Protokoll der Sitzung vom 21.09.2017

In diesem Zusammenhang betont auch die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie, wie wichtig bei lebensbedrohlichen Zuständen die frühestmögliche präklinische notärztliche Versorgung sei. Hierdurch nämlich könne die tatsächliche Sterberate in Bezug zur vorhergesagten Mortalität um 35 % gesenkt werden, wohingegen sie mit lediglich 5 % im Rahmen der Behandlung durch nichtärztliches Fachpersonal signifikant weniger gesenkt werden könne.

Die Wahrscheinlichkeit, einen Herz-Kreislauf-Stillstand unbeschadet zu überleben, nimmt ohne Therapie pro Minute um 10 % ab, so der stellvertretende Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie und Orthopädie, Reinhard Hoffmann.

Nach einem Herzinfarkt zählt jede Minute für den Patienten, um das verschlossene Gefäß in kürzester Zeit wieder rekanalisieren zu können. Ebenso ist Zeit beim Schlaganfall ein wichtiger Überlebensfaktor. Je früher die Behandlung beginnt, meine Damen und Herren, desto häufiger können bleibende neurologische Schäden oder gar der Tod verhindert werden. Hier zählt jede Sekunde, so auch der Oberarzt der Klinik für Neurologie der Universität Leipzig, Michalski.

Die bestehende gesetzliche Regelung wird aus medizinischer Sicht der Bedeutung des Notarztes für die präklinische Versorgung lebensbedrohter Patienten nicht gerecht. Hier sehen wir Regelungsbedarf, um die Überlebenschancen zu verbessern.

Daher sollte in § 23 Abs. 2 Rettungsdienstgesetz Rheinland-Pfalz nach Satz 4 folgender Satz eingefügt werden: Bei der Festlegung der Notarztversorgungsbereiche und Übertragung der Notarztversorgung auf die Krankenhäuser durch öffentlich-rechtlichen Vertrag bzw. bei Vereinbarungen im Sinne von Abs. 2 Satz 3 dieser Vorschrift muss gewährleistet werden, dass unter gewöhnlichen Bedingungen eine Frist von maximal 15 Minuten nach Alarmierung des Notarztes bis zum Eintreffen des Notarztes am Einsatzort in 95 % aller Fälle nicht überschritten wird. Es gilt: Zeit ist Leben.

(Glocke des Präsidenten)

Ich beantrage die Überweisung des Gesetzentwurfs federführend an den Innenausschuss unter Beteiligung des Rechts- und Gesundheitsausschusses.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der AfD – Zuruf des Abg. Thomas Roth, FDP)

Vielen Dank für die Begründung. Bevor ich die weitere Rednerliste eröffne, darf ich Gäste auf unserer Besuchertribüne willkommen heißen: Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Seniorenkonferenz in der Verbandsgemeinde Diez. – Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Nun darf ich die Aussprache eröffnen und erteile zunächst Frau Abgeordneter Scharfenberger von der Fraktion der SPD das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir reden über eine Ergänzung des Rettungsdienstgesetzes von 2010, und zwar konkret über die Hilfeleistungsfrist beim Einsatz von Notärzten. Es geht dabei um die präklinische Versorgung der Notfallmedizin. Ich möchte erst einmal die Gelegenheit wahrnehmen und allen Beteiligten im Rettungsdienst danken. Sie leisten eine wertvolle Arbeit und retten mit großem Einsatz Menschenleben. Dafür ein großer Dank!

(Beifall im Hause)

Meine Damen und Herren, heute sorgt eine moderne Rettungskette für eine gute Versorgung von Notfallpatienten, und zwar rund um die Uhr, durch den Einsatz von qualifiziertem Rettungsfachpersonal und geeigneten Rettungsmitteln. Hierbei ist die Versorgung von Patienten vom Unfallort bis zur endgültigen Behandlung in einer Klinik durch definierte Aufgabenstellung gesichert. Es ist entscheidend, wann die professionelle notfallmedizinische Behandlung

beginnt. Anhand des vor vielen Jahren eingeführten Arbeitsmodells der Rettungskette lassen sich Funktionsabläufe darlegen und entsprechende Anforderungen für die einzelnen notwendigen Schritte ableiten.

