Ich muss es leider sagen. Das ist ein erstes Zeichen dafür, dass uns mit SPD, Grünen und FDP in den künftigen fünf Jahren leider ein weiterer politischer Stillstand droht.
Sie blockieren wider besseres Wissen aus rein ideologischen Gründen notwendige Änderungen in der Flüchtlingspolitik.
Wenn Sie also mit dem erhobenen Zeigefinger immer nur in Richtung BAMF zeigen, dann erinnern Sie sich bitte daran, dass Sie einmal selbst Ihre Probleme hier im Land zu lösen haben.
Wie gesagt, es ist keine Frage, beim BAMF gibt es Probleme, aber hier gibt es sehr wohl ebenfalls Probleme, für die Sie im Übrigen originär zuständig sind.
Liebe Kollegen, sehr verehrter Herr Landtagspräsident! Nicht das BAMF ist das Problem, sondern der deutsche Sonderweg. Als unsere Verfassungsväter und -mütter aus den Erfahrungen der totalitären Diktaturen heraus das Recht auf Asyl im Grundgesetz verankerten, ahnten sie sicher nicht, dass eines Tages binnen weniger Monate Hunderttausende Asylanträge gestellt werden würden. Jetzt müssen nicht nur diese Anträge bearbeitet werden, hinzu
kommen Zigtausende Altfälle, die sich zu kaum überschaubaren Höhen auftürmen. Nun sind Behörden notwendig, die einem Roman von Franz Kafka entsprungen scheinen.
Die Situation ist in vielfacher Hinsicht kafkaesk. Für die Bearbeitung dieser riesigen Masse an Anträgen gibt es in Wirklichkeit überhaupt keine eindeutigen und wirksamen Rechtsgrundlagen. Sie beruht auf der Missachtung der Drittstaatenregelung sowie der eigenmächtigen Aussetzung des Dublin-II-Abkommens und des SchengenGrenzkodexes. Die mangelnde Rechtsstaatlichkeit gipfelte in der zeitweisen Aufgabe unserer Hoheit über die Staatsgrenzen.
Im August 2015 habe ich mir vor Ort in Ungarn mehrere Tage ein eigenes Bild von der Grenze, die Ungarn von Serbien trennt, gemacht. Eine Grenzsicherung existierte offenkundig nur auf Flipcharts Brüsseler EU-Beamter.
Zumindest in diesem Abschnitt war die Grenze eine grüne Grenze, und das, obwohl nach den maßgeblichen Abkommen die Freizügigkeit im Inneren der EU auf verschärften Grenzkontrollen der Außengrenzen basieren sollte, der Sicherheit wegen. Die Asylkrise hat Ungarn und andere Länder, die in der Visegrád-Gruppe vereinigt sind, bewegt, auf eine robuste Grenzsicherung zu setzen. Sie registrieren und prüfen die Migranten in Grenznähe in der Regel, bevor sie das Territorium dieser Länder beschreiten.
Die Bundesregierung bleibt bis heute hingegen auf ihrem Sonderweg. Sie flankiert ihre Asylpolitik mit der Ausweitung der Behördenlandschaft, der Aufstockung von Personal und Geldmitteln und der Verpflichtung von teuren Unternehmensberatungen wie McKinsey. Diese verkaufen ihr integriertes Flüchtlingsmanagement mittlerweile als innovatives Produkt.
Mir wurde in der Grenzregion vielfach berichtet, dass ankommende Migranten in Fahrzeuge mit deutschen und niederländischen Kennzeichen stiegen, um nach Deutschland gebracht zu werden. Es fällt einem schwer, nicht von einem lukrativen Geschäftsmodell zu sprechen, ein Geschäft, das überall dort floriert und sich professionalisiert, wo eine Grenzsicherung nicht existiert, und das ganz ohne McKinsey.
Kafkaesk sind auch die Zahlen des BAMF. 2015 stammten 26 % der Antragsteller aus Staaten, die man weitgehend als sicher einschätzen kann, darunter Albanien, Kosovo und Serbien. Im Kosovo wird mithilfe von EU und Bundesrepublik eine Verwaltung nach deutschem Vorbild aufgebaut. Serbien befindet sich in aussichtsreichen Beitrittsverhandlungen und will bereits in vier Jahren Mitglied der EU sein. Zählt man die rund 12.000 Personen, deren Herkunft unklar ist und die wahrscheinlich zu großen Teilen verschleiert wird, zu denjenigen Bewerbern hinzu, die aus diesen Staaten kommen, steigt die Quote auf 28 %, die keinerlei Bleibeperspektive haben.
Des Weiteren gehen Experten davon aus, dass 2015 30 % der bei uns antragstellenden Syrer tatsächlich aus ande
ren Herkunftsländern stammen. Wir brauchen jetzt Dolmetscher, die verschiedene arabische Sprachvarianten unterscheiden können. Warum wohl?
