Protokoll der Sitzung vom 22.06.2017

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Mündliche Anfrage beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt:

Zu den Fragen 1, 2 und 4: Die Fragen 1, 2 und 4 können leider nicht explizit beantwortet werden, und zwar nicht nur in Rheinland-Pfalz, sondern auch nicht andernorts in Deutschland. Dies hat mehrere Ursachen, die insbesondere in den bisherigen Erhebungsmethoden begründet liegen.

Die amtliche Hochschulstatistik kann bislang keine Studienabbruchquoten vorlegen oder Rückschlüsse dazu zulassen, ob ein Studium nur unterbrochen oder aber ohne Abschluss endgültig beendet wurde.

Das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZWH) hat allerdings kürzlich auf Basis von Befragungen und bundesweiten Stichproben eine Studie über Studienabbrüche veröffentlicht. Aufgrund des Erhebungsdesigns werden aber keine länderspezifischen Aussagen getroffen. Auch beziehen sich die Aussagen der DZHW-Studie auf Hochschularten und ausgewählte Fächergruppen und nicht auf einzelne Fächer.

Hinzu kommt, das DZHW versteht unter Studienabbrecherinnen und Studienabbrechern diejenigen, die durch Immatrikulation ein Erststudium an einer Hochschule aufgenommen haben, dann aber das Hochschulsystem ohne ersten Hochschulabschluss endgültig verlassen. Eine solche Definition kann jedoch nicht ausschließen, dass die Person die Hochschule wechselt oder zu einem späteren Zeitpunkt doch wieder ein Studium aufnimmt.

Es gibt nur einige wenige Gründe, die eindeutig auf einen Studienabbruch hindeuten, darunter die Beendigung des Studiums ohne Prüfung, da keine mehr möglich ist, oder nach einer endgültig nicht bestandenen Prüfung.

Diese nur sehr begrenzt aussagekräftige Betrachtung des Studienerfolgs ist ohne Frage nicht zufriedenstellend. Das hat auch der Bund erkannt und mit dem novellierten Hochschulstatistikgesetz, das im März 2016 in Kraft getreten ist, die Voraussetzungen für eine Studienverlaufsstatistik geschaffen. Das Land Rheinland-Pfalz hat mit der Gesetzesnovelle im März dieses Jahres die jüngsten Änderungen des Hochschulstatistikgesetzes im Landesgesetz umgesetzt.

Die Einführung einer Studienverlaufsstatistik und einer Promovierendenstatistik durch die Neuregelungen im Hochschulstatistikgesetz führen dazu, dass künftig von den Hochschulen weitergehende Daten zu erfassen sind als bisher. Dadurch soll es in einigen Jahren möglich sein, Studienfach und Hochschulwechsel statistisch nachzuweisen und Aussagen zum Studienverlauf und zum Studienerfolg abzuleiten.

Zu Frage 3: Das Land Rheinland-Pfalz verfolgt bereits seit vielen Jahren eine Wissenschafts- und Bildungspolitik, welche die Durchlässigkeit und Öffnung der Hochschulen für eine möglichst breite Studierendenschaft ermöglicht. Die

ser politische Wille ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass wir mehr Menschen mit einer akademischen Ausbildung benötigen, um den steigenden Fachkräftebedarf mit entsprechender Qualifizierung abdecken zu können.

Zudem setzt sich die Landesregierung seit Jahren für einen sozial gerechten Hochschulzugang ein, der es jungen Menschen unabhängig von ihrer sozialen und bildungsbiografischen Herkunft ermöglicht, ein Hochschulstudium aufzunehmen.

Um die Barrieren für die Aufnahme eines Studiums abzubauen, aber auch, um den Studienerfolg zu erhöhen und Studienabbrüche zu verringern, unterstützt das Land die Hochschulen mit einer vielfältigen Palette flankierender Maßnahmen. Diese Maßnahmen sind entlang des gesamten Studienverlaufs angesiedelt. Sie zielen darauf ab, Schülerinnen und Schüler, Studieninteressierte und Studierende zu informieren, zu beraten und zu unterstützen.

Diese drei Aspekte – Information, Beratung und Unterstützung – sind essenziell, um mehr Studierende erfolgreich zu einem Studienabschluss zu führen.

Die DZHW-Studie zu den Ursachen des Studienabbruchs, dem beruflichen Verbleib der Studienabbrecherinnen und -abbrecher und der Entwicklung der Studienabbruchquote bestätigt diese Einschätzung. Gleiches gilt für die Empfehlungen des Wissenschaftsrates zum Verhältnis von Hochschulbildung und Arbeitsmarkt, welche sich auch mit dem Thema „Studienabbruch“ beschäftigen.

Beide Papiere erkennen den Studienabbruch als mehrdimensionalen Prozess an, der verschiedene Phasen beinhaltet und von unterschiedlichen Faktoren bestimmt wird. So sind etwa mit Blick auf den zeitlichen Ablauf Erfahrungen vor dem Studium relevant, aber auch in der Übergangsphase zwischen Schule und Hochschule.

