Protokoll der Sitzung vom 24.08.2017

Auch bei dem vor einigen Jahren eingeführten Fach NaWi ist schwer zu gewährleisten, dass alle Lerninhalte der verschiedenen naturwissenschaftlichen Fächer angemessen unterrichtet werden können. Es zeichnet sich in der Tat ab, dass Schulabgänger ein sehr unterschiedlich fundiertes fachspezifisches Wissen aufweisen und damit letztendlich wirkliche Wissenslücken haben und somit natürlich auch eine schlechtere Voraussetzung für die Ausbildung oder vielleicht auch für das Studium.

(Beifall der CDU)

Deshalb fordern wir die Abkehr vom Zusammenfassen verschiedener Fächer und die Rückkehr zum fachspezifischen Unterricht. Fächer wie Gesellschaftslehre und NaWi begünstigen den fachfremden Unterricht, und das ist aus unserer Sicht absolut problematisch. So hat doch die Lehrkraft, wenn sie sich für ein Studium entscheidet, auch die Fächer im Kopf, die sie gern machen möchte. Natürlich ist das Wissen in dem gelernten Fach nicht gleichbedeutend mit dem Wissen, dass ich mir nebenher aneigne.

(Abg. Michael Frisch, CDU: So ist es!)

Auch die Empathie für die verschiedenen Fächer ist total unterschiedlich und vielleicht auch entsprechend die Motivation und der Aufwand für den Lehrer.

Unsere Lehrkräfte geben ihr Bestes, im fachfremden Unterricht zu bestehen; aber es bleibt trotzdem eine unterschiedliche Priorisierung, und es bleibt trotzdem eine Tatsache, dass es nicht ihre Lieblingsfächer sind, in denen sie richtig fit sind.

(Beifall der CDU und bei der AfD)

Davon abgesehen – darin muss man einmal ehrlich sein – geschieht fachfremder Unterricht eigentlich nur deswegen,

weil auch Fachlehrer in diesen Bereichen fehlen. Sonst könnte ich es ausgleichen und könnte auch tatsächlich die Fachlehrer mit dem Unterricht beauftragen. Also, es ist eigentlich eine Notlösung.

Es kommt zu Lerndefiziten in den einzelnen Fächern, die zusammengefasst wurden, es kommt zu gravierenden Unterschieden bei der Auswahl der Lernstoffe und zu unterschiedlichen Gewichtungen. Daraus resultiert, der Lernstand der Schülerinnen und Schüler in der Oberstufe ist extrem unterschiedlich.

Im Fokus der CDU steht die Bildungsqualität, die Chancen für unsere Kinder, eine gute Bildung zu haben, um positiv ihren Lebensweg bestimmen zu können. Schulfächer geben oft den Ausschlag, in welche Richtung man hinterher beruflich gehen möchte. Deswegen ist auch eine fundierte Grundlage in jedem einzelnen Fach wichtig, damit der Schüler sich entsprechend entscheiden kann.

(Beifall der CDU und bei der AfD)

Dies schließt keine gemeinsamen fächerübergreifenden Projekte aus, die vorbereitet und gemeinsam durchgeführt werden; aber es schließt schon aus, dass bereits auch in der Lehrerbildung vom Fachprinzip abgewichen wird.

Ich nehme gern auch Bezug auf den Schülerantrag aus dem letzten Schülerlandtag. Dies war ein toller Antrag von Schülerinnen und Schülern der Integrierten Gesamtschule Kastellaun,

(Abg. Michael Frisch, AfD: Sehr richtig!)

die sehr konkret ihre Bedenken und Forderungen formuliert haben. Man hat gespürt, dass sich die Jugendlichen ernsthaft mit den einzelnen Fächern auseinandersetzen möchten und für sie auch die politische Bildung ein sehr wichtiges Thema ist.

Wenn Sie von den Regierungsparteien unsere Forderungen auch gern überhören, dann hören Sie doch wenigstens auf die Befürchtungen und Ängste unserer Jugend.