Ihnen steht eigentlich keine Bleibeperspektive zu. Zählt man diese Fälle alle zusammen, rücken wir auf eine Zahl von etwa 50 % der Antragsteller zu, denen keine Bleibeperspektive zusteht.
Der immense Verwaltungsaufwand ist aber ohnehin vergeblich, wird er doch durch die Abschiebepraxis konterkariert; denn gleichgültig, zu welchem Entscheid die Behörde kommt, de facto reicht allein die bloße Antragstellung aus, um ein längerfristiges Bleiberecht zu erwirken und durch den Sozialstaat alimentiert zu werden, für Jahre, in manchen Fällen sogar Jahrzehnte.
Die Spur führt also nach Rheinland-Pfalz. Es wird nicht abgeschoben, es wird nicht zurückgeführt. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass in Rheinland-Pfalz die Abschiebeverfahren nur in den Fällen betrieben werden, in denen sie quasi aussichtslos sind.
Der Koalitionsvertrag spiegelt den Stand des Sommers 2015, den ich in Augenschein nehmen konnte, wider. Ein Kurswechsel in der Asylpolitik ist nicht zu erkennen. Wer also über das BAMF und angebliche Versäumnisse sprechen will, darf den deutschen Sonderweg, die Kultur der falschen Anreize und die Abschiebepraxis nicht verschweigen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die FDP-Fraktion begrüßt die Initiative des Integrationsministeriums, eine Koordinierungsstelle einzurichten, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge künftig bei der Antragstellung unterstützen wird. Die schnelle Entscheidung über gestellte Asylanträge muss von höchster Priorität sein; denn eine langwierige Entscheidung verzögert nicht nur die Integrationsmaßnahmen, sie blockiert auch Aufnahmekapazitäten. Es ist daher ein notwendiger und guter Schritt, dass Frau Ministerin Spiegel hier tätig wird.
Dennoch steht die Frage im Raum, warum das Land binnen weniger Monate zum zweiten Mal dem BAMF zu Hilfe eilen muss. Es ist bemerkenswert, wie schwer sich die Bundesregierung mit der Lösung des Personalproblems beim Bundesamt tut. Ebenso ist es bemerkenswert, dass CDU-geführte Bundesländer wie zum Beispiel das Saarland personell besser ausgestattet sind.
Sehr verehrte Frau Kollegin Klöckner, wenn Sie also tatsächlich Politik für Land und Bürger betreiben wollen,
dann wäre eine Ihrer Aufgaben sicherlich, dass Sie bei Ihrer Bundeskanzlerin, zu der Sie nach eigenem Bekunden ein ganz hervorragendes Verhältnis haben – oder vielleicht auch nicht mehr –,
Die Landesregierung unterstützt auf jeden Fall, wo sie kann, sogar dort, wo es eigentlich originäre Aufgabe des Bundes wäre.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Debatte, über die wir heute sprechen, geht es vor allem um eines, es geht um Menschen. Es geht sehr konkret um Menschen. Es geht um die vielen Menschen, die aus ihren Herkunftsländern zu uns geflohen sind. Es geht aber auch um viele Ehrenamtliche, die diese Menschen bei uns aufnehmen und unterstützen. Es geht vor allem auch um die Menschen vor Ort in den Kommunen, die sich darum kümmern müssen, dass alles seine geordneten Wege geht und diejenigen Menschen, die bei uns bleiben können, bestmöglich integriert werden, aber dass auch diejenigen, die nicht bei uns bleiben können, möglichst sicher wieder in ihre Herkunftsländer zurückkommen können. Das ist mir bei der bisherigen Debatte doch ein bisschen zu kurz gekommen.
Angesichts der schon geschilderten Situation und der kompletten Überforderung einer Bundesbehörde bin ich außerordentlich dankbar, dass, wie der Rhein-Zeitung zu entnehmen war, das Integrationsministerium dieser Tage einen Brandbrief nach Berlin geschickt hat, um auf die Unterversorgung und die schlechte Situation bei den rheinland-pfälzischen BAMF-Außenstellen hinzuweisen, in dem es heißt, dass in Rheinland-Pfalz weiterhin 66 Stellen beim BAMF fehlen und bisher nur die Hälfte des zugesagten Personals gekommen ist.
Warum sprechen wir darüber? Weil die Zahl der unbearbeiteten Anträge exorbitant zunimmt: 2009 23.000, 2012 50.000, 2013 100.000, 2014 170.000 – damals haben BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Rheinland-Pfalz übrigens auf dem Parteitag gefordert, dass das BAMF besser ausgestattet werden muss –, dann 2015 800.000 und 2016 laut Herrn Weise 830.000 unbearbeitete Anträge auf Asyl in Deutschland.
Was ist seither passiert? Eigentlich nichts. Thomas de Maizière, der Herr Bundesinnenminister, ist immer noch im Amt und trägt schon seit über einem halben Jahr den Beinamen Thomas die Misere.
Das ist die eigentliche Misere, dass die Bundesregierung hier nicht konsequent handelt, sondern auf ganzer Linie versagt hat.