Abbruchgründe, die in der eigentlichen Studienphase liegen, können externe Faktoren sein wie die Studien- und Lebensbedingungen, aber auch interne Faktoren wie das Studienverhalten, vor allem aber die Identifikation mit dem Studienfach.

Auch die finanzielle Situation der Studierenden spielt eine wichtige Rolle. Daher ist es richtig und wichtig, dass wir von den Studierenden im Erststudium keine Studiengebühren erheben.

Der wissenschaftliche Erkenntnisstand beim Thema „Studienabbruch“ wird in Rheinland-Pfalz umfassend berücksichtigt. Beispiele sind vielfältige Unterstützungsformate an unseren Hochschulen in der Studieneingangsphase, die wir aus Mitteln des Hochschulpaktes finanzieren oder die durch den Qualitätspakt Lehre gefördert werden.

Erlauben Sie mir, an Beispielen zu konkretisieren, was die Landesregierung unternimmt, um die Studienabbruchzahlen zu verringern.

Beginnen wir erstens an den Schulen. Bereits hier fördert das Land zahlreiche Initiativen, die darauf hinarbeiten, junge Schülerinnen und Schüler vor Aufnahme eines Stu

diums ausreichend zu informieren und sie bei der richtigen Studienwahl zu unterstützen. Dies beginnt bei den Tagen zur Berufsorientierung, die an Schulen durchgeführt werden, bis hin zu Informationsveranstaltungen wie den Tagen der offenen Tür, an welchen zahlreiche Informationen an Hochschulen zum Studium allgemein und zu einzelnen Studiengängen im Besonderen bereitgestellt werden.

Darüber hinaus fördert das Land umfangreiche Projekte, wie zum Beispiel zur Thematik „Schnittstelle Schule – Hochschule“ der Hochschule Mainz. Schülerinnen und Schüler werden dabei über die Möglichkeiten eines Studiums informiert und individuell beraten. Sie können in Schnuppervorlesungen und in persönlichen Gesprächen mit Studierenden das Studium konkreter erfassen und beurteilen. All dies trägt dazu bei, dass die Studienwahl fundierter, bewusster und vor dem Hintergrund der individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten erfolgt, wodurch wiederum die Studienabbruchquote gesenkt wird. Im Rahmen des Hochschulpakts finden Sie ähnliche Projekte an verschiedenen Hochschulen des Landes.

Zweitens wissen wir, dass vor allem in den MINT-Fächern, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, die Gefahr eines potenziellen Abbruchs vor allem in der Studieneingangsphase erhöht ist. Mit Blick auf die zunehmende Heterogenität der Studierenden sind auch die Studienvoraussetzungen unterschiedlich. Die Hochschulen reagieren darauf zum Beispiel mit vorgeschalteten Online-Self-Assessments. Studienanfängerinnen und Studienanfänger können dabei vorab ihre Kenntnisse überprüfen und mit Vor- und Brückenkursen in Grundlagenfächern wie Mathematik verbessern.

Drittens. Auch im Studienverlauf stehen Studierenden an allen Hochschulen des Landes zahlreiche Unterstützungsangebote zur Verfügung. Durch den Hochschulpakt werden verschiedene Projekte im Bereich Studienerfolg, Früherkennung von Studienabbruch und Beratung gefördert. Ein Beispiel ist das Verbundprojekt „Studierendenerfolg in MINT-Studiengängen erhöhen“ der Hochschule Kaiserslautern und der TU Kaiserslautern. An der Hochschule Worms können Studierende zum Beispiel je nach Bedarf individuelle Lern-, Studien- und Sozialberatung in Anspruch nehmen sowie lernunterstützende Workshops und Seminare oder fachspezifische Tutorien besuchen.

Unsere Erfahrungen und Rückmeldungen aus den Hochschulen zeigen, dass diese Maßnahmen, die eine Optimierung der Studienbedingungen und der Lehrqualität oder zusätzliche Lehrangebote zum Ziel haben, direkt und indirekt zum Studienerfolg beitragen.

Trotz dieser vielfältigen Initiativen an unseren Hochschulen kommt es natürlich zu Studienabbrüchen. Mir ist jedoch wichtig, an dieser Stelle festzuhalten, dass nicht jeder Studienabbruch als Versagen der betroffenen Person oder der Maßnahmen an den Hochschulen zu verstehen ist, sondern es gibt viele Gründe und Motive sehr unterschiedlicher Art.

Lassen Sie mich zum Schluss noch einen kritischen Blick auf die häufig zu hörende Aussage werfen, dass die unterschiedlichen Vorkenntnisse unmittelbar für den Studienabbruch verantwortlich seien. Ein Modellversuch an den

Fachhochschulen des Landes hat in den Jahren 2011 bis 2014 den Studienverlauf von Studierenden, die den Hochschulzugang über berufliche Qualifikationen erlangen, untersucht. Ihre Studienleistungen liegen zwar zu Beginn unter denen ihrer Kommilitonen mit Fachhochschulreife oder Abitur, ihre Leistungskurve steigt aber in der Regel überproportional an und nähert sich im Verlauf des Studiums der ihrer Kommilitonen mit klassischer Hochschulzugangsberechtigung an, sodass das Studium letztendlich erfolgreich abgeschlossen werden kann.

