Protokoll der Sitzung vom 22.06.2017

Die Zukunft Europas gestalten – Freizügigkeit und Sicherheit der Europäischen Union stärken Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 17/2908 –

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Europafragen und Eine Welt – Drucksache 17/3228 –

Die Zukunft Europas gestalten – Demokratie und Freiheit in der Europäischen Union stärken Antrag (Alternativantrag) der Fraktionen der SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/3324 –

Es wurde eine Grundredezeit von fünf Minuten vereinbart.

Ich informiere Sie über das Ausschussverfahren: Die erste Plenarberatung hatten wir in der 31. Sitzung am 4. Mai dieses Jahres. Der Antrag wurde an den Ausschuss für Europafragen und Eine Welt überwiesen. Wir haben eine Ausschussempfehlung, die auf Ablehnung lautet.

Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Seekatz.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ende März dieses Jahres haben die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten in Rom das 60-jährige Jubiläum der Römischen Verträge gefeiert. Diese Magna Charta der Europäischen Union hat den Grundstein dafür gelegt, dass wir heute in Frieden, Freiheit und auch in Wohlstand leben können.

(Beifall der CDU)

Im Wandel der Zeiten hat sich die EU verändert. Sie ist größer, vielfältiger und damit auch heterogener geworden. Gleichzeitig sieht sich die EU mit einer Reihe von neuen Herausforderungen konfrontiert. Brexit, Migration, Terror auf der einen Seite, nationalistische, aber auch protektionistische Tendenzen auf der anderen Seite.

Um diesen Herausforderungen zu begegnen, hat EUKommissionspräsident Juncker ein Weißbuch zur Zukunft Europas vorgelegt. Dieses bietet eine gute Grundlage, die Zukunft der EU auf einer breiten Basis zu erörtern und zu sichern. Grundvoraussetzung dafür ist, dass wir die Unionsbürger von der Idee Europa überzeugen.

Ein Mehr an politischem Engagement für Europa durch die Bürger Europas ist für die Zukunft der EU überlebenswichtig. Dies erreichen wir aber nur, wenn wir die Unionsbürger bei den Gestaltungsprozessen mitnehmen und diese besser kommunizieren.

(Beifall der CDU)

Andererseits sind vielen EU-Bürgern Überregulierung und Bürokratisierung ein Dorn im Auge. Unsinnige kleinteilige Verordnungen gefährden die Zustimmung der Bevölkerung zur europäischen Idee und sind Wasser auf die Mühlen der EU-Gegner. Das Problem besteht derzeit darin, dass Brüssel zu wenige Kompetenzen in großen Fragen, etwa in den Bereichen Verteidigung, Sicherheit, Einwanderung oder auch Klimawandel, aber zu viele Kompetenzen in der Gestaltung regionaler und lokaler Gegebenheiten hat. In Zukunft muss das Prinzip gelten, mehr Europa im Großen, weniger Europa im Kleinen. Das heißt im Klartext, dass wieder unterschieden werden muss, was europaweit geregelt und was besser auf nationaler Ebene durchgesetzt werden muss.

(Beifall der CDU)

Wir sind davon überzeugt, dass Europa mehr am Willen der Bürger und weniger an der Regulierungswut der Bürokraten in Brüssel, aber auch in Berlin, ausgerichtet werden muss. Es muss auch damit Schluss sein, dass nationale Probleme immer wieder auf der EU-Ebene abgeladen werden.

Meine Damen und Herren, Europa ist eine Wertegemeinschaft, in der sich Menschen frei bewegen können, um ihre Ideen sowie ihre Erfindungen und Waren ungehindert auszutauschen. Für mehr als 500 Millionen Unionsbürger in Europa, darunter 4 Millionen Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer, ist der Gemeinsame Binnenmarkt eine der größten Errungenschaften der EU. Er ist die eigentliche Grundlage für die wirtschaftliche Stärke und Stabilität Europas. Daher lohnt es sich, für die Freizügigkeit in Europa zu kämpfen. Regionen wachsen hierdurch und durch entstehende Partnerschaften grenzüberschreitend zusammen, wie wir es in unserem Bundesland im Grenzbereich zu Belgien, Luxemburg und Frankreich erleben.

Um die innereuropäische Freizügigkeit dauerhaft zu gewährleisten, müssen wir die EU-Außengrenzen gerade auch wegen der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus und angesichts wachsender Migrationsströme besser schützen. Nicht Schlepper dürfen entscheiden, wer nach Europa kommt, sondern der Staat.

(Beifall der CDU)

Dieser muss eine effektive Kontrolle darüber haben, wer ausreisen muss und wer einreisen darf, meine Damen und Herren. Die Sicherung der Außengrenzen muss folglich eine gesamteuropäische Aufgabe sein.

Vor diesem Hintergrund muss die Grenzschutzagentur Frontex weiter gestärkt und müssen Unterstützungsangebote für die Staaten, die die europäischen Außengrenzen sichern, intensiviert werden.

(Beifall der CDU)

Nur mit einer gemeinsamen europäischen Sicherheitsarchitektur sind islamistischer Terrorismus und grenzüberschreitende Kriminalität wirksam zu bekämpfen. Gerade die Erfahrungen mit den Terroranschlägen in Brüssel, Paris und Berlin haben gezeigt, wie dringend notwendig eine bessere Vernetzung der europäischen Sicherheitsbehörden ist.