(Beifall der CDU)

Wenn der Antrag zur Wiedereinführung des differenzierten Fachunterrichts von Schülerinnen und Schülern gestellt wurde, spricht dies doch für sich. Jugendliche merken sehr wohl, wenn sie benachteiligt werden. Sie wollen – egal, an welcher Schule – gleich gute Voraussetzungen für ihren Lernerfolg, für ihren Abschluss, für ihren Lebensweg nach der Schule in die Ausbildung oder ins Studium haben. Mir ist die Antwort von Herrn Staatssekretär Beckmann zu dem Antrag noch gut in Erinnerung, und ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten:

„Es geht darum, in einer vernetzten Welt das Wissen und vor allem das Denken stärker zu vernetzen.“ – So lautet das Zitat.

Ja, das stimmt. Vernetztes Wissen und vernetzt zu denken ist wichtig; aber dazu braucht es fundierte Wissensgrundlagen. Kinder müssen lernen, zusammenhängende Dinge zu verstehen und Zusammenhänge zu bilden.

(Abg. Julia Klöckner, CDU: Das ist wie mit Europa!)

Aber sie müssen auch erst einmal die einzelnen Komponenten lernen, um danach die entsprechenden Schlussfolgerungen ziehen zu können.

(Beifall der CDU und bei der AfD – Abg. Michael Frisch, AfD: Sehr richtig!)

Das kann unseres Erachtens nur im Fachunterricht geschehen. Gerade vor dem Hintergrund der Bedeutung der Naturwissenschaften für unsere Forschung und Entwicklung, für unsere Zukunft ist es wichtig, dass unseren Kindern jedes einzelne Fach wirklich nahegebracht wird. Ebenso haben auch die gesellschaftswissenschaftlichen Fächer im Einzelnen eine große Bedeutung für die gesellschaftspolitische Entwicklung. Deshalb fordern wir nach wie vor, wieder eine fächerspezifische Stundentafel einzuführen und von Zusammenfassungen von Fächern Abstand zu nehmen, und zwar sowohl in der Lehrerbildung als auch im konkreten Schulalltag.

Danke schön.

(Beifall der CDU und der AfD)

Weitere Wortmeldungen aus dem Plenum liegen mir nicht vor. Frau Ministerin Dr. Hubig, dann erteile ich Ihnen das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Hinter dem Fach Gesellschaftslehre steht eine Erkenntnis, die Ihnen möglicherweise auch etwas bekannt vorkommt; denn Frau Abgeordnete Schneid hat es gerade ähnlich zitiert: Herr Staatssekretär Beckmann hat schon gesagt, dass wir in einer komplexeren Welt auch neue Kompetenzen, nämlich die Fähigkeit zu einem vernetzten Wahrnehmen, Beurteilen und Handeln brauchen. Die fachdidaktische Entwicklung sieht heute vor, den Schülerinnen und Schülern kein isoliertes Faktenwissen zu vermitteln,

(Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

sondern es werden Daten und Ereignisse früher in Gesamtkontexte gestellt.

(Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Bevor Sie sich echauffieren, hören Sie mir doch einfach noch ein bisschen weiter zu; denn ich komme gleich noch einmal zum Wissen.

Die Bedeutung vergangener Ereignisse für die heutige Lebenswelt wird so viel anschaulicher und verständlicher. Gesellschaftslehre bedeutet eben viel mehr, als nur ein bisschen Geschichte, Erdkunde oder Sozialkunde bei einem Thema zusammenzuführen. Gesellschaftslehre lehrt die Fähigkeit, sich ein Problem aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven zu erschließen. Themenfelder wie zum Beispiel „Europa“, „Migration“ oder „Naturkata

strophen“ sollen dabei nicht unter unverbundenen Einzelperspektiven unterrichtet werden, sondern in einer methodisch verbindenden interdisziplinären Gesamtschau. Und ja, wir sind uns alle einig, dazu braucht es ein solides Grundwissen und ein solides Faktenwissen, und auch das wird in Gesellschaftslehre vermittelt; denn Gesellschaftslehre hat einen Lehrplan, der sehr genau und verbindlich festlegt, welche Inhalte zu vermitteln sind.