Meine Damen und Herren, das Land unterstützt zahlreiche Maßnahmen an den Hochschulen, die den Erfolg der Studierenden befördern wollen. Dabei handelt sich um ein ineinandergreifendes Maßnahmenwerk, das Studierende in verschiedenen Phasen des Studiums begleitet und unterstützt.

Herzlichen Dank.

Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Schneid.

(Abg. Alexander Licht, CDU: Hat jemand aus dem Ministerium an dieser Rede n i c h t mitgeschrieben? – Heiterkeit bei CDU und AfD)

Frau Schneid, bitte.

Ich bin durchaus in der Lage, solche Reden selbst zu verfassen, Herr Abgeordneter. Wer mich kennt, weiß das.

(Abg. Christine Schneider, CDU: Aber in der Kürze liegt manchmal auch die Würze!)

Aber ich wollte Sie doch umfassend informieren.

Jetzt wird nicht über die Rede gesprochen, sondern es wird eine Frage von Frau Schneid gestellt.

Vielen Dank für die Ausführungen. Herr Minister, ich habe eine Nachfrage. Liegen Ihnen Erkenntnisse von den Industrie- und Handelskammern und den Handwerkskammern vor, die vielleicht eine Statistik führen, wie viel Studienabgänger tatsächlich danach in die berufliche Ausbildung gegangen sind?

Herzlichen Dank für die Frage, da mir dies die Möglichkeit gibt, darauf einzugehen, wie die weiteren Qualifizierungswege stattfinden.

Da wir bisher keine umfassende Statistik haben, können

wir die Frage nicht vollumfänglich beantworten.

Aber aus der Studie des DZHW gibt es durchaus sehr fundierte Hinweise darauf, dass sich an einen Studienabbruch in aller Regel in ganz überwiegenden Fällen entweder innerhalb von wenigen Monaten eine andere Qualifizierung, also eine Berufsausbildung anschließt, oder aber, wenn bereits eine Berufsausbildung vorliegt, eine adäquate berufliche Tätigkeit.

Darüber hinaus haben wir gerade in Rheinland-Pfalz in den vergangenen Jahren zwischen den Hochschulen und den Kammern, der IHK und der Handwerkskammer, Übergangsszenarien entwickelt, die Studierenden, die das Hochschulsystem ohne Abschluss verlassen, sehr schnell ermöglicht, eine andere berufliche Qualifizierung abzuschließen.

Das heißt, innerhalb von zwei Jahren erfolgt dann eine Berufsausbildung durch verkürzte Ausbildungszeiten. Daran kann sofort auch eine Meister- oder Technikerqualifizierung angeschlossen werden. Wir haben also sehr kurze und qualitativ sehr hochwertige Wege auch von der beruflichen Bildung in die Hochschulen genauso wie von den Hochschulen in die berufliche Bildung. Dies Systeme greifen mittlerweile sehr stark ineinander.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Paul.

Vielen Dank, Herr Minister, für die sehr ausführlichen Erläuterungen. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie gesagt, wir brauchen mehr Akademiker. Daher meine Frage: Worauf gründen Sie diese doch sehr pauschal und eigentlich sehr weitreichende politische Forderung angesichts der ganzen Debatten, dass der Mittelstand keinen Nachwuchs mehr findet? Ich selbst bin Berufsschullehrer. Ich höre immer wieder, wir finden keinen Nachwuchs mehr, weil die Schüler dazu tendieren, an die Universität zu streben, um irgendetwas, eigentlich manchmal ein Verlegenheitsstudium aufzugreifen, obwohl sie eigentlich im Handwerk oder in der Facharbeiterschaft klare Perspektiven haben.

Herr Paul, Sie haben eine Frage zu stellen.

Die habe ich ja gestellt, Herr Landtagspräsident. Ich musste nur ein bisschen ausholen.

Die Frage beantworte ich gern, und ich begründe dies mit Aussagen der Wirtschaft und Erhebungen. Wir haben in vielen Disziplinen, gerade in dem erwähnten MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) ,

heute schon Zehntausende akademische Stellen, die nicht besetzt werden können, weil die Fachkräfte fehlen.

Die Prognosen gehen dorthin, dass diese Zahl noch immens zunehmen werde, das heißt, wir haben sowohl einen Fachkräftemangel in der beruflichen Bildung als auch einen Fachkräftemangel bei der akademischen Qualifizierung. Der eine Mangel ist nicht durch den anderen Mangel zu beheben. Man befindet sich dann, mathematisch gesprochen, immer im negativen Raum. Da wird nichts positiv, es gibt keinen Ausgleich von negativen Zahlen.