Meine Damen und Herren, die Europäische Gemeinschaft ist mehr als nur die Summe aller Staaten. Sie ist eine Wertegemeinschaft, in der die freiheitliche Lebensweise zum Grundprinzip gesellschaftlichen Miteinanders erhoben wurde. Diese freiheitliche Lebensweise zu erhalten und gegen Anfeindungen zu schützen, liegt in unser aller Interesse; denn ohne Sicherheit in Europa gibt es keine Freizügigkeit.

(Beifall der CDU)

Vor diesem Hintergrund bedauern wir es, dass die Ampelkoalition unseren Antrag im Kernbereich abgelehnt hat. Die CDU hätte gerne einen gemeinsamen Antrag zur künftigen Gestaltung eingebracht.

(Zurufe von der SPD)

Leider haben SPD, FDP und Grüne zentrale Punkte aus dem CDU-Antrag nicht mitgetragen. Die Forderung nach einer Kompetenzverlagerung innerhalb der föderalen EUStaatengemeinschaft

(Zurufe von der SPD)

lesen Sie Ihren Antrag –, aber auch unsere Vorschläge für einen wirksamen Schutz der EU-Außengrenzen und der Begrenzung der Flüchtlingsströme sind in Ihrem Alternativantrag nicht zu finden. Damit wurde eine einmalige Chance vertan, in einer so wichtigen Frage wie der künftigen Gestaltung Europas mit einer Stimme zu sprechen.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU – Abg. Astrid Schmitt, SPD: Das haben Sie vergeigt!)

Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Scharfenberger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Europa ist eine Erfolgsgeschichte. Die Geschichte der europäischen Zusammenarbeit hat gezeigt, dass wir nur gemeinsam mit unseren europäischen Nachbarn die Herausforderungen der heutigen Zeit bewältigen können.

Ein starkes Europa ist entscheidend für unseren Frieden, unseren Wohlstand und unsere Sicherheit – dies auf der Grundlage der gemeinsamen Werte von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und den vier Grundfreiheiten Meinungsfreiheit, Redefreiheit, Pressefreiheit und Religionsfreiheit.

Wir leben in einem Europa, in dem zum Beispiel viele junge Menschen über das Erasmus-Programm gefördert werden. Es wurde seit Beginn der Einführung von über 1,3 Millionen Studenten, Azubis und Lehrern aus Deutschland genutzt. Es ist damit das weltweit größte Förderprogramm für Auslandsaufenthalte.

Wir leben in einem Europa, in dem es viele Kooperationsräume gibt, in denen ganz selbstverständlich eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit von zum Beispiel Notdiensten oder von Tarifangeboten im ÖPNV zum Wohle der Menschen besteht.

Wir leben in einem Europa, in dem die Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Niederlassungsfreiheit sehr viele Möglichkeiten eröffnen und viele vom ungehinderten grenzüberschreitenden Austausch profitieren lässt.

Wir leben in einem Europa, in dem wir alle froh sind, ohne Grenzen und ohne Geldumtausch unsere europäischen Nachbarn besuchen zu können.

Viele dieser Kontakte zwischen Bürgerinnen und Bürgern beleben den europäischen Gedanken, sei es durch private Besuche oder durch Partnerschaften zwischen Städten oder Regionen. Wir konnten gerade am vergangenen Wochenende ein solches Begegnungsfest auf dem 21. Rheinland-Pfalz-Tag in Dijon mit ca. 2.000 Besuchern, darunter viele Jugendliche, erleben. Das war gelebtes Europa.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das waren einige Beispiele von ganz vielen positiven Errungenschaften, die vielleicht allzu sehr selbstverständlich geworden sind; denn leider überwog in der letzten Zeit die Kritik an der EU.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir stehen heute vor einer Vielzahl von komplexen Herausforderungen im Zuge vieler Krisen und in außenpolitisch unsicherer Zeiten.

Die Flüchtlingskrise hat Mängel an den Außengrenzen offengelegt, die europaweite Umverteilung von Asylbewerbern scheiterte an reinen machtpolitischen Interessen von Ländern. Diese verstoßen damit fundamental gegen die solidarischen Grundlagen der EU.

(Beifall bei SPD und vereinzelt bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Rechtspopulistische Strömungen an den Rändern des politischen Spektrums versuchen, auf komplexe Probleme einfache Antworten zu geben und verunsichern damit die Menschen.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: So ist es! – Zuruf des Abg. Joachim Paul, AfD)

Ich möchte hier feststellen, dass eine immer wieder herbeigeredete Abschottung keine vernünftige Antwort ist.

(Beifall der SPD, bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Staatsminister Roger Lewentz: Sehr gut!)

Sie macht einsam und bedeutet den Verzicht auf viele Errungenschaften.

Jean Asselborn hat es so formuliert: Nicht die Abschaffung von Schengen und die Rückkehr zu nationalen Grenzkontrollen innerhalb des Schengenraums bietet die Lösung, sondern eine stärkere, effizientere Zusammenarbeit, welche grundsätzliche Fragen des Datenschutzes beachtet, aber auch ein vernetztes Datensystem einsetzt, das die Sicherheit unserer Bürger gewährleistet. –