist auch gut so.

Auch die Wahl Macrons zum Präsidenten oder die französischen Parlamentswahlen mit Wahlbeteiligung von teilweise 25 % oder weniger als Sieg der EU zu verkaufen, ist ein Irrglaube sondergleichen.