Gerade im Bereich der Qualitätssicherung wurde viel getan, auch durch die kontinuierliche ärztliche Einbindung. Ein Beispiel hierfür ist die Einführung des Berufs des Notfallsanitäters, der von Rheinland-Pfalz aus entwickelt wurde und am 1. Januar 2014 im bundesrechtlichen Notfallsanitätergesetz geregelt wurde. Das Rettungsassistentengesetz wurde im Gegenzug am 31. Dezember 2014 außer Kraft gesetzt, und beide Berufsgruppen werden eine angemessene Übergangszeit parallel laufen. Es werden aber nur noch Notfallsanitäter mit einem qualitativ sehr hohen Standard ausgebildet.

Aus der oben erwähnten bundesrechtlichen Regelung geht hervor, die neuen Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter sind auf der Basis ihrer Ausbildung in der Lage, den lebensbedrohlichen Zustand im Rahmen des präklinisch medizinisch Machbaren zu behandeln. Das heißt, aufgrund der sehr guten Ausbildung können die relevanten notfallmedizinischen Maßnahmen von Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitätern in Rheinland-Pfalz darüber hinaus auch von den Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten ergriffen werden. Genau an der Stelle schürt der vorgelegte Gesetzentwurf der AfD Sorgen und Ängste,

(Abg. Uwe Junge, AfD: Herrgott!)

die – obwohl wir über ein hoch qualifiziertes, gut geschultes Rettungsdienstpersonal und eine moderne Rettungskette verfügen – der Bevölkerung suggerieren, nur ein Notarzt kann im Ernstfall helfen.

(Abg. Uwe Junge, AfD: Fällt euch nichts anderes mehr ein?)

Meine Damen und Herren, der Rettungsdienst unterliegt in der heutigen Zeit vielen Veränderungen. Dahin gehend wird auch das Rettungsdienstgesetz optimiert werden, wobei viele Aspekte zu berücksichtigen sind. So muss der neue Beruf des Notfallsanitäters eingefügt werden und in diesem Zusammenhang auch die personelle Besetzung der Rettungsmittel bestimmt werden, oder es müssen im Bereich der Vergaberichtlinien Bestimmungen zum neuen Vergaberecht in das Gesetz eingefügt werden, um nur zwei Aspekte zu nennen.

Wir werden uns damit sehr intensiv im Innenausschuss befassen. Der Gesetzentwurf der AfD-Fraktion berücksichtigt diese aktuellen Entwicklungen und Zusammenhänge des Rettungsdienstes überhaupt nicht. Sich nur auf einen einzigen Aspekt zu fokussieren, ist einfach zu kurz gegriffen.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Enders von der Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser Rettungsdienstgesetz ist dafür da, dass die notfallmedizinische Versorgung der Bevölkerung uneingeschränkt sichergestellt wird. Wir hatten 2005 die letzte – ich betone große – Novellierung. Daneben gab es kleinere. Damals, vor zwölf Jahren, ging es um Qualitätsstandards des Personals. Wir haben damals einmal bei den Notärzten eingeführt, dass der Fachkundenachweis Rettungsdienst nur bis zum 31. Dezember 2013 gelten soll und dann als Qualifikationsnorm durch die Zusatzbezeichnung abgelöst wird. Leider mussten wir das ändern und diese Übergangsfrist verlängern, weil wir festgestellt haben – die CDU-Fraktion hat es damals festgestellt, danach auch das Innenministerium –, die Frist reicht nicht, weil wir nicht genügend Ärzte mit dieser Qualifikation hatten. Man hat 2005 zu Recht § 23 eingeführt, der sich mit „Notärzte“ überschreibt. Zusätzlich hat man in § 8 die Hilfeleistungsfrist definiert. Das waren die drei großen Punkte, und ich glaube, darum geht es der AfD heute auch.

