Protokoll der Sitzung vom 24.08.2017

Ich sage Ihnen im Namen der Ampelfraktion, wir werden Rheinland-Pfalz ganz sicher nicht zum Abschiebe-Alcatraz der Nation ausbauen, wie es sich die AfD wünscht.

(Zurufe der Abg. Dr. Jan Bollinger und Michael Frisch, AfD)

Wir erfüllen unsere Aufgaben. Das Integrationsministerium geht in der Frage der Abschiebehaft mit der notwendigen Sensibilität vor. Das wird auch so bleiben.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Michel Frisch, AfD)

Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Kessel von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Im Bereich Asyl erleben wir derzeit zwei gegenläufige Entwicklungen. Auf der einen Seite verzeichnen wir einen drastischen Anstieg nicht bleibeberechtigter Asylbewerber, auf der anderen Seite verbuchen wir einen deutlichen Rückgang der registrierten Rückführungen. Die Antwort darauf kann nur lauten, wir müssen bestehende Vollzugsdefizite bei der Aufenthaltsbeendigung beseitigen und geltendes Recht konsequent zur Anwendung bringen; denn eine schnelle Rückführung ausreisepflichtiger Asylbewerber ist neben zügigen Asylverfahren eine wichtige Voraussetzung für die Akzeptanz des Asylrechts in Deutschland.

(Beifall bei der CDU)

Im Februar dieses Jahres haben die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der

Länder Regelungen beschlossen, die die Abschiebung ausreisepflichtiger Ausländer erleichtern sollen. Für Ausreisepflichtige, von denen eine erhebliche Gefahr ausgeht, wird die Abschiebehaft erweitert. Für Personen, die Abschiebungshindernisse durch Falschangaben oder Täuschungen selbst herbeiführen, kann der Aufenthalt einfacher räumlich beschränkt werden.

Bund und Länder haben also die notwendigen rechtlichen Instrumente geschaffen, um ausreisepflichtige Asylbewerber schneller abschieben zu können. Nur muss man dies auf Länderebene konsequent umsetzen.

Nicht erst seit heute wissen wir, dass die rheinlandpfälzische Landesregierung unter der maßgeblichen Federführung des grün geführten Integrationsministeriums in den letzten Jahren politische Weichenstellungen vorgenommen hat, die in der Praxis bewirken, dass die Ausreiseverpflichtung abgelehnter Asylbewerber nicht konsequent durchgesetzt wird.

(Beifall der CDU – Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das stimmt doch überhaupt nicht! – Zuruf der Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein spätes Eingeständnis – Herrn Dr. Braun – einer verfehlten Rückführungspolitik hat die Integrationsministerin mit der Einführung einer Task Force Rückführmanagement selbst geliefert;

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn wer von den Schwachstellen bei der Rückführung spricht und davon, Abschiebehindernisse beseitigen zu wollen, räumt Versäumnisse ein.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist doch die Hilfe für die Kommunen, Herr Kessel!)

Hinzu kommt, dass seit Monaten ein roter Faden der Konzeptlosigkeit das grün geführte Integrationsministerium durchzieht. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, wie unkoordiniert und planlos das Integrationsministerium agiert, dann hat ihn die Ministerin mit ihrem Entschluss zur Schließung der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende in Ingelheim selbst geliefert. Dadurch werden erneut falsche Weichen gestellt und vorhandene Synergie-Effekte nicht genutzt, um eine beschleunigte Ausreise zu gewährleisten. Bietet doch gerade der Standort Ingelheim dafür beste Voraussetzungen.

(Zuruf des Staatsministers Roger Lewentz)

Vor Ort befindet sich neben der von der Schließung betroffenen Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende – Herr Minister Lewentz – die Gewahrsamseinrichtung für Ausreisepflichtige. Wir haben beides dort. Zudem ist im Nachbarort Bingen eine Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ansässig. Anstatt den Standort Ingelheim zu schließen, wäre es sinnvoller gewesen, diesen zu

stärken, um die Rückführung abgelehnter Asylbewerber schnell und konsequent umzusetzen.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei der AfD)

Nicht minder kontraproduktiv ist die Weigerung der Integrationsministerin, die Plätze in der Ingelheimer Gewahrsamseinrichtung für Ausreisepflichtige trotz steigender Abschiebungszahlen aus der Haft heraus zu erweitern.

Gerade erst hat der Bundesinnenminister angemahnt, dass aufgrund steigender Zahlen von Ausreisepflichtigen mehr Plätze für Abschiebehaft geschaffen werden müssen.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Der Bundesinnenminister ist von der CDU, er soll mal selbst Verantwortung wahrnehmen! – Zuruf des Staatsministers Roger Lewentz)

Derzeit stehen in ganz Deutschland weniger als 500 Abschiebehaftplätze zur Verfügung. Das ist entschieden zu wenig,

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das kann ich auch nicht sagen!)

zumal die neuen bundesgesetzlichen Regelungen eine Ausweitung des Ausreisegewahrsams ermöglichen.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Versagen des Innenministers auf Bundesebene!)

