Protokoll der Sitzung vom 24.08.2017

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wink von der Fraktion der FDP.

(Unruhe im Hause)

Herr Abgeordneter Wink, bitte schön.

Verehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn das Thema der Kinderarmut ein unangenehmes Thema ist, ist es ein Muss, hier in diesem Hohen Hause darüber zu reden – nicht nur aus Anerkennung an all die Ehrenamtlichen, Spender, Verbände, Vereine, die sich im Bereich der Kinderarmut einsetzen. Als Pirmasenser kann ich in manchen Bereichen davon ein Lied singen.

In einem Land wie Deutschland muss es unser Anspruch sein, die Kinder- und Jugendarmut auf das niedrigstmögliche Niveau zu senken und dort zu halten und die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen in der Gesellschaft zu gewährleisten. Zu Recht wird in der Debatte oft darauf hingewiesen, dass Kinderarmut häufig Einkommensarmut der Eltern bedeutet.

In der aufschlussreichen Anhörung des Sozialpolitischen Ausschusses wurde von den geladenen Experten außerdem angesprochen und betont, wie wichtig der Mix mehrerer Maßnahmen ist. Es helfen also weder einseitig monetäre Maßnahmen noch ausschließlich institutionelle Ansätze. Durch den Ausbau von Bildungsangeboten und Schulsozialarbeit – auch das wurde erwähnt – sowie durch die Unterstützung von Jugendzentren werden Kinder und Jugendliche maßgeblich gestärkt.

Natürlich möchten wir auch Familien finanziell entlasten. Dies geschieht zum Beispiel durch die Maßnahme der kostenfreien Kita ab dem zweiten Lebensjahr. Für eine angemessene steuerliche Entlastung ist aber auch der Bund zuständig. Hier wäre wichtig zu erwähnen, dass direkte monetäre Transfers auf ihre Effizienz individuell überprüft werden müssen. Auch das haben die Experten in der Anhörung bestätigt.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Was heißt das konkret?)

Weiter muss man erwähnen, dass wir Alleinerziehende durch Arbeitsmarktprojekte unterstützen. Auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf soll weiter verbessert werden, sowohl für Erwerbstätige als auch bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Hierzu zählen auch die Bestrebungen, mit den Kommunen darüber zu sprechen, wie man in den Kindertagesstätten flexiblere Öffnungszeiten einführen kann. Es nützt eben nichts, wenn ich von 7:00 Uhr bis 17:00 Uhr arbeite und die Kita von 8:00 Uhr bis 16:00 Uhr offen ist.

(Zuruf aus dem Hause: Genau!)

Ein Stück weit sind auch wir alle als Gesellschaft gefragt, nämlich dann, wenn es darum geht, ein Klima zu schaffen, in dem sich Elternzeit nicht negativ auf das spätere

Berufsleben auswirkt. Ich nehme das Beispiel des On/OffLebenslaufs. Ich kann aus eigener Erfahrung sprechen – ich bin keine Mutter, die erleben das auch oft, aber ein Vater –, es gibt massive negative Einstellungen zur Inanspruchnahme von Elternzeit.

(Abg. Astrid Schmitt, SPD: Natürlich!)

Warum wird Elternzeit im Berufsleben noch immer negativ angesehen? – Das ist falsch. Das ist ein Klima, das wir verändern müssen.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Letztendlich gilt es also zu sagen, Kinder dürfen in einem Land wie Deutschland und allgemein nicht zu einem Armutsrisiko werden – sie dürfen nicht zu einem Armutsrisiko werden. Sie sind eine Bereicherung, vielen Menschen geben sie neue Lebensinhalte, und vor allem sind sie unsere Zukunft.

Diese Punkte und noch viele mehr spiegeln die Meinung auch der FDP-Fraktion wider, nämlich die Gewährleistung der Teilhabe aller Kinder und Jugendlichen an Bildungsund Freizeitangeboten auf allen Ebenen, der Teilhabe an beruflichen und akademischen und/oder Aus- und Fortbildungen unabhängig von der Einkommenssituation der Eltern. Dies stellt nämlich Chancengerechtigkeit her und schützt vor vererbter Armut.