Die CDU hat damals dem Gesetz nicht zugestimmt, weil es für uns nicht viele, aber einige handwerkliche Defizite gab, die wir anders gesehen haben. Die Entwicklung hat uns in den letzten zwölf Jahren leider recht gegeben; denn in der Antwort auf eine Kleine Anfrage von mir vom 21. August 2014 – Drucksache 16/3879 – hat die Landesregierung festgestellt, man könnte auch zugegeben sagen, dass es für insgesamt 62 % der Notarztstandorte schwer oder sehr schwer ist, Notärzte zu gewinnen. Über 80 % der Standorte gehen davon aus, es kommt zu einer weiteren Verschärfung. Das war bereits 2014.

(Beifall bei der CDU)

Warum ist das so? Das hat etwas damit zu tun, dass § 23 – dieser neue Paragraf, der wohlfeil formuliert ist – nicht funktioniert. Da heißt es – ich darf zitieren –, dass die Krankenhäuser im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit gegen Erstattung der ihnen entstehenden Kosten Notärzte zur Verfügung stellen. Das soll durch öffentlich-rechtliche Verträge fixiert werden, und bei Meinungsverschiedenheiten – so heißt es im Gesetz – kommt es zu einer Vermittlung durch das zuständige Innenministerium.

Der Knackpunkt ist, nach zwölf Jahren existieren diese Verträge nur in einem bescheidenen Ansatz. Noch nicht einmal in der Hälfte der Fälle gibt es Verträge. Es geht in § 23 also auch um die Kosten. Wenn ich von Kosten rede, dann heißt das Bezahlung. Solange im kassenärztlichen Bereitschaftsdienst die Ärzte, die außerhalb der Sprechstundenzeit Notdienst machen, für vitale Notfälle aber gegebenenfalls den Notarzt dazurufen müssen, in der Regel doppelt so viel Geld für die Stunde wie die Notärzte bekommen, kann das einfach nicht sein. Da muss man sich nicht wundern, wenn es zu wenige gibt und es nicht attraktiv ist.

(Beifall der CDU)

Das heißt, der KV-Dienst wird deutlich besser bezahlt. Man könnte das Problem durch einen Finanzausgleich, den es im Rettungsdienst außerhalb des Notarztdienstes seit vielen Jahren erfolgreich gibt und der funktioniert, lösen.

Dazu hat man sich aber vonseiten der Regierung noch nicht durchringen können. Wir haben das sehr oft kritisiert, aber unsere Argumente sind bisher abgeprallt.

Für mich ist allerdings nicht nachvollziehbar, dass die AfD die Hilfeleistungsfrist im § 23 neu regeln will. Da gehört es eigentlich nicht hin. Wir haben die Notwendigkeit einer Hilfeleistungsfrist für den Notarzt bereits 2005 thematisiert. Man kann das in den Ausschussprotokollen, in den Plenarprotokollen, aber auch bei der Anhörung nachlesen. Wenn man diese Hilfeleistungsfristen – in anderen Bundesländern heißt es Hilfsfrist – einführt – und es gibt durchaus Argumente dafür, wir haben das gefordert –, dann sollte man sie in § 8 einfügen, wo die Hilfeleistungsfrist auch zurzeit geregelt ist.

In den Ausführungsbestimmungen dazu – das Landesrettungsdienstgesetz hat einen Landesrettungsdienstplan, der sagt, das sind die 15 Minuten vom Eintreffen des Notrufes auf der Leitstelle bis zum Eintreffen des Fahrzeugs in der Regel an einer öffentlichen Straße, also nicht im zehnten Stock – heißt es explizit, der Notarzt soll schnellstmöglich kommen. Das ist also zeitlich etwas gummiartig und nicht definiert. Wir hätten uns damals gewünscht, man macht das, weil es auch entsprechende juristische Ausführungen dazu gab. Es ist leider nicht dazu gekommen. Es gibt nur in zwei Bundesländern, Baden-Württemberg und Sachsen, eine Hilfsfrist für den Notarzt.