Ausreisegewahrsam ist ein wichtiges Instrument zur Sicherung der Abschiebung. Wenn wir dem Problem des Untertauchens von Ausreisepflichtigen wirksam entgegentreten wollen, müssen mehr Haftanträge gestellt werden und dafür die entsprechenden Plätze zur Verfügung stehen. Dies gilt insbesondere für ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder.

Meine Damen und Herren, es gibt in Deutschland ein verbindliches Aufenthaltsrecht mit gesetzlichen Ausreisepflichten. Freiwillige Rückführungen und Abschiebungen sind dabei notwendige Instrumentarien zur Durchsetzung rechtmäßiger Ausweisungen. Dazu gehört als letztes Mittel, wohl betont, als letztes Mittel, auch der Abschiebegewahrsam. Wenn nun aber die AfD, wie in ihrem Antrag formuliert, die Abschiebehaft zu einem normalen Instrument des Aufenthaltsrechts machen will, dann lehnen wir dies strikt ab.

(Beifall bei der CDU)

Abschiebehaft darf nicht zur Regel werden, sondern muss immer das letzte Mittel und die Ausnahme bleiben.

(Zuruf des Abg. Michel Frisch, AfD)

Jeden Ausreisepflichtigen in Haft nehmen zu wollen, ist blanker Populismus und wird von uns abgelehnt.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat Frau Ministerin Spiegel das Wort.

Sehr geehrter Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Um es gleich klar zu sagen, die Landesregierung lehnt den vorliegenden Antrag ab. Es wird hier erneut versucht, Legendenbildung zu betreiben, obwohl man es eigentlich besser wissen müsste; denn alle Daten und Fakten zu Rückführungen in Rheinland-Pfalz haben wir im zuständigen Ausschuss bereits mehrfach und ausführlich dargelegt. Aber davon will man anscheinend nichts wissen, da es wohl nicht in das eigene Weltbild passt. Fakt ist jedenfalls, wenn es um Rückführungen von Ausreisepflichtigen geht, setzt die Landesregierung ihre gesetzlichen Pflichten um.

Rheinland-Pfalz verfügt über eine Gewahrsamseinrichtung für Ausreisepflichtige in Ingelheim, die nicht geschlossen werden soll – um das Missverständnis klar auszuräumen –, mit einer Kapazität von aktuell 40 Plätzen, die den besonderen Bedürfnissen der Abschiebungshaft gerecht wird. Man muss wissen, Abschiebungshaft ist eine reine Verwaltungshaft. Es ist keine Strafhaft. Sie dient ausschließlich dazu, die Ausreisepflicht sicherzustellen.

(Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Mit diesen 40 Plätzen stellt Rheinland-Pfalz aktuell 10 % aller Plätze in ganz Deutschland. Unser Bundesland verfügt also über doppelt so viele Plätze, wie wir nach dem Königsteiner Schlüssel vorhalten müssen.

(Zuruf des Abg. Heribert Friedmann, AfD)

Das resultiert auch daraus, dass viele Bundesländer, beispielsweise das CDU-regierte Hessen, gar keine Abschiebehafteinrichtungen haben. Rheinland-Pfalz benötigt nur einen Bruchteil seiner 40 Plätze für den eigenen Bedarf und stellt im Rahmen der Amtshilfe anderen Bundesländern Plätze zur Verfügung.

Ich sage aber ganz klar, es ist nicht die Aufgabe des Landes Rheinland-Pfalz, eine zentrale Gewahrsamseinrichtung für andere Länder vorzuhalten und diese Länder somit aus ihrer eigenen Verantwortung zu entlassen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Wir haben unseren Beitrag beim Thema „Abschiebehaft“ mehr als erfüllt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte einiges klarstellen, was im Antrag angesprochen wird; denn anscheinend wird hier juristische Nachhilfe beim Thema „Abschiebehaft“ benötigt. Um Abschiebehaft lediglich zu

erleichtern, wird kein Richter und keine Richterin Freiheitsentziehung anordnen.

Abschiebehaft hat klare gesetzliche Voraussetzungen. Ihre Anordnung kann eben nicht nach Gutdünken, sondern nur aufgrund eines richterlichen Beschlusses erfolgen.

Ich verwahre mich auch gegen die im Antrag anklingenden Unterstellungen, nach denen man davon ausgehen müsste, dass alle Migrantinnen und Migranten Straftäterinnen und Straftäter sind.