Sie sehen in dem Antrag, den die Regierungskoalition gestellt hat, dass wir einen ganzheitlichen ressortübergreifenden Ansatz zur Bekämpfung von Kinder- und Jugendarmut in Rheinland-Pfalz verfolgen. Wir sind überzeugt, dass wir durch diesen Antrag einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass Kinder und Jugendliche in Rheinland-Pfalz in Zukunft weniger unter Folgen der Armut leiden müssen.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort Herrn Abgeordneten Frisch.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Wink, ich begrüße es, dass auch Sie davon gesprochen haben, dass wir einen Politikmix aus verschiedenen Maßnahmen brauchen, um dem Problem der Kinder- und Jugendarmut zu begegnen. Ich habe aber in Ihrer Rede wiederum nur institutionelle und strukturelle Maßnahmen gehört, die Sie unterstützen wollen.

Das ist genau das Problem. Sie versuchen den Menschen weiszumachen, dass Sie auf verschiedenen Ebenen da herangehen, aber dann ist leider auch die FDP der Auffassung, dass man in erster Linie auf Betreuung, Betreuung und nochmals Betreuung setzen sollte. Die Familien, die sich um ihre Kinder selbst kümmern, werden von Ihnen

sträflich vernachlässigt.

(Beifall der AfD)

Warum setzen Sie sich denn nicht dafür ein, dass die Erziehungsleistung von Familien – etwa in der Sozialversicherung, vor allem beim Rentenversicherungsrecht – stärker berücksichtigt wird?

(Abg. Monika Becker, FDP: Das ist unglaublich!)

Ich kann mich nicht erinnern, von Ihrer Partei irgendwelche Initiativen auf Landes- oder Bundesebene gehört zu haben. Sie haben unseren Erziehungsgeldantrag hier im Landtag abgelehnt,

(Abg. Alexander Fuhr, SPD: Zu Recht!)

der geeignet gewesen wäre, Kinder-, Jugend- und Familienarmut erheblich zu bekämpfen.

Sie haben hier auch die Mütterrente als Gefälligkeitsprojekt diffamiert. Man muss bedenken, dass Kinder- und Jugendarmut Familien doppelt betrifft. Eltern müssen während der Erziehungszeit, wenn sie sich um ihre Kinder selbst kümmern, Gehaltseinbußen hinnehmen. Dadurch werden sie später im Alter weniger Rentenansprüche haben. Das heißt, wir haben Familien, die in doppelter Hinsicht von Armut betroffen sind: jetzt, aber auch später dann vor allem Frauen, wenn sie Rentenbezieherinnen sind. – Da könnten Sie etwas tun. Da erlebe ich von Ihrer Partei ein Schweigen im Walde.

Wenn Sie tatsächlich der Auffassung sind, wir sollten einen Politikmix machen, um dieses Problem zu bekämpfen, dann machen Sie es auch wirklich, setzen Sie es um, und tun Sie auch etwas dafür, dass Familien neben der Betreuung eine zusätzliche Unterstützung erhalten.

(Glocke des Präsidenten)

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Zur Erwiderung erteile ich das Wort Herrn Abgeordneten Wink.

Verehrter Herr Präsident! Herr Frisch, was Sie hier vorhin sagten, stimmt nicht ganz.

(Abg. Martin Haller, SPD: Das stimmt nicht ansatzweise! – Zurufe von der SPD: Das stimmt gar nicht!)

Ich möchte Ihnen einen Satz noch einmal vorlesen: Hier wäre auch wichtig zu erwähnen, dass direkte monetäre Transfers sehr individuell auf ihre Effizienz geprüft werden müssen. –

(Abg. Michael Frisch, AfD: Was heißt das jetzt? – Zurufe von der AfD: Was heißt das konkret?)

Schauen Sie, was direkte monetäre Transfers sind. Schauen Sie es sich an.

Zur Betreuung. Ich nenne Ihnen eine Maßnahme, die nichts mit Betreuung zu tun hat. Zum Beispiel hat die Landesregierung dafür gesorgt, dass man zusammen mit der IHK und der HWK in den Ferienzeiten die Zentren nutzen kann, um den Kindern, die es wollen, handwerkliche oder industrielle Berufe nahezulegen.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Gegen Kinderarmut? Das hilft gegen Kinderarmut?)

Das ist eine Maßnahme, indem ich die Möglichkeit schaffe, berufliche Aus- und Weiterbildung zu ermöglichen, und zwar einkommensunabhängig.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Die Familien werden es Ihnen danken!)

Das ist nur eine Maßnahme. Sie haben nichts dazugelernt. Ganz einfach.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun hat Herr Abgeordneter Dr. Böhme von der Fraktion der AfD das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr verehrte Frau Kollegin Huth-Haage, ich kann mich Ihren Ausführungen und den Ausführungen meines Kollegen Frisch nur anschließen. Ich möchte es aber etwas allgemeiner betrachten.

(Zuruf aus dem Hause: Oh!)