Dies geschieht durch Lehrkräfte, die keineswegs fachfremd sind. Es sind in der Regel Lehrkräfte der Fächer Erdkunde, Geschichte und Sozialkunde. Das Pädagogische Landesinstitut bietet darüber hinaus auch noch Fortbildungen zur Umsetzung des Lehrplans an. Dies ist keine Weiterbildung, um Gesellschaftslehrer zu werden, sondern es ist ergänzend.

Das Fach Gesellschaftslehre ist vergleichbar mit dem Fach NaWi, also Naturwissenschaften, in dem eben naturwissenschaftliche Fächer übergreifend unterrichtet werden. Auch in NaWi unterrichten eine Physiklehrerin und ein Biologielehrer eben nicht fachfremd. Die Methoden und Inhalte sind zwar nicht deckungsgleich, aber sie haben viele Gemeinsamkeiten, sodass unsere gut ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrer aufgrund ihrer Ausbildung neue Unterrichtsinhalte aufarbeiten und vermitteln können. Unsere hohen Teilnehmerzahlen und die hervorragenden Ergebnisse, die wir bei Wettbewerben wie „Jugend forscht“ und auch bei den IQB-Bildungsstandards in Mathe und Naturwissenschaften erreicht haben, in denen die rheinland-pfälzischen Schülerinnen und Schüler in der Spitzengruppe in der 9. Klasse waren, zeigen, dass Naturwissenschaften in Rheinland-Pfalz ganz hervorragend unterrichtet werden.

Ich möchte noch ein Wort zur demokratischen Bildung sagen. Natürlich findet in Gesellschaftslehre auch demokratische Bildung statt. Sie ist uns ein sehr großes Anliegen, aber demokratische Bildung findet eben nicht nur isoliert in einem Fach statt, sondern ist Aufgabe in allen Fächern quer durch den Unterrichtskanon. Spätestens ab der 9. Klassenstufe sollen Demokratietage durchgeführt werden, der Klassenrat in allen Stufen, Schülerparlamente, eine Feedback-Kultur, die Stärkung der Schülermitvertretung, und auch dies alles bietet hervorragende Möglichkeiten, Demokratie zu erlernen und Demokratie zu leben.

Wenn man sich mit Eltern unterhält, weshalb sie die Schulart IGS wählen, liegt es auch daran, dass in dieser Schulart neben dem Fachunterricht in starkem Maße fächerübergreifend, fächerverbindend und projektorientiert gearbeitet wird. Dazu gehört auch das integrative Fach Gesellschaftslehre. Es ist ein Profilfach dieser Schulart.

Wenn Sie sagen, dass das Fach Gesellschaftslehre 1999 eingeführt wurde, dann muss ich Sie leider korrigieren. Gesellschaftslehre wurde mit der Gründung der ersten IGS in Rheinland-Pfalz im Jahr 1973 eingeführt. Meines Wissens hat damals die CDU die Landesregierung gestellt, und auch der Kultusminister war von der CDU.

1988 hat Herr Staatssekretär Beckmann an der IGS in Ludwigshafen Gesellschaftslehre unterrichtet.

(Abg. Martin Brandl, CDU: Ich glaube, da war er noch nicht Staatssekretär!)

Das war 1988, und – das muss ich Ihnen nicht sagen – Bildungsminister war damals Georg Gölter.

Also, es ist keine rot-grüne Ideologie, da muss ich Sie jetzt leider enttäuschen. Es war die Idee der CDU, Gesellschaftslehre einzuführen. Wir können das nicht für uns in Anspruch nehmen, so ist es eben.

(Zurufe von der CDU)

Aber damit können wir leben, und damit müssen wir leben.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir können zur Abstimmung über die Anträge kommen.

Wer dem Antrag der Fraktion der AfD – Drucksache 17/3868 – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke. Wer stimmt dagegen? – Damit bleibt für Enthaltungen kein Raum. Der Antrag ist mit den Stimmen der SPD, der CDU, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der AfD abgelehnt.

Wer dem Alternativantrag der Fraktion der CDU – Drucksache 17/3903 – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke. Wer stimmt dagegen? – Stimmenthaltungen? – Der Antrag ist mit den Stimmen der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU bei Stimmenthaltung der AfD abgelehnt.