Die Landesregierung hat in der Beantwortung einer Kleinen Anfrage von mir auch festgestellt, dass sie in einer demnächst vorgesehenen Novelle auch eine Hilfeleistungsfrist nicht einführen will. Diese macht allerdings – da muss ich der Landesregierung recht geben – nur dann Sinn, wenn die Rahmenbedingungen stimmen und wir genug Notärzte haben. Was nützt es, wenn ich eine Frist hineinschreibe und man sie nicht halten kann?

Es kam eben der Hinweis auf den Notfallsanitäter. Das ist kein Verdienst der Landesregierung. Ich wundere mich etwas, dass es von Rheinland-Pfalz ausgegangen sei. Das ist ein Bundesgesetz der letzten Bundesregierung. Dieses Gesetz ist gut. Überlappend gibt es in der Tat seit 2014 den Beruf des Notfallsanitäters, der eine längere Ausbildung hat und damit auch eine höhere Qualifikation. Das heißt, das Notarztdilemma wird dadurch in der Tat kompensiert, weil die bundesgesetzliche Regelung es so bewirkt hat.

Was aber fehlt und wo der Notfallsanitäter angesprochen wird, ist die Umsetzung in unserem Rettungsdienstgesetz. Ich habe bereits 2015 einen ersten Entwurf gesehen, in dem man diese neuen Qualifikationen in unserem Landesrettungsdienstgesetz umsetzt. Er ist bis heute – wir haben jetzt September 2017 – nicht im Plenum gewesen. Ich vermute, das hat etwas mit der neuen Regierungskonstellation zu tun. Es kann sein, dass vielleicht die FDP ihren Sachverstand noch einbringen wollte, aber da sollten Sie etwas schneller arbeiten. Die Mitarbeiter im Rettungsdienst warten darauf, dass man da jetzt eine Änderung hat, die Begrifflichkeiten auch in unser Gesetz hineingeschrieben werden und Gesetzeskraft haben.

(Beifall bei der CDU)

Abschließend will ich noch eines feststellen: Wir haben in

dieser Woche die Woche der Wiederbelebung, bundesweit eine Initiative von medizinischen Fachgesellschaften wie dem Deutschen Rat für Wiederbelebung. Der Bundesgesundheitsminister hat sich aktiv daran beteiligt. Ich habe diese Woche auch eine Aktion in meinem Wahlkreis gemacht.

Unser Problem in Deutschland ist nicht die gute medizinische Versorgung. Unser Problem ist, nur in 30 % der Fälle, in denen echte Notfälle auftreten und ein Herz-KreislaufStillstand vorliegt, bis zum Eintreffen des ersten Rettungsmittels, egal ob Notarzt oder Rettungsdienst, wird überhaupt Hilfe durch Laien geleistet. Das ist in Skandinavien – in Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland –, die bei 80 % sind, besser. Daran müssen wir auch etwas tun. Darauf kommen wir später zurück.

(Beifall der CDU)

Zu einer Kurzintervention auf die Rede von Herrn Dr. Enders erteile ich Frau Abgeordneter Dr. Groß das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Argumentation, den Notarzt durch einen Notfallsanitäter ersetzen zu wollen, auch wenn es zeitlich befristet ist, ist eine durchschaubare politische Mogelpackung

(Beifall der AfD)

und aus ärztlicher Sicht im vitalen Interesse der Patienten abzulehnen. Das sage nicht ich, sondern ich stimme und pflichte ebenfalls dem Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie und Orthopädie bei.

Über die Positionierung der Hilfeleistungsfrist – die 15 Minuten, die wir für den Notarzt wollten – kann man sich streiten. Wir haben festgestellt, dass sich § 23 ausschließlich für die Einfügung dieser Position eignet. § 8 regelt die Anzahl von Rettungswachen und Vorhaltezeiten. § 23 regelt die Notärzte. Darin ist aufgeführt, die zuständige Behörde hat Notarztversorgungsbereiche festzulegen. Wenn die zuständige Behörde Notfallversorgungsbereiche festzulegen hat, dann muss sie sie so festlegen, dass in 95 % der Fälle in 15 Minuten der Notarzt vor Ort ist.

(Beifall der AfD)